zahnärztliche Sehhilfen

Gutes Sehen  – conditio sine qua non!

Es mag sonderbar anzusehen sein, der Zahnarzt, verhüllt mit Kopfbedeckung, Mundschutz und mit Lupenbrille. Aber, all dies entspricht den aktuellen Vorgaben. Die Vermummung ist erforderlich zur Einhaltung der Hygienevorschriften, die Brille ist unverzichtbar, wenn die erforderliche Präzision eigehalten werden soll. Einen Vorteil hat die Lupenbrille – man erkennt unter all den Vermummten wenigstens noch den (Zahn)Arzt, ansonsten sehen ja Ärzte und Assistenz meist gleich aus. Es sei denn, man hätte eine Praxisuniform, in der unterschiedliche Farben den unterschiedlichen Aufgaben zugeordnet sind.

Die Lupenbrille ist mittlerweile vergleichbar dem Motorradhelm oder dem Sicherheitsgurt– man hat sich gewöhnt, nach anfänglichem Sträuben, und man setzt die Hilfsmittel eben routinemäßig ein. Das war mit den Handschuhen ja anfangs auch so – inzwischen käme man sich komisch vor ohne.

Damit wären wir beim Thema: man nutzt die Vergrößerungsbrille einfach weil man es so gewohnt ist, wobei Routine ja tatsächlich eine Verbesserung der Arbeit bewirkt. Wenn man nicht lange nachdenkt hat man Hirnkapazitäten frei für andere Dinge.

Dabei ist es an der Zeit auch einmal zu reflektieren über den Sinn dieser speziellen Routine. Und dabei sollte man alle Aspekte betrachten.

Was bringen optische Hilfen?

Rechtliche Aspekte

Der Zahn bzw. die speziellen Strukturen am und im Zahn sind sehr klein. Deshalb wird die Tätigkeit des Zahnarztes, sofern er sich darauf beschränkt, einfach erkrankte Zähne zu extrahieren (wie es über Jahrtausende der Fall war). Der grundlegende Wandel in der gesamten Medizin hat auch den Beruf des Zahnarztes erreicht. Anstatt grober Tätigkeiten werden immer mehr Arbeiten im mikroskopisch kleinen Bezirk wichtig: man verbindet getrennte Nerven, man setzt also auch sehr kleine Strukturen des Organismus instand. Im Ergebnis ist es heute möglich, abgetrennte Gliedmaßen wieder anzufügen, man kann Transplantation sogar mit fremden Organen vollziehen – kurz, die Tätigkeit des Artes hat sich in den Bereich der Mikroskopie verlagert. Analog gilt dies selbstverständlich auch für den Oralmediziner: ohne optische Sehhilfen ist eine lege artis Therapie nicht mehr möglich.

Die Leitlinien der DGZMK sehen das Mikroskop derzeit noch nicht als obligat, jedoch die Lupenbrille. Bei der Beurteilung möglicher Behandlungsfehler sind Gutachter gehalten die Leitlinien als Basis-Vorgabe zu nehmen – wurden die Leitlinien nicht beachtet, so besteht zumindest ein Anfangsverdacht auf unsachgemäßer Therapie und somit zu einem „Kunstfehler“.

Solche Leilinien stellen Hinweise auf einen Mindeststandard dar, selbstverständlich darf ein (Zahn)Arzt auch über diesem Minimum liegende Therapiestandards anwenden. Und – die Leilinien werden kontinuierlich überarbeitet und angepasst, weshalb es obligat ist für jeden Arzt mit Approbation sich dazu zeitnah zu informieren (Weiterbildungsgebot). In eventuellen Verfahren bei behaupteter fehlerhafter Therapie wird jede Einrede, man habe “ das ja nicht gewusst“, nur erschwerend gewertet. 

Praktische Aspekte

Die Strukturen im und um den Zahn sind sehr klein, ohne optische Hilfsmittel wäre eine Feinarbeit unmöglich. Beispiel Endodontie: bei jungen Zähnen kann man die Pulpastrukturen noch mit bloßem Auge grob erkennen, bei gealterten Zähnen mit den meist obliterierten Pulpakanälen ist das schlicht unmöglich. Schon die Verwendung einer Lupenbrille kann die Erfolgswahrscheinlichkeit enorm steigern, eine weitere Verbesserung der Prognose erreicht man durch Einsatz eines OP-Mikroskops. Unterschiede in den Erfolgsraten zwischen Deutscher Zahnheilkunde und internationalen Daten sind vermutlich darauf zurückzuführen, dass es anderswo längst obligat ist Endo ausschließlich unter dem Mikroskop durchzuführen, in Deutschland bislang nicht. Da wird i-n den Leitlinien lediglich die Lupenbrille vorgegeben, wobei in vielen Praxen immer noch ohne Sehhilfe gearbeitet wird. Um die Kritik abzuschwächen: die Honorierung endodontischer Maßnahmen ist derzeit immer noch viele zu gering um eine massive Verbesserung erwarten zu können. Nur wer rigoros über Honorarvertrag den notwendigen Stundensatz einfordert kann sorgfältig genug arbeiten, zu BEMA-Tarifen wäre ein Verlust unvermeidbar, was logischerweise nicht erwartet werden kann.

Nun kann man jedoch bei Einsatz des OP-Mikroskops auf mehr Verständnis der zahlungspflichtigen Patienten rechnen, eher zumindest, als wenn man antiquiert arbeitet. Eine PAR ist jedenfalls ohne Mikroskop deutlich ungenauer und damit mit schlechterer Prognose möglich.

Man kann das weiterspinnen: eine WSR ohne OP-Mikroskop? Eine Zystektomie ohne?  Da gäbe es genug Stoff zum Nachdenken.

Bei Füllungs- und Prothetikarbeiten jedoch sollte die Lupenbrille durchaus genügen. Die Strukturen des Zahns sind sowieso zerstört, eine Heilung verlorengegangener Zahnhartsubstanz scheint unmöglich, es kommt nur mehr darauf an, die entstandene Dentin- und Schmelzwunde möglichst gut zu versorgen, und da kommt der Dichtigkeit eine überragender Rolle zu. Jeder auch noch so kleine Spalt beeinflusst die Langlebigkeit der Restauration enorm, und zwar  negativ. Bislang sind Kontrollen (bei beauftragten Gutachten) primär bei prothetischen Arbeiten üblich, und da spielt der „Randspalt“ die überragende Rolle. Randspalte bei Füllung werden nicht begutachtet oder bemängelt, obgleich dies sehr sinnvoll wäre. Die Abwendung vom langzeitbewährten Amalgam und Hinwendung zu praktisch überhaupt nicht erprobten Kunststoff-Füllungen hat noch keinen Niederschlag gefunden in den installierten Kontrollorganen.

Lediglich zahntechnisch hergestellte Füllungen („Inlays „etc.) unterliegen den strengen Regeln der Prothetik.

Jedoch findet die Begutachtung auch ihre Grenzen: der Normalfall ist die Untersuchung der Ränder mittels Hakensonde – da ist die Aussagekraft jedoch begrenzt. Besser wäre die Begutachtung mittels Lupenbrille bzw. sogar Mikroskop. Das kann oder will man den Gutachtern jedoch nicht vorschreiben.

Bedauerlich ist jedoch dass Füllungen praktisch außerhalb jeglicher Kontrollmechanismen stehen. Eine Vorgabe (randspaltfrei!) sowie wirksame Kontrollmaßnahmen würden die Prognose bzw. zu erwartende Lebensdauer enorm verbessern. Wir haben eben nur ein Material (Amalgam) das bezüglich Randspalt unproblematisch ist (da verschließt sich der Randspalt automatisch durch Korrosionsprodukte), bei anderen Restaurationsmaterialien stellt der Randspalt eine deutliche Limitierung der Lebenserwartung dar.

Nun wurde eine indirekte Kontrolle eingeführt, die zwei-jährige Gewährleistungspflicht. Bei ungesunder zuckerhaltiger Ernährung, unzuverlässiger häuslicher Mundhygiene und möglicherweise reduziertem Immunschutz (reduzierter Speichelfluss o.ä.) wird der Behandler schon in Kalamitäten geraten, die Füllung hält nicht lange genug. Hier wäre es sicherlich zielführend ebenfalls mit Lupenbrille die Füllungsränder zu kontrollieren und ggflls. verbesserte Techniken für eine randspaltfreie Restauration anzuwenden.

Die Hilfe vergrößernder Optiken lässt eine bessere Beurteilung der Präparationsqualität intraoperativ zu. Nur glatte Präparationsgrenzen verbessern die Randqualität sowohl bei Füllungen als auch bei ZE ganz wesentlich – gezackte Ränder sind Gift für die Passgenauigkeit von zahntechnisch hergestellten Ersatzstücken, sie bilden jedoch auch bei adhäsiv zu verankernden Restauration aus plastischen Materialien eine Schwachstelle: es bilden sich Blasen und Undichtigkeiten. So hilft die Vergrößerung die Lebenserwartung Wesentlich zu verbessern.

Weitere Anwendungsmöglichkeiten sind zu sehen in der korrekten Präparation bzw. dem excavieren alter zahnfarbener Füllungen – es ist aktuell nicht einfach die Grenze zwischen Zahn und Füllung eindeutig zu erkennen, zieht man nicht optische Hilfsmittel zur Unterstützung heran. Ebenso ist es hilfreich zumindest die Lupenbrille einzusetzen wenn es um die Entfernung tiefliegender Karies geht – mit unbewaffnetem Auge kann schon mal ein Pulpahorn übersehen werden, mit gravierenden Folgen (postoperative Schmerzen bis hin zum Pulpauntergang).

Auch unter dem Gesichtspunkt einer positiven Image-Gestaltung ist der Einsatz eines OP-Mikroskops sicherlich positiv zu werten – man kann doch beeindrucken damit. Aber, insbesondere unter dem Aspekt der medizinischen Nützlichkeit geht kein Weg an den optischen Hilfen vorbei.

Fazit:

Zu einer modernen Praxis gehört das Mikroskop ebenso wie ggflls. die Intraoralkamera und eine extraorale Kamera zur Beweissicherung und Dokumentation sowie zur besseren Kommunikation mit den Patienten. Günstig sind Ausführungen mit direkter Schnittstellenanbindung an die jeweilige Dentaleinheit sowie eine Einbindung auch in das praxiseigene digitale Netzwerk. Damit gelingt dann die Kommunikation mit dem Zahntechniker, der Vorzimmerdame bzw. der zentralen Dokumentation, dem Prophylaxezimmer und der Beratungsassistenz (zu den obligaten wirtschaftlichen Fragen darf die Assistenz vollumfänglich eingesetzt werden!), und nicht zuletzt gelingt es so, eigen Videos zumindest im Rohmaterial zu gewinnen um für sich, die Kollegen (Fortbildung) oder die Patienten optimales Material gewinnen zu können.

Es sollte keine Neuinstallation dentaler Einheiten ohne Mikroskop mehr stattfinden, die Vorzüge sind doch zu gravierend um darauf zu verzichten.

Die Lupenbrille jedoch ist bindend vorgeschrieben, dahinter darf man nicht mehr gehen.

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