Kommunikation

Es wird stets die „sprechende“ Medizin gefordert, von der Politik ebenso wie von den Medien und nicht zuletzt von den Patienten. Nun kann man zwar sprechen, aber unter Umständen wird man gar nicht verstanden – Verständigungsschwierigkeiten sind selbst in engen Beziehungen häufigster Anlass für Streit, weil eben eine „Kommunikationsstörung“ gegeben ist.
Nun wäre man ganz falsch orientiert, wenn man „Kommunikation“ auf lediglich sprachliche Verständigung (in gesprochener Sprache oder Text) reduzieren würde, und ebenso fatal wäre, wenn man sich ganz auf die „Sprache der Bilder“ verlassen würde. Verständigung findet über die Sinnesorgane statt, dies ist richtig – aber, sie muss nicht „codiert“ werden durch Bilder oder Texte. Alleine der Klang einer Stimme – ohne jeden Inhalt – stellt Kommunikation dar, nehmen wir nur die Verständigung von Kleinkind/Baby und Mutter bzw. Vater. Babies geben Laute von sich, die können aber nicht „sprechen“, trotzdem gelingt es den engsten Kontaktpersonen, eine Beziehung aufzubauen und eine Kommunikation herszustellen. Kommunikation ist also mehr – und wer weiß, wie Kommunikation wirklich stattfindet, wird mehr Erfolg bei seinen Mitmenschen haben, sei es auf sexuellem Gebiet oder im Verkauf – oder in der Verständigung mit den Mitarbeitern und Patienten…

Kommunikation
Die wichtigste Kommunikation zwischen Menschen erfolgt, genauso wie bei unseren tierischen Verwandten, nonverbal, d.h., durch Mimik und Gestik sowie auch durch sensorische Reize, wie z.B. Geruch. Wenn man einen Anderen „nicht riechen kann“ helfen die besten Worte nichts.
Geruch
Gegen bzw. für Geruch tut man was: Parfüms, Desodorant usw. dienen der Verbesserung zwischenmenschlicher Beziehungen – und, Kommunikation ist eben ein wichtiger Teil zwischenmenschlicher Beziehungen. Nun wissen gute Berater, dass ein Parfüm zu einer Persönlichkeit passen muss. Man kann nicht „gegen“ die persönliche Note parfümieren, ohne dabei Schiffbruch zu erleiden. Der gewünschte Erfolg wird erst dann richtig eintreten, wenn Geruch bzw. Parfüm und Persönlichkeit kongruent sind.
Nun ist Geruch etwas, was in jeder Zahnarztpraxis reichlich auftritt; von früher kennt man den Geruch des Eugenols, heute überwiegen eher die Gerüche von Desinfektionsmitteln, Kunststoffen (z.B. Acrylat) und eingesetzten Lösungen und Abformmassen.
Es gibt Anbieter, die Geräte für eine kontinuierliche Parfümierung der Praxisluft verkaufen. Dies ist eine nicht per se unsinnige Idee – wenn die Gerüche in der Praxis „stimmen“, wird der Patient, der ja auch Kunde ist, ganz ohne sein Wollen bereits positiv eingestimmt. Auch Pflanzen verfehlen ihre Wirkung nicht, strömen sie doch auch Duftstoffe aus, auch wenn wir sie nicht immer bewusst wahrnehmen.
Neben den Umgebungsgerüchen ist dann auch der persönliche Duft von Wichtigkeit, wobei hier weniger Einflussmöglichkeiten gegeben sind. Wer sich nicht riechen kann, wird auch keine positive Kommunikation aufbauen können, auch dann nicht, wenn er sich hinter Parfümwolken zu verstecken sucht. Es muss aber auch gar keine besonders positive Atmosphäre zwischen den Gesprächspartnern gegeben sein, das wäre zu viel verlangt, es genügt, wenn keine negative Stimmung vorliegt.
Mimik
Die Mimik ist ein nicht zu unterschätzender Teil jeglicher Kommunikation. Niemand kann seine Mimik so weit beherrschen, dass die Gefühlswelt nicht vom Gegenüber zu lesen wäre. Nur sind sich dessen die wenigsten bewusst, so dass die Kenntnis der Zusammenhänge und Reaktionen Herrschaftswissen darstellt, das Überlegenheit verschafft.
Wesentlich sind z.B. die Augen; Sympathie lässt die Pupillen aufgehen, Ablehnung verengt die Pupille. Achtet man sorgfältig auf die Augen des Gegenüber – was überdies noch als „Offenheit“ interpretiert wird, wenn man im Gespräch dem Gegenüber in die Augen sieht -, so stellt man rasch fest, ob man selbst oder auch das, was man vorbringt, beim Anderen ankommt. Nun kann man allein durch diese Kenntnis und Umsetzung dieser Erkenntnis schon ein Gespräch sehr gut steuern: immer dann, wenn eine Pupillenreaktion hin zum negativen auftritt, geschickt das Thema wechseln.
Neben den Augen, die kaum vom Individuum steuerbar sind und deshalb wichtigstes Parameter für eine Einschätzung sind, ist auch die Gesichtsmuskulatur meist verräterisch. Der „Smiley“, das Gesicht mit den nach oben gezogenen Mundwinkeln, wirkt schon beim Neugeborenen. Man kann die „freundliche Mundstellung“ vor dem Spiegel trainieren – die meisten unserer Patienten werden jedoch noch ganz unverfälscht ihre Gefühle in der mimischen Muskulatur zeigen.
Auch die kleinen Fältchen um die Augen herum zeigen viel vom Inneren eines Menschen – man erkennt die „freundlichen Augen“ recht rasch, ohne sich klar zu machen, dass die Empfindung durch den Gesichtsausdruck des Gegenüber auch recht leicht „falsch“ sein könnte.
Eigentlich reagieren wir Menschen tagtäglich auf die Mimik unserer Mitmenschen, ohne es uns wirklich bewusst zu machen – Bewusstheit bedeutet aber, dass man die Steuerung übernimmt. Im Gespräch des Teammitglieds mit dem Kunden/Patienten sollte jedoch der Zusammenhang bekannt sein und damit zum Nutzen der Praxis kontrolliert eingesetzt werden. Politiker tun dies, gute Verkäufer tun es – was hindert ein erfolgreiches (oder den Erfolg anstrebendes) Praxisteam denn daran, dies auch zu tun?!
Gestik
Neben der Mimik kommt auch der Körpersprache, der Gestik, eine bedeutende Rolle bei der zwischenmenschlichen Kommunikation zu. Die Gestik ist am einfachsten zu steuern und bewusst zur Durchsetzung eigener Ziele einsetzbar.
Menschen reagieren extrem stark auf Körpersprache – dies ist bei jedem Wahlkampf gut zu beobachten. Wenn nonverbale Kommunikation, insbesondere die Gestik, schon Wahlen entscheiden kann, weshalb sollte dies nicht auch bei Entscheidungen im Besprechungsraum einer Zahnarztpraxis möglich sein?!
Einfache Regeln für die nonverbale Kommunikation
Augenkontakt suchen
Wer dem Blick ausweicht, gilt als „verschlagen“ und wirkt weniger glaubwürdig.
Man darf jedoch auch nicht den Blick starr fixieren – ein „nachdenklicher“ Schwenk zum Fenster z.B. kann eine Aussage noch bestärken. Wer starr dem anderen in die Augen sieht, wirkt einschüchternd.
Körperhaltung
Abwenden bedeutet Ablehnung. Wer sich mit dem Körper wegdreht, deutet dem Gegenüber Ablehnung an – das mag der/die im Zweifel nicht und reagiert entsprechend.
Zurücklehnen kann als „gelangweilt“ missdeutet werden. Der ganze Körper muss „Aufmerksamkeit“ signalisieren, wenn der Kunde spricht!
Vorbeugen kann aggressiv wirken – es ist jedoch ein kurzfristiges Nach-vorne-beugen sinnvoll, wenn man „besondere“ Aufmerksamkeit signalisieren will.
Kopfhaltung
Zurücklegen des Kopfes bedeutet Desinteresse, Vorbeugen Interesse.
Leichte Schiefhaltung signalisiert Nachdenklichkeit.
Nicken kann einen positiven Eindruck beim Gegenüber verstärken.
Kopf nach unten geneigt signalisiert Verschlossenheit oder Unsicherheit – der Kontakt wird dabei abgebrochen.
Handbewegungen, Gestik
Handbewegungen signalisieren viel: der erhobene Finger droht, die „wegwerfende“ Geste vom Körper weg zeigt, dass man das Argument des Gegenüber nicht ernst nimmt, eine Handbewegung zum eigenen Körper hin signalisiert, dass etwas willkommen ist. Offene Handflächen deuten Versöhnlichkeit, Frieden usw. an.
Die Hände sollten nach Möglichkeit synchron bewegt werden. Ganz schlecht ist es, wenn eine Hand zum Körper hin und die andere davon weg bewegt wird. Dabei werden zwei gegensätzliche Gefühle ausgedrückt: Da kennt sich der Gesprächspartner nicht mehr aus, im Zweifel entstehen Aggressionen, die ein Gespräch extrem belasten können.
 

Auf die nonverbalen Informationen des Kunden reagieren
Stellt man anhand der Körperhaltung oder Mimik (oder der Pupillenstellung) fest, dass einem der Gegenüber zu entgleiten droht, so sollte man nicht nur verbal, sondern auch nonverbal darauf reagieren. Zuckt z.B. der Kunde zurück, sinken die Mundwinkel nach unten, verengen sich die Pupillen, so ist es höchste Zeit, etwas dagegen zu unternehmen: Man lehnt den Oberkörper zurück (das nimmt schon viel Spannung heraus), die Hände signalisieren „Friede“, und man wechselt vorsichtshalber behutsam das Thema, um die Spannung herauszunehmen.
Es ist für eine geregelte Kommunikation auch wichtig, die Fluchtdistanz des Gesprächspartners nicht zu sehr zu verringern und ihn nicht in die Ecke zu drängen. Das sollte man schon bei der Einrichtung beachten: Sitzplätze in einer Ecke sind tunlichst zu vermeiden, da kann keine entspannte Atmosphäre aufkommen!

Äußeres, Einrichtung
Auch die Einrichtung muss stimmig sein. Es gibt kaum etwas Schlimmeres als das Gespräch Zahnarzt – Patient im Zahnarztstuhl: Da kann auch beim besten Willen niemand von einer Gleichwertigkeit ausgehen, das ist nackte Unterdrückung – die Ergebnisse sind dann auch entsprechend: Der Patient wird normalerweise kaum den Eindruck gewinnen können, er habe aus freiem Willen eine eigene Entscheidung getroffen. Dasselbe gilt auch, wenn der Patient wie ein Bittsteller vor dem Schreibtisch zu sitzen kommt, während der "liebe Gott" hinter seinem mächtigen Insignum der Macht thront: Wer höher sitzt, hat mehr Macht.
Nun haben wir heute jedoch in der Praxis keinen Befehlsempfänger mehr – das war vor vielen Jahren so, als der Arztberuf noch „göttlich“ war –, sondern wir haben einen Kunden vor uns, der das Gefühl haben möchte, eine Entscheidung selbstständig getroffen zu haben. Jeder gute Verkäufer weiß, dass dies beileibe nicht wirklich so sein muss; wichtig ist nur, dass der Kunde dieses Gefühl vermittelt bekommen hat.
Deshalb sollte das für ein Verkaufs-/Beratungsgespräch gewählte Zimmer ein Ort der neutralen Begegnung sein: der buchstäbliche runde Tisch (da gibt es kein „Oben“ oder „Unten“), identische Sitzgelegenheiten, keine räumlichen Dissonanzen (der Tisch sollte ungefähr in der Mitte des Raumes stehen), eine neutrale Beleuchtung und eine möglichst nicht den Eindruck einer Arztpraxis wiedergebende Einrichtung. Positiv ist eine „Cafehaus-Atmosphäre“, denn das Cafe als Ort der öffentlichen Begegnung vermittelt immer das Gefühl eines neutralen Treffpunkts.
Die Überlegenheit der Praxismitarbeiter ist sowieso da, man braucht da keine weiteren Symbole. Weshalb Überlegenheit? Es fehlt beim Patienten das fachliche Wissen, er befindet sich, trotz äußerlicher Verschleierungen, immer noch auf fremdem Territorium, und, nicht zuletzt, er/sie beherrscht auch nicht die ausgefeilten Techniken der nonverbalen Kommunikation.

Verbale Kommunikation
Man möge nicht glauben, dass Sprache ohne Tücken wäre. Die beginnen bereits mit schichtspezifischen Idioms. Identische Wörter bedeuten für Angehörige unterschiedlicher Schichten häufig etwas ganz anders. Wenn der Zahnarzt von „Brücke“ spricht, ist diese Brücke für den Juristen eine „Zahn-Prothese“, und der Angehörige weniger gebildeter Schichten versteht unter Brücke die Modellgussprothese.
Sprache ist ein Code: der Sprecher codiert gedankliche Inhalte, die als Geräusch seine Sprachwerkzeuge verlassen, der Hörer nimmt die Geräusche mit seinen sensorischen Sinnen auf (Gehör) und decodiert die Sprache wieder zu Gedanken. Dabei haben wir eine enorme Fehlerquote zu erwarten.
Praxishinweis
Bildungsunterschiede beachten! Schichtspezifische Codes einsetzen!
Je niedriger der Bildungsgrad desto restriktiver wird der Code. Dies kann so weit gehen, dass nur noch ein verschwindend kleiner Teil des Sprachvokabulars eingesetzt wird, was ganz zwangsläufig zu einer Reduktion der Ausdrucksfähigkeit und damit Kommunikationsfähigkeit führt.
Nun hat die vorletzte PISA-Studie recht eindrucksvoll gezeigt, wie erschreckend die sprachlichen Mängel der deutschen Schüler sind. Ein Großteil der getesteten Schüler war nicht in der Lage, einigermaßen anspruchsvolle Texte inhaltlich korrekt zu erfassen. Nach glaubwürdigen Analysen prominenter Wissenschaftler ist aber auch jeder zweite deutsche Erwachsene nicht in der Lage, einen komplexeren Text inhaltlich richtig zu erfassen.
Wie verhält man sich denn aber nun gegenüber dem Patienten? Prinzipiell sollte man davon ausgehen, dass der Patient, der in die Praxis kommt, mit sachlichen Patienteninformationen intellektuell überfordert ist. Besser ist es, Bilder zur Kommunikation verwenden.
Sinnvoll ist es darüber hinaus, öfters rückzufragen. „Haben sie das verstanden?“ genügt dabei nicht. Kein Mensch gibt zu, dass er dumm ist und etwas nicht versteht.. Sicherer ist es, sich das Vorgetragene in den Worten des Patienten wiedergeben zu lassen. Da wird sich mancher wundern, was die Leute so alles missverstehen können…
Wer jetzt meint, das wäre ja alles viel zu aufwändig und darauf käme es ja auch gar nicht an, der irrt: Die Rechtsprechung verlangt, dass nur dann eine Therapie vom (Zahn-)Arzt vorgenommen werden darf, wenn sich dieser persönlich davon überzeugt hat, dass der Patient „aufgeklärt“ wurde (möglichst umfassend, auch geringfügige Risiken sind zu erklären) und aus „freien Stücken“ eine „eigene“ Entscheidung getroffen hat. Gelingt dem (Zahn-)Arzt dieser Nachweis nicht (das Schuldrecht des BGB führte eine Beweislastumkehr ein, d.h., der Arzt muss seit 1.1.2002 beweisen, dass er nichts falsch gemacht hat), so wird er schadensersatzpflichtig.
Ein Rechtsmangel liegt ebenfalls vor, wenn eine Therapie zwar lege artis vorgenommen wurde, jedoch kein rechtswirksames Einverständnis des Patienten gegeben ist. „Rechtswirksam“ bedeutet, man muss auch vor einem deutschen Amtsrichter (oder am Landgericht) glaubhaft machen können, dass man sich davon überzeugt hat, dass der Patienten die Sache verstanden hat – und sei er auch noch so beschränkt.

 

Dr. Gerhard Hetz