Wirtschaftlichkeitsprüfung




Beispiel für eine WP und deren Abwehr:

Die Praxis des Dr. Mustermann wird einer Wirtschaftlichkeitsprüfung unterzogen. In der angeforderten „fachlichen Stellungnahme“ argumentiert Dr. Mustermann wie folgt:

Im o.a. Prüfantrag wird eine Stellungnahme zur Gesamtabrechnung angefordert.
Dazu führe ich wie folgt aus:
Eine Leistungsausweitung hat in Quartal 4.2007 gegenüber den Vorquartalen nicht stattgefunden (Vorquartal 3.2007 Punktemenge je Fall 176 entsprechend € 154, Prüfquartal durchschnittlich 175 Punkte je Fall entsprechend 153 € je Fall).
Eine Abweichung vom LD scheint nur deshalb größer, weil der LD von 110 Punkten je Fall zurückging auf 95 Punkte je Fall. Dieser Rückgang kann von mir nicht erklärt werden, meine Leistungsmenge je Fall ist konstant geblieben. Möglicherweise wurde im LD mehr privat außerhalb des Bema abgerechnet (das KZBV Jahrbuch gibt dafür Anhaltspunkte, der Anteil an über die KZV abgerechnete Leistungen ist bundesweit deutlich zurückgegangen), dies sollte jedoch nicht Gegenstand eines Prüfverfahrens sein.

Im Prüfbescheid 3.2007 wurden die angegebenen Praxisbesonderheiten anerkannt, ich verweise auch auf den Bescheid 04.12.2008, in dem die Praxisbesonderheiten von der Prüfstelle anerkannt wurden. Weiter führt die Prüfstelle aus, dass die Fallhöhe bzw. die Erläuterungen nachvollziehbar waren und nur für den Fall eines Anstiegs der Fallhöhe eine Prüfmaßnahme erfolgen sollte bzw. nicht ausgeschlossen werden könnte.

Nun hat tatsächlich nachprüfbar keine Leistungsausweitung stattgefunden. Auch liegt die Praxis nach wie vor im Bereich PAR unter dem LD, ebenso im Bereich ZE.

Hier ersuche ich, die in den Vorquartalen anerkannten Kriterien weiter anzuerkennen (sozial schwache Patienten, die ohne die vermehrten Leistungen Kons/Chir. unversorgt bleiben müssten, da sie die Eigenleistung für ZE nicht aufbringen können bzw. wollen),

Eigene Recherchen, weshalb die Praxis eine solch überdurchschnittlich hohe Nachfrage nach Leistungen aus dem Bereich Kons/Ch erfährt, haben ergeben, dass der Anteil an jugendlichen Patienten und an Senioren sehr hoch ist. Nur wenige Patienten in Quartal 4.2007 sind im normalen Erwachsenenalter, etwa 1/3 sind älter als 45 und etwa 12 % sind jünger als 20 (geboren nach 11/1988).
Die Daten können gerne der Prüfstelle zur Verfügung gestellt werden.

Der hohe Anteil an Jugendlichen sowie Senioren bedingt einen erhöhten Betreuungs- und Therapiebedarf, wie bereits für die Vorquartale ausführlich dargelegt, ebenso wie der niedere soziale Status des Großteils der Patientenklientel.

Insofern haben die vorgetragenen Argumente der Vorquartale, zurückreichend bis 2006, nach wie vor Gültigkeit. Da diese seit Längerem anerkannt worden sind, ersuche ich die Prüfstelle, die konstant gebliebene Leistungsmenge je Patient heranzuziehen und dem Beschluss 3.2007 zu folgen und von einer Prüfmaßnahme abzusehen, wie dies im Beschluss ausführlich dargelegt worden war.

Trotzdem besteht die Prüfstelle auf einer Kürzung des Honorars:
 

Entscheidungsbegründung:

Zahnarzt Dr. Mustermann rechnet in 4.2007 wie folgt ab:

Praxis                              Land                     Überschreitung

Fälle

357

550

-35 %

Punktschnitt je Fall:

175

95

84 %

Gesamt je Fall:

153

83

84 %

 Herr Zahnarzt Dr. Mustermann bringt für das Quartal 4.2007 insgesamt 357 Behandlungsfälle zur Abrech­nung und liegt damit um 35 % unter der durchschnittlichen Fallzahl der bayerischen Zahnärzte.

Der Gesamtfallwert in Höhe von 153,00 EUR überschreitet den Gesamtfallwert um 84 %. Ent­sprechend der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist damit die Grenze zum offensichtlichen Missverhältnis überschritten und grundsätzlich der Anschein der Unwirtschaft­lichkeit gegeben.

Die Prüfungsstelle wählt als Prüfmethode die statistische Vergleichsprüfung nach Durch­schnittswerten.

Herr Zahnarzt Dr. Mustermann überschreitet den Gesamtfallwert weit im Bereich des offensichtlichen Miss­verhältnisses und zudem ansteigend gegenüber dem Vorquartal. Als Erklärung für diesen Vor­gang legt er der Prüfungsstelle eine schriftliche Stellungnahme vor, in der er seiner Patienten­struktur, die gekennzeichnet ist durch ein niedriges Durchschnittsalter, die Verantwortlichkeit hierfür anlastet. Viele jugendliche Patienten aus sozialen Brennpunkten mit niedrigem Sozialsta­tus fordern bei adäquater Versorgung und besonderer konservierender Aufmerksamkeit von Seiten des Behandlers eine vermehrte Füllungszahl im Leistungsbereich der Bema-Nr. 13c und 13d ein. Diesem Therapieprinzip schließt sich auch ein erhöhter endodontischer Leistungskom­plex an. Kompensiert wird nach Ansicht von Herrn Zahnarzt Dr. Mustermann diese verstärkte Leistungser­bringung durch die Möglichkeit der Vermeidung von Extraktionen und prothetischen Interventio­nen.

Die Prüfungsstelle nimmt die Aussagen zur Kenntnis und kann sie auch größtenteils in der Ak­tenlage nachvollziehen. Nicht nachvollziehbar und auch nicht in der schriftlichen Stellungnahme erklärt wurden jedoch die ursächlichen Gründe, welche zum Anstieg des Gesamtfallwertes im Quartal 4.2007 führten.

Die Prüfungsstelle ist deshalb veranlasst den Gesamtfallwert durch eine Prüfmaßnahme gem. § 20/7 der Prüfvereinbarung in Höhe von 8 % auf die Abrechnungshöhe zurückzuführen, die der vorgetragenen Praxissituation bisher entsprach und auch prüfungstechnisch anerkannt werden konnte.

Nach dieser Vergütungsberichtigung verbleibt eine Restüberschreitung von 69 % gegenüber dem Landesdurchschnitt.

So weit die Prüfstelle.

Allerdings: der Gesamtfallwert ist gegenüber den Vorquartalen gar nicht angestiegen, sondern leicht gesunken (!).

Frage: Können die Prüfer das kleine 1×1 nicht, oder andere Grundrechenarten? Im Vorquartal lag der Gesamtfallwert bei 176, also etwa gleich hoch bzw. leicht höher. Das führt naturgemäß zu Fragen: Die Prüfstelle hat im Bescheid für das Vorquartal die Fallhöhe als patientenbezogen anerkannt (!) und dazu ausgeführt, falls es zu einem Anstieg der Fallhöhe käme, müsse man erneut prüfen. Was nun? Natürlich wurde sofort Widerspruch eingelegt, und natürlich wird dabei darauf abgestellt, dass man Vertrauensschutz beansprucht: 

Widerspruch

 gegen Bescheid der Prüfstelle für Quartal 4.2007

 Begründung

 Der Bescheid der Prüfstelle basiert im Wesentlichen auf der Annahme eines Anstiegs des Gesamtfallwerts gegenüber dem Vorquartal. Dies sei in der Stellungnahme nicht erklärt und nicht nachvollziehbar.

Diese Aussage ist erstaunlich und ist inhaltlich falsch.

Eine Leistungsausweitung hat in Quartal 4.2007 gegenüber den Vorquartalen nicht stattgefunden (Vorquartal 3.2007 Punktemenge je Fall 176 entsprechend € 154, Prüfquartal durchschnittlich 175 Punkte je Fall entsprechend 153 € je Fall).

Eine Abweichung vom LD scheint nur deshalb größer, weil der LD von 110 Punkten je Fall zurückging auf 95 Punkte je Fall. Ein Rückgang des LD kann nicht zur Aussage führen, es habe einen Anstieg des Gesamtfallwerts der geprüften Praxis gegeben. Die Praxis hat keine Ausweitung der Praxistätigkeit hinsichtlich der einzelnen Patientenfälle zu verzeichnen.

 Insofern ist die Einschätzung der Prüfstelle inkorrekt und rechnerisch nicht nachvollziehbar.

Im Prüfbescheid 3.2007 wurden die angegebenen Praxisbesonderheiten anerkannt, ich verweise auch auf den Bescheid 04.12.2008, in dem die Praxisbesonderheiten von der Prüfstelle anerkannt wurden. Dies ist ist auch für Quartal 4.2007 korrekt dargestellt, die Praxisbesonderheiten sind als nachvollziehbar angegeben.

Weiter führt die Prüfstelle für die Prüfung 3.2007 aus, dass die Fallhöhe bzw. die Erläuterungen nachvollziehbar wären und nur für den Fall eines Anstiegs der Fallhöhe eine Prüfmaßnahme erfolgen sollte bzw. nicht ausgeschlossen werden könnte.

Hier steht die Prüfung 4.2007 im eklatanten Widerspruch dazu. Eine Ausweitung bzw. ein Anstieg der Fallhöhe hat nachweislich nicht stattgefunden. Insofern stellt der Prüfbescheid eine Missachtung des eigenen Beschlusses für 3.2007 dar sowie eine nicht nachvollziehbare Fehleinschätzung der Fallhöhe. Es ist auch unzumutbar, entgegen der Voraussage, die Fallhöhe sei nachvollziehbar aufgrund der vorgetragenen Praxisbesonderheiten, bei gleicher Fallhöhe nun eine Kürzung anzuordnen – die Praxis konnte darauf vertrauen, dass bei gleicher Fallhöhe keine Kürzung angeordnet würde.

Es wird deshalb beantragt, den Prüfbescheid zu korrigieren und die ausgesprochene Honorarkürzung aufzuheben.

Weiterhin wird ersucht, nun definitiv zu erklären, wie die Therapie der sozial schwachen Patienten zukünftig erfolgen soll:

soll, dem Trend folgend (abgebildet im LD) zunehmend außerhalb der GKV/Sachleistung abgerechnet werden (auch abgebildet in den Zahlen des KZBV Jahrbuchs), was den Großteil der Patientenklientel von einer vollständigen zahnärztlichen Betreuung ausschließen würde, oder kann die Praxis auch zukünftig darauf vertrauen, Leistungen innerhalb der Sozialversicherung auch für sozial Schwache, wie von der GKV zugesagt, erbringen zu dürfen? Dies würde beinhalten, dass die Zusagen eingehalten werden und nur bei einem absoluten Anstieg der Fallhöhe – und nicht relativ zum LD! – eine Prüfmaßnahme erfolgt.

gh