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Die „Rezidiv“-Rate nach PAR-Behandlungen in Deutschland ist relativ hoch, Schätzungen gehen von etwa 50 Prozent aus, wobei eben Rezidiv und Ineffektivität der Ersttherapie nicht unterschieden werden. Fakt ist, dass eine PAR-Therapie erst dann als Erfolg angesehen werden kann, wenn keine messbaren Taschen mehr vorhanden sind und die Blutungsneigung (SBI o.ä.) an allen Parodontien gleich Null ist.
Um die Erfolgsrate zu verbessern, gibt es Therapieprotokolle. Ganz aktuell z.B. ist die Empfehlung eine „All-in-one“ Behandlung in allen vier Quadranten vorzunehmen, um eine Reinfektion aus noch nicht therapierten Parodontien zu verhindern. Die damit verbundene Belastung für die Patienten wirkt hier jedoch stark limitierend, deshalb wird noch immer meist quadrantenweise vorgegangen.
Keimreduzierende Maßnahmen sind dabei immer unverzichtbar: jeweils für 1 Woche post OP wird dringend empfohlen, mit CHX-Lösung zu spülen (insbesondere an operierten Sites ist die normale Mundhygiene mit Zahnbürste und Zahncreme ungünstig). Lokal anzuwendende CHX-Präparate sind prinzipiell vorzuziehen, dies sollte aber bevorzugt durch den Zahnarzt bzw. seine qualifizierten Mitarbeiter geschehen. Bei der Reinigung der nicht betroffenen Areale mit einer CHX-haltigen Zahncreme kann die antiseptische Wirkung der Mundspüllösung effizient unterstützt werden. Dies ist allgemein anerkannt und Praxisalltag.
Zusätzlich um die Ausbildung von Re-Attachment zu fördern, ist es sinnvoll an operierten Stellen regenerationsfördende Maßnahmen zu ergreifen. Der Einsatz von Membranen erfordert eine Lappen-OP, die häufig erst als Zweit-OP nach Versagen z.B. der Kürretage zur Anwendung kommt. Auch die Anwendung von die Zementbildung beschleunigenden Gelen ist meist ziemlich aufwändig, teuer und nur bei solchen Lappen-OP´s realisierbar.
Eine elegante Lösung, die in allen Indikationen (also auch bei der einfachen Kürretage) eine Verbesserung der Erfolgsrate bewirken kann, ist der Einsatz von biologisch wirkenden Präparaten z.B. auf Grundlage von Hyaluronsäure.
Hyaluronsäure ist ein natürlicher Bestandteil der extrazellulären Matrix der Mukosa. Bekannt ist, dass bei entzündlichen Zuständen der Bedarf an Hyaluronsäure im Schleimhautgewebe bis um das 200-fache gegenüber Normalwerten ansteigt. Während der Wundheilung reduziert die im Gewebe vorhandene Hyaluronsäure destruktive entzündliche Prozesse (Anti-Hyaluronidase-Wirkung), sie stellt die physiologische Barriere wieder her und beschleunigt Epithelisierung und Vaskularisierung.
Fügt man der Mundschleimhaut Hyaluronsäure extern zu, scheint diese die Wirkungen der natürlich vorkommenden Substanz effektiv zu unterstützen. In der Gingiva wird die ödematöse Schwellung zügiger abgebaut, die Schleimhaut wird rascher gestrafft und die Gingiva-Manschette um den Zahnhals wird schneller dicht – mit nachvollziehbarem Effekt. Die Reinfektion in die operierte Tasche wird gebremst und die Heilungsdauer insgesamt verkürzt. Damit schlägt man mehrere Fliegen mit einer Klappe: die Belastung für die Patienten nimmt spürbar ab und die Häufigkeit der Nachbehandlung wird reduziert. Darüber hinaus bewirkt man ein verbessertes Re-Attachment, was sich allerdings (wie bekannt), erst viel später als röntgenologisch sichtbarer Gewinn an Alveolarknochen darstellt.
Die positiven Effekte der Hyaluronsäure z.B. bei Gingivitis wurden bereits 1997 in Blindstudien nachgewiesen (Pagnacco et al.). Eine jüngere Untersuchung aus dem Jahre 2007 zeigte, dass bereits eine einmalige subgingivale Applikation von 0,8 %-igem HA Gel (GENGIGEL? PROF) im Anschluss an eine geschlossene Küretage deutliche positive klinische Ergebnisse im Bezug auf Reduktion von Zahnfleischblutungen und die Taschentiefe liefert (Koshal A. et al). Auch hierzulande (Universität Leipzig, Prof. Jentsch, sowie Universität Mainz, Pistorius et al.) wurde die klinische Wirksamkeit von 0,2 % Hyaluronsäure (GENGIGEL?) bei der Behandlung von Gingivitis bestätigt.
Wie können wir diese Erkenntnisse optimal in unseren Praxisalltag integrieren?
Hier wird folgende Vorgehensweise empfohlen.
Egal ob Kürretagen oder offene OP-Verfahren zur Anwendung kommen, ist die Anwendung von Hyaluronsäurepräparaten (z.B. in Form von hoch konzentriertem GENGIGEL? PROF) direkt intraoperativ sinnvoll. Hierzu wird in die Tasche das Präparat instilliert, um eine möglichst auch in die Tiefe reichende Wirkung zu erhalten. Die Anwendung ist analog der von regenerativem Gel. Dabei wird jedoch anders als bei Emdogain das Präparat mittels Spritze in die Taschen eingebracht. Fertigspritzen haben dabei den Vorteil, dass das Präparat sehr fein und gezielt appliziert werden kann. I.d.R. reicht eine einzige Spritze, um alle Quadranten zu behandeln. Ist die behandelnde Stelle jedoch kleiner, bzw. umfasst sie nur einen Quadranten, so sind Applikationskapseln meist die ökonomische Lösung. Applikationskapseln eignen sich auch sehr gut nach einer Implantation oder Nahtentfernung. Zu beachten gilt: diese Präparate sollten nie in offene Wunden appliziert werden, wie dies ja auch für Chlorhexidin gilt.
Zuhause soll der Patient dann abwechselnd mit Chlorhexidin und GENGIGEL? Lösung (aus der Apotheke) spülen. Optimal in der häuslichen Hygiene ist die abendliche Anwendung von Chlorhexidin, da seine starke keimreduzierende Wirkung bis zu 12 Stunden lang anhält. GENGIGEL? hingegen entfaltet seine Wirkung besonders effektiv morgens und über den Tag verteilt. Oft finden die Patienten ein Präparat in Sprayform (GENGIGEL? Spray) besonders praktisch, da es auch unterwegs hygienisch und diskret einsetzbar ist.
7 Tage nach der (letzten!) OP wird die Spülung mit CHX abgesetzt. Weitere drei Wochen benutzt der Patient GENGIGEL? alleine, begleitend zur Wiederaufnahme der mechanischen Mundhygiene mit Zahnbürste und Zahncreme auf der operierten Seite. Zahncreme mit antibakteriell wirkenden Zusätzen wird nach wie vor bevorzugt (eine gelungene Kombination von CHX-haltigen Mundspüllösung und Zahncreme als Rund-um-Pflege bietet z.B. KIN® Gingival). Bei PA-Verband kann GENGIGEL? gleich nach Verlust des Verbands angewendet werden.
Warum empfehlen wir die CHX-Anwendung für 7 Tage? Dies ist die normale Zeit für die Regeneration des oralen Epithels. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Mukosa zu diesem Zeitpunkt bereits vollkommen ausgeheilt wäre. Epithel wächst bekanntlich schneller als Bindegewebe in die Tiefe der therapierten Tasche und verhindert die Ausbildung neuer Desmosomen, die erst nach etwa 4 Wochen ausgebildet sind.
Werden in dieser Zeit keine zusätzlichen Maßnahmen ergriffen, so sind die Erfolge zur Ausbildung eines Re-Attachments eher bescheiden und wir erhalten als Ergebnis meist ein überlanges Saumepithel. Die Gesamt-Behandlungsdauer von 4 Wochen post OP sollte also unbedingt eingehalten werden, um eine maximale Wirkung und ein optimales Ergebnis zu erzielen. Die Anwendung von Hyaluronsäure ist dabei eine interessante, den Patienten wenig belastende Alternative.
In jeder Recall-Sitzung nach der professionellen Zahnreinigung sollte neben Fluorid auch ein Hyaluronsäurepräparat aufgetragen werden: Weichgewebe braucht ebenso die Nachsorge wie das Hartgewebe! Für diese Recall-Anwendungen (und generell nach einer jeden PZR) eignet sich besonders die GENGIGEL? PROF Lösung. Ein positiver Zusatzeffekt dabei ist, dass auch die leichten Schmerzen sowie Diskomfortgefühl, die häufig nach einer PZR bei Patienten zu beobachten sind, schnell beseitigt werden.
Der konkrete Fall
Patient, männlich, mittleres Alter, PSI 3, zeigt deutliche Blutungsneigung an allen Parodontien, dazu haben sich Taschen von 3mm + gebildet. Auch nach der Vorbehandlung blieb der Zustand therapiepflichtig.
Die beantragte PAR sollte durch Kürettagen an allen Parodontien erfolgen. Um die Heilungsaussichten zu verbessern wurde entschieden, dirket intraoperativ Gingigel in die Taschen zu applizieren. Erwartungsgemäß zeigte sich eine Woche post OP an allen kürettierten Parodontien eine evidente Besserung; um den erfolg der Gingigel-Anwendung objektivierbarer zu machen wurde an Parodont 23 kein Gel in die Taschen appliziert – dies war eine Woche post OP die einzige noch BOP positive Site. Dieses Ergebnis ist deutlicher als erwartet ausgefallen – immerhin wurde ja nach Vorbehandlung kürettiert sowie für eine Woche post OP die Anweisung gegeben, täglich zweimal mit CHX-Lösung zu spülen.
Damit hat Gigigel im Praxisversuch die überzeugende Potenz gezeigt, die Heilung therapierter Parodontien evident zu beschleunigen.
Die Abrechnung sollte nach § 6 GOZ (analog) bzw. § 2 Abs. 3 (Verlangensleistung) erfolgen. Die BEMA Nummer 105 ist dafür ungeeignet. Die Anwendung des § 2 ist insofern von Vorteil, dass der Zahnarzt vollkommen frei einen Preis kalkulieren und festlegen kann, § 6 hat den Vorzug, dass hier die Erstattung durch Kostenträger (viele Patienten haben heute bereits eine Zusatzversicherung) nicht so leicht gefährdet ist. Man kann sich bei GENGIGEL®-Anwendung an den gängigen Nummern, die auch für Emdogain Anwendung finden, orientieren, wobei der Steigerungsfaktor jedenfalls deutlich niedriger sein sollte. Die Berechnung von Materialkosten ist dabei, wie vom BGH entschieden, nicht zusätzlich möglich.
Für die häusliche Anwendung genügt die Empfehlung. Als Medizinprodukt kann GENGIGEL® auch im praxiseigenen Prophylaxeshop verkauft werden.
Die Akzeptanz von GENGIGEL? bei den Patienten ist i.d.R. sehr gut. Es enthält keine arzneilich wirksamen Bestandteile, die seine Anwendung z.B. bei schwangeren Frauen oder Diabetikern in Frage stellen würden. Auch Nebenwirkungen oder Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten sind nicht bekannt. Das macht GENGIGEL? zum Mittel der Wahl auch immer dann, wenn andere Antiphlogistika contraindiziert sind. Mittlerweile gibt es GENGIGEL? sogar speziell für Kinder und Babies – eine sinnvolle und angenehm schmeckende Alternative z.B. beim Zahndurchbruch oder für die Zahnspangenträger.
Dr. Gerhard Hetz
Markus Spörl
Zahnärzte
Literatur:
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