Seit weit über 100 Jahren ein ruhender Pol in der Praxis

In den vergangenen hundert Jahren hat die Zahnmedizin bahnbrechende Innovationen erlebt. Dazu zählen Legierungen mit unterschiedlichsten Eigenschaften, zahnfarbene Füllungsmaterialien, die Metallkeramik und vollkeramische Restaurationen. Der Harvard-Cement hat sich in diesem Umfeld starker Veränderungen immer wieder bewährt. Aktuell spielt er unter anderem zur Befestigung von Zirkonoxidrestaurationen traditionelle Stärken, wie Bioverträglichkeit und einfache Handhabung, wiederum in einer neuen Anwendung aus. Hervorgegangen ist dieses einzigartige Produkt aus der Experimentierfreudigkeit und gleichzeitigen Praxisorientierung, wie sie für einen bestimmten Typ von genialem Forscher in der Zeit zwischen etwa 1850 und 1920 charakteristisch war.

Ein Blick in die Geschichte
Ein Zement ist grundsätzlich nichts anderes als ein hydraulisch (d.h. unter Wasser erhärtendes) Bindemittel. Über seine Eignung für eine bestimmte Anwendung entscheidet jedoch das genaue Rezept, und speziell für den Einsatz im zahnmedizinischen Bereich gab es im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert unterschiedliche Ansätze. Zu ihnen zählen beispielsweise der Sorelkitt von 1856 oder der „Sürsen’sche Zahncäment“ des Berliner Hofzahnarztes Wilhelm Suersen, dessen genaue Zusammensetzung 1859 vom Apotheker Otto Helm bestimmt wurde. Beide haben sich nicht durchgesetzt, weil die verwendeten Chloride (Zinkchlorid bzw. Magnesiumchlorid) schädigende Einflüsse auf die Pulpa hatten.

Die ersten Zahnzemente auf der Basis von Phosphorsäure und Zinkoxid wurde damals von Rostaing di Rostagni entwickelt. Die Rezeptur dieser so genannten Dentinagene blieb allerdings streng geheim und ist heute nicht mehr bekannt. Es war zum Teil noch eine Zeit der Alchemie und der „geheimnisumwitterten Magier“, die sie zu nutzen wussten. Gleichzeitig vollzog sich der Siegeszug der Wissenschaften, und wenige Jahre später gab es das Patent auf den Dentalzement, wie er in immergleicher Zusammensetzung noch heute als Original Harvard-Cement verwendet wird.

Eine Entwicklung, die sich in der Praxis ebenfalls bewährt hat, stellt Carboxylatzement dar1. Dabei handelt es sich um Zinkoxidpulver, das mit einer langkettigen Polyacrylsäure als der Flüssigkeit kombiniert wird. Diese sorgt für etwas höhere anfängliche pH-Werte. Die entsprechend reduzierte Säurewirkung kann mögliche Sensibilitäten beim Patienten zusätzlich vermindern. Ein solches Produkt steht unter dem Namen HARVARD Polycarboxylat-Cement zur Verfügung.

Handfeste Vorteile in der zahnärztlichen Anwendung
Harvard-Cement dient heute insbesondere als Befestigungsmaterial für indirekte Restaurationen wie Kronen, Brücken und lnlays. Daneben hat es sich auch für die Befestigung von Wurzelstiften und orthodontischen Bändern, für Stumpfaufbauten, als Unterfüllung und als temporäre Füllung bewährt. Als vorteilhaft gegenüber der Adhäsivtechnik erweist er sich insbesondere bei subgingival liegenden Präparationsgrenzen, denn hier ist die erforderliche Trockenlegung schwer zu erreichen. Eine höhere Sicherheit bietet damit der Harvard-Cement.

Neuerlich interessant wird er durch die Möglichkeit zur Befestigung von nicht anätzbaren Oxidkeramiken wie Zirkonoxid. Dieses soll ja mit seiner Bioverträglichkeit punkten. Das Plus wird jedoch gefährdet, wenn monomerhaltige Adhäsive verwendet werden müssen, die ihrerseits ein bekanntermaßen allergisierendes Potenzial aufweisen. Bei Harvard-Cement hingegen ist eine solche Wirkung in über hundert Jahren nicht aufgetreten. Hinzu kommt als weiterer Vorteil die Möglichkeit zur temporären Befestigung. Dafür steht mit HARVARD Temp auch ein speziell auf diese Anwendung zugeschnittenes Produkt zur Verfügung, das noch dazu in der modernen Darreichungsform aus der Spritze erhältlich ist.

Aus ästhetischen Gesichtspunkten überzeugen die Abdeckung von gefärbten Zahnstümpfen, metallischen Stiftaufbauten und lmplantat-Abutments. Dadurch schafft Harvard-Cement optimale Voraussetzungen für eine harmonische Gestaltung von Restaurationen.

Für Zahnarzt und Assistenz ist die hohe Sicherheit bei der Anwendung von großer Bedeutung. Gemäß einer einfachen Vorschrift, die aus den Grundoperationen „1. portionieren, 2. mischen und 3. applizieren“ besteht, erfolgt die Herstellung der gebrauchsfertigen Masse nach kurzer Übung mit Routine. Die Adhäsivtechnik erweist sich – trotz aller Fortschritte – immer noch als eindeutig komplizierter und daher auch fehleranfälliger.

Angesichts der aktuellen Bedeutung von Harvard-Cement für die zahnärztliche Praxis, wie sie vorstehend dargestellt ist, lässt sich festhalten: Dieses Material hat sich als eine feste Größe in der Zahnmedizin etabliert, über eine ungewöhnlich lange Zeit gehalten und dürfte diese Position auch in Zukunft behaupten.

Über Generationen eine feste Größe
Produkte, die seit Jahrzehnten oder gar Jahrhunderten nach demselben Rezept hergestellt werden, geben uns das gute Gefühl, dass es in unserer temporeichen Zeit doch beruhigende Konstanten gibt. Wir kennen so etwas aber eher aus ganz anderen Lebensbereichen – etwa vom Whiskey. In der Materialwissenschaft ist es selten, und es verleiht dem Harvard-Cement eine Ausnahmestellung. Zu verdanken ist sie wohl der mutigen Experimentierfreude von Chemikern, Apothekern und Zahnärzten des 19. Jahrhunderts, die ohne das systematische Wissen der heutigen Zeit, aber mit riesigem Engagement, intuitivem Gespür und auch mit dem nötigen Quäntchen Glück unzählige Rezepturen prüften, bis sie die optimale gefunden hatten. Eine ganze Reihe großer Namen sind aus dieser Zeit hervorgegangen, unter ihnen Merck und Fresenius, um nur zwei davon zu nennen. Harvard und der Original Harvard-Cement befinden sich hier in illustrer Gesellschaft und sind damit im Dentalbereich eine einzigartige Erscheinung.
SDL