Endo-Tipps

XNur bei der Vit-E hat man mit einiger Sicherheit keimfreie Verhältnisse (da kann man sich aber auch täuschen, immerhin muss es ja einen Grund für die Behandlung geben, und das ist die unumkehrbare Pulpitis – und die wird ja auch durch bakterielle Einflüsse ausgelöst.
Bei der Therapie des devitalen Zahnes hat man stets einen infizierten Wurzelkanal vor sich, das liegt in der Natur der Sache.
Vergegenwärtigen wir uns die Anatomie eines Zahnes, so müssen wir mit einhundertprozentiger Sicherheit davon ausgehen, dass auch die Ramifikationen der Pulpa infiziert sind – und die erreicht man bei der mechanischen Aufbereitung unter keinen Umständen. Mit der Keimfreiheit des Zahninneren steht und fällt aber jegliche Endo-Therapie. Nur mit viel Glück schafft man es, wenn der Hauptkanal (die Kanäle) korrekt aufbereitet und gefüllt ist, die Endo-Therapie zu einem Erfolg werden zu lassen. In diesen Glücksfällen genügt die Versiegelung, die in den Ramifikationen befindlichen Bakterien „auszuhungern“, weil der Nachschub an Substrat abgeschnitten ist. Nicht selten jedoch wird dies so nicht gelingen – Nachschubwege für Substrat sind nicht zwangsläufig Undichtigkeiten der Wurzelfüllung (die gibt’s auch), sondern eben auch die Seitenkanäle, durch die z.B. Serum aus dem Alveolarbereich eindringen kann. Was also tun um die Erfolgswahrscheinlichkeit zu verbessern?
Im Fall der Therapie des marktoten Zahns empfiehlt es sich grundsätzlich eine „med“ zwischen Aufbereitung und Füllung einzuschieben. Was passiert denn bei der Einlage? Wir setzen stets bakterizide Präparate ein, z.B. Calciumhydroxid, Jodoform, Ledermix Paste, Kupfer/Calcium-Gemische, Chlorhexidin, usw. Dazu spülen wir die Kanäle mit reichlich Natriumhypochlorit (da schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe: nekrotisches Gewebe wird gelöst, gleichzeitig wirkt NaOCl desinfizierend, insbesondere, wenn man zusätzlich Wasserstoffperoxid als alternierende Spülung einsetzt. Die Spülung erreicht jedoch normalerweise nicht die Ramifikationen (geht schon rein mechanisch/physikalisch nicht), deshalb ist es dringend anzuraten, mit Zwischeneinlagen zu arbeiten.
Was macht die Einlage? Die Präparate dringen (weil sie ja länger im Kanallumen ruhen) in die Seitenkanäle ein. Dort können sie ihre Wirkung entfalten, indem die Bakterienzahl reduziert wird.
Nun gilt Calciumhydroxid als „Goldstandard“ der Einlagen. Calciumhydroxid hat mannigfache Vorzüge: es ist biologisch gut verträglich, es reduziert den intrakanalikulären pH-Wert massiv (das mögen Bakterien gar nicht), und, wenn die Sache ganz gut läuft, fällt durch Umwandlung von Calciumhydroxid in Calciumkarbonat ein schwer lösliches Mineral aus, dass die offenen Seitenkanälchen dicht verschließt. Schade nur, das Ca(OH)2 so langsam wirkt. Bei der schmerzhaften gangränösen Pulpa ist ja nicht nur die Pulpa betroffen, der Schmerz rührt von der Infektion der periapikalen gewebe her – wir haben eine Parodontitis apicalis. Und wenn wir Pech haben, eine Perizementitis (Begriff geprägt von Ehrmann, Melbourne, Australien). Ehrmann hat beobachtet, dass in nicht wenigen Fällen trotz apicaler Unauffälligkeit strake lang anhaltenden Schmerzen auftreten können, die mit der Parodontitis apicalis nicht erklärt werden können und die auch nach lege artis Kanalaufbereitung weiter anhalten.
Hier ist das Präparat Ledermix Paste das Mittel der Wahl. Die hoch dosierten Anteile an Antibiotikum in Kombination mit den enthaltenen Corticoid wirken extrem rasch Schmerzausschaltend – für Patienten eine wahre Wohltat -, weil eben die Entzündung rasch bekämpft wird. Der Wehmutstropfen: das Corticoid hat zwar keine nachweisbaren Nebenwirkungen auf den Gesamtorganismus (dazu wird vile zu wenig freigesetzt), aber, es hat lokale Auswirkungen: die Regneration apikaler Läsionen wird gehemmt.
Was läge da näher, als die Wirkung beider Präparate kombinieren zu wollen? Das kann man, jedoch nicht im einzeitigen Verfahren. Mischt man die beiden Präparate, so heben sich die Wirkungen gegenseitig auf, das kann es nicht sein. Aber: wenn man erst Ledermix einsetzt, nach Abklingen der Schmerzsymptomatik jedoch umstellt (neue Einlage) auf Calciumhydroxid, dann hat man tatsächlich die Vortele beider Präparate voll ausgeschöpft, ohne die Nachteile in Kauf nehmen zu müssen. Zusatznutzen dieser Vorgehensweise ist, dass das nicht röntgensichtbare Ledermix durch das röntgendichte Calciumhydroxid ersetzt werde, was die diagnostischen Möglichkeiten während der Therapie verbessert.
Wesentlich ist auch, genügend Zeit einzuplanen. Einlagen für wenige Tage sind relativ nutzlos – Ledermix wirkt rasch, da kann man schon nach ein bsi zwei Tagen so weit sein, dass man umstellen kann, aber Calciumhydroxid braucht lange, unter vier Wochen Liegedauer sollte man da gar daran denken weitermachen zu wollen. Das macht ja auch gar nichts, weil der Patient ja schmerzfrei ist. Eine regelmäßige Kontrolle ist jedoch erforderlich – wenn röntgenlogisch und klinisch (Schmerfreiheit in jeder Situation) alles in Ordnung ist, kann man weitermachen. Zwischenzeitlich ist es wichtig, dass keine Sekundärinfektion eintritt (Beispiel: provisorischer Verschluss geht verloren) – und noch etwas gilt es zu beachten: wenn Patienten schmerzfrei sind und nicht per Termin in die Praxis einbestellt werden, vergessen sie leicht die Weiterbehandlung – und dann fängt man später wieder ganz von vorne an.
Diskussionen mit Kollegen haben noch einen Punkt aufgezeigt, der besprochen werden muss: Ledermix ist ein zugelassenes Präparat, da muss sich keiner Sorgen machen, er/sie könnte eventuell belangt werden wegen unsachgemäßer Therapie, wenn man das Präparat einsetzt. Auch wenn in Deutschland viele Stimmen Ledermix ablehnen – in Australien ebenso wie in USA (!) werden Corticoide in der Zahnheilkunde bei endodontischen Maßnahmen eingesetzt, und das sogar routinemäßig. Halten wir uns doch lieber an die (auch deutschen) Hochschulen, die das Präparat einsetzen, z.B. Mainz (Briseno, Willershausen). Eine Literaturliste kann beim Hersteller angefordert werden. Was will man denn sonst machen? Die Patienten vielleicht unsäglich leiden lassen?!

 

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