Unklare Beschwerden: Ohrknacken, Tinnitus, Schluckbeschwerden usw. – vermutlich ist es eine CMD!

Okklusionsstörungen und

Cranio-Mandibuläre Dysfunktion (CMD)

Einleitung

Neben Parodontontitis und Karies als typische Infektionskrankheiten (die am weitesten verbreiteten Krankheiten überhaupt) ist der Komplex der Störungen des Kauapparats die dritthäufigste Erkrankung der Menschen, weit vor allen „allgemeinärztlichen“ Erkrankungen. Herz-/Kreislauf, Diabetes usw. stellen demgegenüber eine geradezu seltene Krankheitsform dar, dessen sollten wir uns stets bewusst sein.

Die Kariestherapie hat das deutsche Gesundheitswesen im Griff, hier stehen adäquate Therapien zur Verfügung und finden breite Anwendung. Bei der Parodontitis sieht das schon ganz anders aus – weniger als 10 Prozent der Erkrankten werden überhaupt therapiert, und bei den Störungen der Kaufunktion ist die Bilanz noch ernüchternder – hier haben wir nicht einmal echte Daten zur Verfügung. Schätzungen aus der Wissenschaft gehen von etwa 50 Prozent der Bevölkerung aus, die eine CMD aufweisen (90 Prozent Karies, 80 Prozent Parodontitis, 50 Prozent CMD, 10 Prozent Diabetes – so das Ranking). Nun kommt der Behandung solcher fast ubiquitär vorkommender Krankheiten in dieser Gesellschaft kein besonders hoher Stellenwert zu, dies zeigen die doch sehr bescheidenen Ausgaben auf diesem Gebiet – während 2010 das Krankenhaus 34,4 Prozent, der Arzt 17,2 und die Apotheke 17,0 Prozent der „Gesundheitsausgaben“ verbrauchten, haben die Zahnärzte lediglich 6,9 Prozent der Gesamtausgaben zugestanden bekommen (Daten aus KZVB Jahrbuch 2011/statistisches Bundesamt). Dass bei solchen wirtschaftlichen Einschränkungen inzwischen große Lücken in der zahnärztlichen Betreuung auftreten, wird niemanden wundern, es sei denn, er/sie wäre Politiker oder Kassenfunktionär.

Trotz der Einschränkungen sollte man einem kranken Patienten – und auch der CMD-Patient ist „richtig“ krank! – zumindest anbieten, sein Leiden zu heilen, auch wenn er/sie dafür in die Privatschatulle greifen muss..

Begriffsbestimmung CMD

Das Temporo-Mandibular-Jaw-Syndrom (TMJ) bzw. die Cranio-Mandibuläre-Dysfunktion (CMD) betrifft Störungen des Kausystems, die auf Dysfunktionen im Zusammenspiel von Zahnreihen (Okklusion), Muskulatur sowie Kiefergelenken zurückzuführen sind.

Der Wissenschaftszweig, der sich mit dieser Problematik befasst, ist die „Gnathologie“, von Gnathos = griechisch „Kiefer-Gelenk“. Um den Ursachen nachzugehen ist eine Funktionsdiagnostik angezeigt, da stets der Anfangsverdacht geäußert werden muss, dass die Dsyfunktion funktionelle Ursachen hat. Bei der Funktionsdiagnostik handelt es sich um ein wissenschaftlich gut untersuchtes und anerkanntes Verfahren, mit dessen Hilfe der Funktionszustand des Kauorgans (orofazialen Systems) erfasst werden kann. Dieses ist erforderlich, um bei begründeten Anzeichen für das Vorliegen einer Funktionsstörung deren Natur eingrenzen und hieraus therapeutische Schlüsse für die Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit ziehen zu können.

In der Zahnmedizin wird nach der Art der eingesetzten Verfahren und Instrumente unterschieden zwischen klinischer Funktionsanalyse und instrumenteller Funktionsanalyse. Hinzu kommen heute zusätzlich ergänzende konsiliarische Untersuchungsverfahren. Problematisch ist, dass gnathologische Leistungen nicht vom BEMA erfasst sind, d.h., der GKV-Patient hat keinen Anspruch auf eine fachlich hochwertige Therapie (etwa 90 Prozent der Bevölkerung sind Versicherte einer GKV, also von einer fachlich korrekten Therapie ausgeschlossen. Auch Zusatzversicherungen bieten einen sehr eingeschränkten dürftigen Schutz.). Lediglich Schienen sowie Zahnersatz können als „Basisversorgung“ angeboten werden. Funktionsanalytik ist also kein Bestandteil des BEMA. Erschwerend kommt hinzu, dass die typischen „Privatabsicherungen“ Beihilfe sowie Private Krankenversicherung in ihren Bedingungen vollkommen unverständliche Beschränkungen auf Erstattung gnathologischer Leistungen erst bei großen prothetischen Arbeiten haben. Das bedeutet, dass großteils für eine adäquate Therapie der Patient direkt in Anspruch genommen werden muss ohne eine Erstattungsmöglichkeit durch die teure Versicherung. Deshalb befassen sich Zahnärzte nicht gerne mit der Thematik, da sie diese Leistung ja „echt privat“ verkaufen müssten. Es ist skandalös, dass Krankheiten, die schlimme Folgen nach sich ziehen (Parodontitis, CMD) – bei der PAR sind es Diabetes, Herz-/Kreislauf, Früh- und Mangelgeburt, etc., bei CMD sind es Kosten für psychotherapeutische Therapien (immerhin mittlerweile die an dritter Stelle der Kosten stehende Krankheitsform), aufwändige Prothetik, etc. – nicht bereits in so frühem Stadium behandelt werden (können) dass Spätfolgen weitgehend vermeidbar wären.

Klinik

Patienten mit Funktionsstörungen des Kauorgans klagen häufig über vielfältige nicht leicht zuzuordnende Beschwerden. Für den Kollegen in der Praxis ist die Komplexität dieses Krankheitsgeschehens ungewohnt, da wegen der BEMA-Beschränkungen wenige Therapien durchgeführt werden.

Die Ursachen für eine CMD können organischer oder psychischer Art sein.

An der Universität Münster wurden schon vor Jahrzehnten Untersuchungen dazu durchgeführt, mit dem Ergebnis, dass man heute annehmen muss: Etwa 50 Prozent der Patienten haben rein mechanische Störungen, die anderen 50 Prozent haben zusätzlich oder hauptsächlich psychische Störungen (Marxkors, Müller-Fahlbusch). Psychische Störungen sind nicht das Fachgebiet des Zahnarztes – jedoch sollten sie erkannt werden und durch Zuweisung zu den entsprechend ausgebildeten Fachkollegen (ärztliche und psychologische Psychotherapeuten, Psychiater) Abklärung finden. Psychische Störungen treten aktuell gehäuft auf. Ursachen sind

  • – Stress, hervorgerufen durch berufliche Überforderung -typisch: bei ansonsten unauffälliger Okklusion starke Schlifffacetten an den Führungszähnen (Eckzähne) der Dentition
  • – Angst (hier ist beispielhaft zu nennen Angst vor Arbeitsplatzverlust, vor Partnerverlust)
  • – Stresssituation nach Verlust nahestehender Angehöriger oder auch von Haustieren (Belastungssyndrom)
  • – Stresssituation nach Vermögensverlusten (Bankenkrise, Eurokrise, usw.)

Selbst bei perfekter Funktion kann das TMJ Syndrom beobachtet werden!

Eine Zusammenarbeit mit einem Psychotherapeuten ist zu empfehlen: Der Psychotherapeut kann auch in der Therapie von Angstpatienten helfen (Zahnarztphobie ist eine anerkannte, von der GKV durch Kostenübernahmen als Sachleistung finanzierte Erkrankung).

CMD findet sich auffällig häufig auch bei der Klientel von Psychotherapeuten, wobei die Symptome manchmal nicht psychischer, sondern mechanischer Genese sind. Die Zusammenarbeit sowie die Information des Psychotherapeuten über solche Zusammenhänge sind für alle Seiten nützlich.

  • Funktionsstörungen und -erkankungen des Kauorgans können zu verschiedenen Folgeerkrankungen führen, wie Erkrankungen der Kaumuskulatur sowie der mit betroffenen Haltemuskulatur. Hinzu kommen direkte Schäden an den Zahnhartsubstanzen im Bereich der Kaufläche sowie der Zahnhälse sowie Erkrankungen des Zahnhalteapparates und der Kiefergelenke. Sie können fälschlicherweise zu Psychotherapien oder HNO-Besuchen führen (Tinnitus, Knacken in den Ohren) – sehr kostenaufwändig! – und ebenso können Therapieversuche beim Orthopäden (Nackenverspannung und Schmerzen) sowie Neurologen (halbseitige Kopfschmerzen) stattfinden, die erfolglos bleiben müssen, jedoch hohe Kosten verursachen, einschließlich krankheitsbedingter Fehlzeiten.

Symptome:

Myopathie

  • Diffuser dumpfer Schmerz ausstrahlend bis zum Nacken
  • Ruheschmerz, Palpationsschmerz, morgens stärker
  • Häufig beidseitig, aber auch halbseitige Kopfschmerzen (im Temporais-Bereich) sind ein typisches Symptom
  • Häufig chronisch

Arthropathie

  • Lokalisierter, stechender Schmerz, meist ohne Ausstrahlung
  • Belastungsschmerz
  • Meist einseitig
  • Kürzerer akuter Verlauf

Generell:

  • Typische keilförmige Zahnhalsdefekte („Abfractions“)
  • Typische Abrasionsflächen an den Front- und Seitenzähnen
  • Auffällig ist das „Costensyndrom“ mit möglichem Tinnitus, unwillkürlichem Zucken der Augenlider, Nackenschmerzen, Knacken im Ohr, eingeschränkte Mundöffnung, Deviation bei der Mundöffnung

Myopathien können leicht unbemerkt in Myoarthropathien übergehen, weil das Gelenk zwangsläufig in Mitleidenschaft gezogen wird. Der erhöhte Muskeltonus führt längerfristig stets zu einer Schädigung des Gelenkes.

Ist das Vollbild der Myoarthropathie erreicht, klagt der Patient über Gelenkgeräusche bei Kieferbewegungen („Knacken im Ohr“), limitierte Mundöffnung, Kiefersperre beim Öffnen, diffuse Gesichtsschmerzen, die in den Kopf- und Nackenbereich ausstrahlen ohne präzis definiertes Schmerzbild.

Eine Initial-Therapie wird hauptsächlich symptomatisch mit Schienen bewerkstelligt, bei denen es beim GKV Patienten bleibt.

Funktionstherapeutische Maßnahmen zielen auf eine Korrektur diagnostizierter Funktionsstörungen. Die Stellungnahmen aller wesentlichen nationalen und internationalen Fachgesellschaften stimmen darin überein, dass eine solche Behandlung immer zunächst mit reversiblen Therapiemitteln erfolgen sollte. Im Bereich der Zahnmedizin stehen hierfür unspezifische Aufbissbehelfe sowie speziell für den jeweiligen Patienten konstruierte Okklusionsschienen zur Verfügung. Die Auswahl des jeweils geeigneten Behandlungsmittels trifft der behandelnde Zahnarzt auf der Grundlage der zuvor per Funktionsdiagnostik ermittelten Initialdiagnose.

  • Eine Schiene kann jedoch niemals ein echtes mechanisches Problem lösen
  • Eine Schiene nutzt nur (temporär) , wenn sie individuell auf die Malokklusion eingestellt wurde
  • Eine Schiene kann nur als Vorbehandlung (Behandlung der Symptome) angesehen werden
  • Eine ursachenbezogene Therapie mit kompletter Korrektur der Okklusion sollte wenn immer möglich angestrebt werden
  • Im Fall psychischer Störungen kann die Schiene zwar aus zahnärztlicher Sicht die Dauerbehandlung darstellen – sie ist trotzdem nur eine Vorbehandlung, weil die psychotherapeutische Behandlung (Ursache!) zwingend ist

Die Schiene ist eine Behandlung von Symptomen, nicht von Ursachen!

Therapeutische Konsequenzen

Eine korrekte gnathologische Therapie beginnt mit

  • – der korrekten Befundung
  • – der korrekten Diagnose
  • – der korrekten Aufklärung und Beratung
  • – und
  • – der korrekten Dokumentation

Auch bei Patienten, die sich nach Aufklärung und Beratung für keine „richtige“ Therapie entscheiden (dafür kann es Gründe geben, häufig sind diese finanzieller Art) sind Konsequenzen gegeben:

  • Ohne Gnathologie kein ZE (die Folge einer fehlerhaften ZE-Herstellung hätte der Zahnarzt alleine zu tragen!)
  • Ohne Gnathologie keine PAR (die Folge einer fehlerhaften PAR bei CMD hätte der Zahnarzt alleine zu tragen! Denken Sie an die Abrechnungsprüfung mit Regress!)
  • Ohne Gnathologie keine komplizierten Füllungstherapien (die Folge einer fehlerhaften Füllungstherapie bei CMD hätte der Zahnarzt alleine zu tragen! Denken Sie an die 2 Jahre Gewährleistungspflicht!)

Bei CMD sind kontraindiziert

  • alle Keramikversorgungen
  • alle Zahnhalsversorgungen
  • alle Veneers

Diese Punkte müssen obligat in jedem Aufklärungsgespräch einschließlich der wirtschaftlichen Folgen („Nebenpflicht aus dem Behandlungsvertrag“, so der BGH) abgearbeitet werden und sind entsprechend zu dokumentieren. Einlassungen, wie „der Patient wollte das nicht“ können vor Gericht dann problematisch werden, wenn

– die Behandlung im Rahmen der GKV stattgefunden hat und ein Gutachter die mangelnde gnathologische Vorabklärung aufdeckt (z.B. in ganz offensichtlichen Fällen)

– die Behandlung nach GOZ stattfindet und eine Restauration nach kurzer Zeit erneuerungsbedürftig wird (z.B. wegen abplatzender Verblendungen o.ä.) oder

– eine Folgeerkrankung auf die mangelnde gnathologische Vorbehandlung hindeutet.

Merke: der Zahnarzt steht alleine vor einer Welt von Feinden, wenn es darum geht, Schadensersatzansprüche zugunsten der Patienten geltend zu machen.

Mindestens 10% aller neuen Patienten einer zahnärztlichen Praxis zeigen auffällige TMJ Symptome.

Chronische Schmerzsyndrome,

  • wie chronische Kopfschmerzen,
  • Schmerzen im Kopf-Gesichts- und Wirbelsäulenbereich,
  • atypischer Gesichtsschmerz bis hin zu
  • Dysfunktionen im Beckenboden

sind vielfach kombiniert mit Fehlfunktionen und /oder Schmerzen im Kiefergelenk.

Durch den Einsatz zahnärztlicher Hilfsmittel allein ist nicht immer ein umfassender Therapieerfolg zu erzielen. Die Behandlung sollte deswegen im Therapeutenteam erfolgen. Die interdisziplinäre Diagnostik und Therapie bei funktionell bedingten Beschwerden im kraniomandibulären und kraniocervikalen System ist das Mittel der Wahl.

Es gibt eindeutige Zusammenhänge zwischen Okklusion und Kiefergelenken. Es besteht eine gegenseitige Abhängigkeit zwischen der momentanen Kondylenposition und der momentanen Okklusion, für eine korrekte Diagnostik der kraniomandibulären Dysfunktion ist es unzureichend, nur die statische Okklusion zu betrachten.

Gnathologie

Gnathologie ist eine zahnärztliche Fachrichtung die sich mit der Okklusion befasst. Insbesondere wird auf das Zusammenspiel zwischen Zähnen (Okklusion), Muskeln, Knochen, Gelenken und Parodontium geachtet.

Eine präzise Abformung, genaue Bissregistrierung und eine Gelenkbewegungsaufzeichnung (Axiographie) sowie die Diagnose der Bewegung des Kiefergelenks stehen im Mittelpunkt.

Nur wenn die Grundprinzipien der Gnathologie durch den Behandler analysiert wurden, ist eine zielführende, erfolgreiche Therapie des stomatognathen Systems erreichbar. Analysen des Zahntechnikers können hilfreich sein, die letzte Verantwortung trägt jedoch der Zahnarzt. Dies bedeutet, dass der Zahnarzt stets die Situation im Artikulator selbst höchstpersönlich studieren muss und sich nicht auf Kommentare des Labors verlassen darf.

Sie ist die Grundlage für alle ästhetisch-funktionellen Rekonstruktionen mit oder ohne Zahnimplantat, Abrasions-Gebisse, teil- oder totale Prothesen, oder auch einer erfolgreichen Kieferorthopädie sowie PAR-Therapie.

Es ist ein Irrglaube, man müsse Gnathologie nur für o.a. Therapien vorschalten, vielmehr ist eine gnathologische Vorgehensweise für die Therapie der CMD unverzichtbar, auch im natürlichen Gebiss oder auch bei nur kleinen Restaurationen bei diagnostizierter CMD.

Therapieschema

  • Klinische Untersuchung, Befundung
  • Konsiliarische Befunde (Psychologe / Psychotherapeut, etc.)
  • Röntgenologische Befundung
  • Funktionsanalytik
  • Diagnose
  • Therapieentscheidung

Klinischer Befund

Es ist obligat zuerst eine Befundung nach Formblatt durchzuführen:

 

 

Schon bei der klinischen Untersuchung können offensichtliche Fehler in der Funktion von Okklusion, Muskeln und Gelenken leicht erkannt werden, weitere Maßnahmen basieren auf diesen Erkenntnissen. Eine Befundung nach Formblatt ist zwingend – ohne hätte man die Dokumentationspflicht verletzt.

  • Der Patient kommt mit Schmerzen zu Ihnen.
  • Sie diagnostizieren klinisch und röntgenologisch keine odontogene Ursache der Beschwerden.
  • Sie diagnostizieren anamnestisch CMD (cranio maxillare Dysfunktion).
  • Und müssen dringend handeln um Ihrem Patienten zu helfen!

Nach Therapieschema haben Sie die klinische Befundung nach Formblatt vorgenommen. Eine Zuweisung zu den Konsilsärzten ist erfolgt, die Befunde wurden Ihnen vorgelegt.

Sie fertigen OPGs oder ähnliche geeignete Röntgenaufnahmen an, auf denen die Gelenke bzw. der Gelenkspalt dargestellt sind.

Daraus leiten Sie eine erste Diagnose ab. Bei erhärtetem Verdacht auf CMD leiten Sie Sofortmaßnahmen ein, um die spätere Funktionsdiagnostik vorzubereiten.

  • Verschiedene Behandlungsmittel (Schienen) ermöglichen es, für eine begrenzte Zeit die Malokklusion zwischen Ober- und Unterkieferzahnreihen zu unterbinden bzw. zu verändern.

Durch die hiermit einher gehende Unterbrechung des üblichen „gewohnten“ Reflexmusters wird in der Regel eine Besserung des Beschwerdebildes des Kauorgans erreicht.

Der Vorteil derartiger „Aufbißbehelfe ohne adjustierte Okklusion“ besteht darin, dass sie vergleichsweise einfach herzustellen sind und in einem eng umschriebenen Indikationsbereich dennoch sehr gut wirken.

Konnte eine Relaxierung des neuro-muskulären Reflexkreises erreicht werden (dies geschieht im Normalfall sehr rasch und kann durch Messung des Muskeltonus verifiziert werden) folgt die instrumentelle Funktionsanalyse. Je nach Befund kann eine Langzeitschiene indiziert sein bzw. wegen der Gebührenordnungsgegebenheiten als Palliativ-Therapie Mittel der Wahl sein.

Die Form und Gestaltung der einzelnen Okklusionsschiene richtet sich nach dem Ergebnis der klinischen Funktionsanalyse sowie der ergänzenden instrumentellen Funktionsanalyse.

Aufbissbehelfe

  • Generell stehen konstruierte Okklusionsschienen für den Ober- sowie für den Unterkiefer zur Verfügung. Nach ihrer Wirkung werden Relaxationsschienen von Positionierungsschienen unterschieden.
  • Bitte: nie mit Einschleifen beginnen, bevor nicht durch Schienentherapie eine Entspannung bewirkt wurde, sonst könnte die Situation verschärft werden!

Soforttherapie

Manchmal können ganz einfache Sofort-Maßnahmen helfen:

  • Kontrolle der Front-Eckzahnführung und Korrektur, z.B. durch Aufbau einer neuen Führung
  • Kontrolle auf Hyperbalancen und Korrektur, z.B. durch Einschleifen (cave: nach Front-/Eckzahnaufbau können die Hyperbalancen ganz verschwunden sein, dann muss man nicht mehr einschleifen!)
  • Eine Front-/Eckzahnführung kann für diagnostische Zwecke erst einmal kostengünstig aus Komposit aufgebaut werden.

Die Überführung der gefundenen Okklusion via Abformung und Registrierung (nach Schienentherapie) sollte erst nach funktionsanalytischen gnathologischen Prinzipien als Therapie nach sorgfältiger Planung vorgenommen werden.

Therapie

Vor jeglicher Therapieplanung muss das Beratungsgespräch stattfinden, in dem (das verlangt der BGH) auch der wirtschaftliche Aspekt besprochen werden muss. Eine Therapie bei Funktionsstörungen nur nach BEMA K 1 – 9 ist lediglich eine Symptombehandlung ohne dauerhafte Heilung. Eine „echte“ Therapie kann nur nach GOZ erbracht und abgerechnet werden.

Vorbehandung bzw. Palliativtherapie nach BEMA

 

  • BEMA-Nr. 7a 19 Punkte Modelle Oberkiefer und Unterkiefer, dreidimensional (KFO)
  • BEMA-Nr. 7b 19 Punkte Modelle Oberkiefer und Unterkiefer (Zahnersatz und Kieferbruch)
  • BEMA-Nr. K1 Aufbissbehelf mit adjustierter Oberfläche – in der konkreten Ausführung wie nachfolgend aufgelistet:
  • BEMA-Nr. K1a 106 Punkte – zur Unterbrechung der Okklusionskontakte
  • BEMA-Nr. K1b 106 Punkte – als Aufbissschiene bei PAR-Behandlung
  • BEMA-Nr. K1c 106 Punkte – als Bissführungsplatte bei Zahnersatz
  • BEMA-Nr. K2 45 Punkte Aufbissbehelf ohne adjustierte Oberfläche
  • BEMA-Nr. K3 61 Punkte Umarbeitung vorhandener semipermanente Schienung; je Interdentalraum
  • BEMA-Nr. K6 3 Punkte Prothesen zum Aufbissbehelf
  • BEMA-Nr. K4 11 Punkte Wiederherstellung und/oder Unterfütterung eines Ausfbissbehelfs
  • BEMA-Nr. K7 6 Punkte Kontrollbehandlung, gegebenenfalls mit einfacher Korrektur
  • BEMA-Nr. K8 12 Punkte Kontrollbehandlung mit Einschleifen des Aufbissbehelfs
  • BEMA-Nr. K9 35 Punkte Kontrollbehandlung mit Aufbau einer neuen adjustierten Oberfläche

 

Therapie nach GOZ

  • Mit den Leistungen nach GOZ 7000 und folgende werden Aufbissbehelfe (Schienen) analog dem BEMA in ähnlicher Systematik honoriert, z.B. GOZ 7000 Eingliederung eines Aufbissbehelfes ohne adjustierte Oberfläche

Dazu der Kommentar der BZÄK

Unter dieser Leistungsnummer werden – unabhängig von der Art der Herstellung – alle Arten von therapeutischen Aufbissbehelfen, z. B. Relaxierungsschienen oder Aufbissplatten o. Ä. ohne adjustierte Oberfläche berechnet.

Sie dienen u. a. der Veränderung der Bisslage, der Bisshebung oder der Relaxierung der Kaumuskulatur und der Entlastung der Kiefergelenke. Aufbissbehelfe ohne adjustierte Oberfläche können auch zur Schmerztherapie bei akuter Funktionsstörung im stomatognathen System eingesetzt werden.

Diese beschriebenen Leistungsinhalte sind auch im BEMA abgebildet. Aufbissbehelfe können (dies gibt auch der Kommentar der BZÄK wieder) eine Dauerlösung sein – dies jedoch nur dann, wenn die Funktionsanalytik keine Ursachen für okklusale Interferenzen oder andere mechanisch behebbare Störungen des Kausystems aufdeckt. Im Normalfall wird man solche Ursachen finden und ursächlich behandeln können. Es wäre ein Verstoß gegen das medizinische Ethos, einen Patienten lediglich mit Aufbissbehelfen zu versorgen, also symptomatisch zu behandeln, ohne zumindest eine Abklärung der Ursachen mit dem Patienten erörtert zu haben.

Funktionsanalytik in der GOZ (keine BEMA-Leistung)

  • GOZ 8000 Abrechnungsbestimmung:

Die Leistung nach der Nummer 8000 umfasst auch folgende zahnärztliche Leistungen: prophylaktische, prothetische, parodontologische und okklusale Befunderhebung, funktionsdiagnostische Auswertung von Röntgenaufnahmen des Schädels und der Halswirbelsäule, klinische Reaktionstests (z. B. Resilienztest, Provokationstest).

Kommentar der BZÄK dazu:

  • Die klassische klinische Funktionsanalyse dient der Feststellung von Erkrankungen oder Veränderungen in der Funktion des craniomandibulären Systems (Craniomandibuläre Dysfunktion/CMD). Diese können sowohl die Zähne als auch Knochen, Gelenke, Muskulatur, Innervation und Gefäße in ihrer Funktion beeinflussen. Die Diagnostik dieser Störungen wird durch die klassische klinische Funktionsanalyse eingeleitet.

Es wurde bisher stets auf Leistungen Bezug genommen, die der Diagnostik dienen. Dies ist beabsichtigt, da die Erkrankung leider viel zu wenig wahrgenommen wird.

Therapie

Die Therapie solcher Störungen umfasst eine Umgestaltung der Okklusion mittels prothetischer Maßnahmen (Neugestaltung der Molarenkauflächen, ev. Neugestaltung der Eckzähne bzw. der Front- und Eckzähne, durch subtraktive oder additive Methoden).

Es ist prinzipiell unmöglich eine gnathologisch fundierte ursachenorientierte Therapie im Rahmen der Bestimmungen des BEMA durchzuführen. Es ist deshalb nach ausführlicher Beratung zusammen mit dem Patienten festzulegen, ob

  • – eine Behandlung lediglich der Symptome (Schiene)

oder

  • – ursachenbezogen nach funktionsanalytischer Diagnostik

und

  • – Komplettaufbau einer stimmigen Okklusion mit Entlastung der Gelenke und der Muskulatur stattfindet.

Die medizinisch notwendige Therapie erfolgt im Rahmen der GOZ

  • – Vorbehandlung mit Aufbissbehelf (Schiene)
  • – funktionsanlytische Diagnostik
  • – Korrektur der Okklusion, z.B. durch Aufbau einer korrekten Front-/Eckzahn-Führung, Eliminierung von Hyperbalancen, u.U. Korrektur der Kauebene, Entlastung des Kiefergelenks durch ein Hypomochlion, etc.

Kernstück der instrumentellen Analyse ist die Stützstiftregistrierung, mit deren Hilfe es möglich ist, die gelenksbezogene retrale Position des Unterkiefers exakt zu bestimmen.

Hierzu benötigt man exakte Abformungen sowie ein befähigtes Labor.

Als Grundvoraussetzung ist wie bei allen zahntechnischen Arbeiten eine präzise Abformung der Mundsituation erforderlich. Dazu reicht ein blasenfreier Alginatabdruck. Nach Desinfektion wird die Abformung mit normalem Hartgips bestäubt (zur Bindung der noch freien Alginsäure) und mit Wasser befeuchtet. Besser noch ist das Ausspülen mit Gipstrimmerwasser.

Das dermaßen vorbereitete Modell gießen wir mit Superhartgips aus. Wenn neben einer Schiene ein Stützstiftregistrat zur Ermittlung der Zentrallage des Unterkiefers erstellt werden soll, ist ein doppeltes Ausgießen der Abformung erforderlich.

Ein Registrat nach Gerber scheint sinnvoll. Die vom Labor gelieferten oder selbst „direkt“ gefertigten Schablonen für das Registrat führen durch Lateral- und Sagittalbewegungen zu einem Pfeilwinkelregistrat mit Erkennen der maximalen Retrallage. Im passenden Abstand (je nach Eigenbeweglichkeit des Gelenks) wird der Zentrikpunkt eingestellt, markiert, mit einem Lochplättchen veränderungsfrei blockiert und mittels schnellhärtendem Silikon verschlüsselt.

Limitiert der Patient nicht durch finanzielle Verweigerung (GKV, keine Zuzahlung) sieht das Therapieprotokoll so aus:

  • – funktionsanalytische Befundung nach Formblatt
  • – Primäre Relaxierungsschiene
  • – Stützstiftregistrat nach Relaxierung des stomatognathen Sytems
  • – Anfertigung einer ausgearbeiteten Langzeitschiene (Schiene 2!) nach den gewonnen Daten im Artikulator hergestellt mit korrekt erstellter Front/Eckzahnführung
  • – nach Probetragen und nachgewiesener korrekt gefundener Okklusion/Gelenks-Beziehung, ausgewiesen durch Beschwerdefreiheit, unlimitierter Mundöffnung, usw.,
  • – vollständige prothetische Restauration:
  • Das kann sein durch Eingliederung von Kronen bzw. Teilkronen
  • oder
  • Veneers an Front und Eckzähnen (falls die Kauebene stimmt und lediglich die Front-/Eckzahnführung verlorengegangen ist)

Weitere Maßnahmen sind

  • – ev. Extraktion elongierter und gekippter Zähne
  • – ev. Einschleifmassnahmen an Molaren (Hyperbalancen subtraktiv eliminieren)
  • – ev. Eingliederung von Brücken oder Implantaten um das Langzeitergebnis zu stabilisieren (um z.B. weitere Elongation oder Kippung von Zähnen ohne Antagonisten zu verhindern)

Prävention

Wie bei allen anderen wichtigen Erkrankungen des Kausystems ist auch bezüglich CMD eine Prävention erstes Gebot.

  • Jede Extraktion bedeutet einen massiven destruktiven Eingriff in das Kausystem, ebenso jede Füllung oder Krone.
  • Bei Füllungen und Kronen ist genau darauf zu achten dass die okklusale Beziehung stimmt (zu „niedere“ Füllungen und Kronen führen zu nicht vorhersehbaren okklusalen Interferenzen wegen ungesteuerter Elongation oder Kippung)
  • Bei Extraktionen muss unbedingt umgehend Zahnersatz durch Implantat oder Brücke eingegliedert werden. Die meisten CMD-Fälle resultieren aus o.a. Ursachen.

Der Schadensverlauf:

  • Zahnextraktion –
  • Elongation und/oder Kippung –
  • okklusale Störung (Hyperbalance) –
  • Gelenks- und Muskelbeschwerden

Die überwiegende Zahl an Fällen mit Gelenksproblemen haben iatrogene Ursachen, meist in Mitwirkung der Patienten (ZE „zu teuer“, usw.)

Deshalb:

  • Vorbeugen ist besser als heilen – wenn die Okklusion auch nach zahnärztlichen Eingriffen stabil bleibt kommt es gar nicht erst zum Systemabsturz (CMD)

 

 

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