Qualitätsmanagement in der (Zahn)Medizin
ab November wird es ernst!
Qualitätsmanagement hat mit „Qualität“ nicht wirklich viel zu tun, die Betonung sollte auf „Management“ liegen. Aus der Semantik lässt sich auch eine Beurteilung herleiten; QM-Systeme erleichtern Management-Prozesse und sind einer wie auch immer definierten Qualität nur insofern dienlich, als dadurch eine gewisse Gleichförmigkeit bewirkt werden kann. QM heißt eigentlich – und dafür wurde es entwickelt – dass die Kunden eine stets gleichbleibende Qualität erwarten können, was nichts darüber aussagt, wie die Qualität im Vergleich zu anderen Anbietern (auch der identischen Leistungen) aussieht. Die kann ganz schlecht sein – trotzdem kann man das QM des speziellen Anbieters sogar zertifizieren, will heißen, QM schreibt dann eine miese Qualität fest, und wenn man die ändern möchte, dann kann man das als „Ziel“ formulieren und muss dann die Prozessbeschreibungen, Arbeitsanweisungen usw. neu erstellen.
Aktuelles Beispiel für diese Auffassung ist der „Hygieneskandal“ in den Münchner städtischen Kliniken. Bei Kontrollen durch die zuständigen Behörden (insbesondere Gesundheitsamt und Gewerbeaufsicht) wurde mehrfach (!) die Instrumentenaufbereitung beanstandet. Bei Nachkontrollen konnte eine Besserung nicht festgestellt werden. Die Operateure standen vor dem Problem, dass ungenügend gereinigte Instrumente den Weg in die OP-Bestecke fanden – wie viele Infektionen mit Hospitalkeimen darauf zurückzuführen sein könnten, darüber wurde heftig diskutiert und spekuliert, jedenfalls wurde schließlich mehreren Kliniken die OP-Behandlung untersagt und die Sterilgutaufbereitung geschlossen. Und nun die Pointe: alle Kliniken waren (und sind!) QM-zertifiziert, auch die Sterilgutaufbereitung trägt das Prüfsiegel des TÜV.
Wenn also QM der Qualität nicht dient, wozu dann solches? Genau das ist der Punkt, der Zahnärzte (und alle im Medizinbetrieb Tätigen) aufbringt und daran denken lässt, sich zu verweigern. Nur, Verweigerung ist schlicht nicht möglich, weil hier ganz eindeutige gesetzliche Regelungen getroffen worden sind. Die Folterinstrumente für Verweigerer sind dergestalt, dass man sich lieber nicht mit den Prüfbürokraten auf Streit einlassen sollte, insbesondere darf man nicht übersehen, dass nicht nur direkte Sanktionen für Verweigerer vorgesehen sind (Honorarkürzungen bis hin zum Entzug der Kassenzulassung), auch das Instrument der Abrechnungsprüfung kann und wird dafür eingesetzt werden.
I § 137 Richtlinien und Beschlüsse zur Qualitätssicherung
(1) 1Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt für die vertragsärztliche Versorgung und für zugelassene Krankenhäuser durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 13 insbesondere
1.
die verpflichtenden Maßnahmen der Qualitätssicherung nach § 135a Abs. 2, § 115b Abs. 1 Satz 3 und § 116b Abs. 4 Satz 4 und 5 unter Beachtung der Ergebnisse nach § 137a Abs. 2 Nr. 1 und 2 sowie die grundsätzlichen Anforderungen an ein einrichtungsinternes Qualitätsmanagement und
2.
Kriterien für die indikationsbezogene Notwendigkeit und Qualität der durchgeführten diagnostischen und therapeutischen Leistungen, insbesondere aufwändiger medizintechnischer Leistungen; dabei sind auch Mindestanforderungen an die Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität festzulegen.
2 Soweit erforderlich erlässt er die notwendigen Durchführungsbestimmungen und Grundsätze für Konsequenzen insbesondere für Vergütungsabschläge für Leistungserbringer, die ihre Verpflichtungen zur Qualitätssicherung nicht einhalten.
II
§ 106 SGB V (2a)
Gegenstand der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit in den Prüfungen nach Absatz 2 Satz 1 Nr. 2 sind, soweit dafür Veranlassung besteht,
1.
die medizinische Notwendigkeit der Leistungen (Indikation),
2.
die Eignung der Leistungen zur Erreichung des therapeutischen oder diagnostischen Ziels (Effektivität),
3.
die Übereinstimmung der Leistungen mit den anerkannten Kriterien für ihre fachgerechte Erbringung (Qualität), insbesondere mit den in den Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses enthaltenen Vorgaben,
4.
die Angemessenheit der durch die Leistungen verursachten Kosten im Hinblick auf das Behandlungsziel,
5.
bei Leistungen des Zahnersatzes und der Kieferorthopädie auch die Vereinbarkeit der Leistungen mit dem Heil- und Kostenplan.
Keine Praxis kommt also um die vorgeschriebene Einführung eines „praxisinternen Qualitätsmanagement“ herum, es sei denn, man betriebe eine reine Privatpraxis, wobei man hier zweifeln muss – die neuen Sozialstandards mit Basistarif und Versicherungspflicht implizieren eine Ausweitung der Pflicht zum QM auch auf diese Medizinbetriebe. Und die Versicherer werden hier sicherlich auch Forderungen stellen wollen, ganz zu schweigen von forensischen Folgen..
Also, machen wir QM. Vorgeschrieben ist es für die Zahnarztpraxis ab November, d.h., es muss ein wie auch immer gestaltetes System installiert worden sein. Dabei wird es sicherlich nur formal, d.h., mit einem QM-Handbuch, vorliegen müssen, die Umsetzung z.B. veränderter, den Vorschriften oder Richtlinien eventuell besser entsprechender Arbeitsgänge darf als „Ziel“ ruhig etwas dauern.
Nun sind ja die meisten Zahnärzte entschiedene Gegner von QM, da sind die Ärzte schon weiter, die haben sich schon früher ergeben und sind deshalb auch in der Umsetzung viel früher dran. In den Arztpraxen ist aktuell die Frist für die Einführung des QM längst abgelaufen, und die Prüfungen laufen bereits. Problematisch war und ist das QM für Arztpraxen, wie man hört, nicht.
Was spricht eigentlich gegen die Einführung eines QM-Systems in die Praxis?
Klar, das kostet (Geld und Zeit) und vermehrt die ohnehin schon viel zu umfangreiche Bürokratie. Kann keiner wiedersprechen, das ist so. QM macht die Praxis sensibler gegen Prüfungen – auch dies ist korrekt. Die Praxis verliert Freiheit, wirtschaftlich, organisatorisch und fachlich – stimmt genau! Und der Qualität dient das sowieso nicht (siehe oben).
Kann man denn überhaupt was Positives finden an solch einem QM-System?
Kommt darauf an. Sehen wir uns die Geschichte doch mal näher an.
Thema Dokumentation – in Abrechnungs-Prüfungen (sowohl Auffälligkeitsprüfungen als auch Stichprobenprüfungen), Prüfungen auf vertragsgemäße Erbringung von Leistungen, usw., denen die Praxen ja zunehmend häufiger unterzogen werden, haben die Zahnärzte ziemlich schlechte Karten, wenn die Dokumentation fehler- oder lückenhaft ist – und dies ist eher die Regel als die Ausnahme. Dies hat die eigene Tätigkeit als Helfer in Prüfungsangelegenheiten gezeigt (für „Securdent“, www.securdent.de, werden Kollegen vor den Prüfstellen vertreten, da lernt man staunen…).
Ist die praxisinterne Dokumentation jedoch unpräzise oder mehrdeutig, so kürzen die Kassen gnadenlos, da helfen keine Ausreden, und nachträgliche „Korrekturen“ gelten als „Urkundenfälschung“, die sollte man besser lassen.
Da kann ein QM-System mit klaren Vorgaben für die Mitarbeiter tatsächlich Nutzen stiften.
Rechnungswesen, Abrechnung, Geldfluss – das sind unangenehme Gebiete, die man den Mitarbeitern überlassen möchte – nur, haften tut der Praxisinhaber. Da wird schon mal vergessen zu scontieren (macht auf´s Jahr gerechnet ganz schön was aus), da bestellen Mitarbeiter Material in zu großen Mengen, nur weil die Verkäufer da Rabatte einräumen, ohne zu bedenken, dass man eventuell die Hälfte dann wegen Überlagerung wegwerfen kann, da werden Privatrechnungen erst zum Quartalsende geschrieben (warum eigentlich? Fällig wird eine Zahlung vier Wochen nach Rechnungsdatum, und unmittelbar bei Abschluss der Behandlung sollte auch die Rechnung rausgehen, und wenn die Zahlung ausbleibt, sollte auch sofort gemahnt werden). Und die Abrechnung sollte jedenfalls mit den (zahn)ärztlichen Aufzeichnungen identisch sein – da hapert es besonders oft, was dann prompt zu Honorarkürzungen führt.
Aber bleiben wir mal bei Bestellungen. Wer kennt das nicht – da fehlt Material, das man dringend bräuchte, da fällt einem überlagertes Material in die Hand (macht besonders Spaß, wenn´s gar nicht mehr funktioniert) – kurz, die „Materialwirtschaft“ in deutschen Zahnarztpraxen ist nicht selten eine Katastrophe.
Dafür wäre QM optimal, damit kriegt man das voll in den Griff. Nur wenn das ausdrücklich festgeschrieben ist, wird (zumindest etwas öfter) beim Einlagern von neuen Materialien das alte überprüft und für den baldigen Verbrauch nach vorne sortiert.
Thema Beratung: Hand aufs Herz, wer hält sich bei der Beratung vollumfänglich an die Vorgaben der Rechtsprechung? Unzufriedene Patienten haben da, sofern sie einen gewieften Anwalt finden, gleich einen Hebel für Rückforderungen – klarer Fall für QM mit strukturiertem Anamnese- und Beratungsbogen. Daneben sollte ein Informationssystem analog den Kliniken für Rechts-Sicherheit sorgen – es muss dokumentiert werden, worüber man mit dem Patienten gesprochen hat, und man lässt den Patienten dann unterschreiben, damit es hinterher nicht heißen kann, ist ja gar nicht aufgeklärt worden. In Zeiten preiswerter Rechtsschutzversicherungen kann das für die Praxis überlebenswichtig sein.
Und dann das oberleidige Thema Hygiene: ohne ein installiertes QM-System kann man die Vorgaben des RKI (und die sind für uns bindend!) schon gar nicht erfüllen und wird sich bei der Begehung durch die kontrollierenden Behördenvertreter leicht eine Rüge einfangen (und das kostet dann auch nicht wenig). Hat ja nicht jede Praxis einen so breiten Rücken wie kommunale oder staatliche Krankenhäuser.
Natürlich – den Prüfstellen wird durch ein QM ihre Arbeit möglicherweise erleichtert (kommt halt auch darauf an, welches QM man installiert hat), die Praxis wird (zumindest theoretisch) schon kontrollierbarer. Andererseits: wer steht denn in der Praxis hinter einem, wenn man die Aufzeichnungen macht?! Es muss eben auf dem Papier stimmig sein, mehr können die auch nicht prüfen.
Und die Kosten – da gibt’s schon bezahlbare Systeme, die für die Prüfer viel Papier produzieren und damit der Praxis wieder etwas Freiheit zurückgeben (beispielhaft www.gh-praxismanager.de, oder Hermann et al, Deutscher Zahnärzteverlag) – es wird ja Keiner gezwungen, sich zertifizieren zu lassen und, man muss schon gar nicht die QM-Leute in die Praxis rufen (denn das ist teuer) – man kann das schon selber machen, was nicht nur direkt Geld spart, sondern auch Möglichkeiten neuer Freiräume erschließt. QM-Systeme sind lebend, d.h., sie müssen permanent weiterentwickelt werden – lässt man das Externe machen, wird’s unbezahlbar und vermutlich auch nicht sonderlich praxisgerecht. Auch bei EDV-gestützten Systemen hätte ich so meine Bedenken – ich weigere mich so lange es geht meine Steuererklärung EDV-lesbar abzugeben, sollen sich doch die Bürokraten mit dem Papier rumschlagen, das macht denen die Arbeit nicht leichter und ist eine der kleinen verbliebenen Möglichkeiten sich zur Wehr zu setzen. Das sehe ich auch beim QM so – schon die vorgeschriebene EDV-gestützte Abrechnung hat uns doch nur Nachteile gebracht, dadurch haben die Abrechnungsprüfungen erst so richtig an Fahrt gewonnen – so lange die das QM nicht digital vorschreiben werde ich das nur in Papierform machen. Papier ist geduldig, sagt man…
Jetzt wenden viele Zahnärzte ja ein, man würde sich mit QM in der Therapie zu sehr einschränken – muss aber nicht sein. Das ist nämlich so: im QM werden Arbeitsabläufe systematisiert und beschrieben – dann beschreibt man sie halt so, dass die Therapiefreiheit gewahrt bleibt!
Echte Probleme hat dabei nur, wer nicht zugelassene Methoden anwendet – das muss ja dokumentiert werden, und damit wird’s überprüfbar. Nur: da macht einem QM wenigstens die Privatliquidation leichter. Ist ja nur in der GKV vorgeschrieben ausschließlich nach „EBM“ (evidence based medicine) zu arbeiten – wenn da ein Patient eine alternative Behandlung haben möchte, muss er die halt leider selber zahlen, QM verhindert die Abrechnung via KZV.
Durch QM legt sich der Zahnarzt auch nicht mehr in der Therapie fest als es durch die obligaten Richtlinien sowieso schon der Fall ist. Mittels QM kann man jedoch behauptete Behandlungsfehler leichter abwehren – stellen Sie sich mal den Richter vor: da trägt ein Anwalt vor, es habe einen Behandlungsfehler gegeben. Woraufhin der Zahnarzt seine QM-Richtlinien (samt Protokoll z.B. der Sterilisation, Nachweis über die anwesenden Mitarbeiter, ggflls. Protokoll eines „Zwischenfalls“) und vor allem ein unterschriebenes Exemplar des im QM verankerten Aufklärungsgesprächs auspackt – zu wessen Gunsten wird der Jurist denn da entscheiden?!
Wenn man es realistisch betrachtet, dann ist QM auch nur ein Potemkin´sches Dorf, das was vorgaukelt, was es so gar nicht gibt. Nur, was nützt das Jammern und Ärgern? Besser ist es doch allemal, wenn man den Bürgerprotest dergestalt äußert dass man den Bürokraten das Leben möglichst schwer macht. QualitätsManager umfasst immerhin 3000 Seiten (muss man nicht alle ausdrucken, kann man aber), wie lange will da ein Prüfer dransitzen?! Und richtig preiswert ist das auch!
Übrigens – haben Sie es mitgekriegt? Das SGB V wurde bezüglich der Regeln der Behandlung von GKV-Patienten auch geändert – siehe § 70. Da haben sie „ausreichend“ den Qualitätsbegriff hinzugefügt (offensichtlich um QM zu rechtfertigen) – wie man dieses Paradoxon allerdings auflösen könnte, das habe ich noch nicht herausgefunden…
III
§ 70 Qualität, Humanität und Wirtschaftlichkeit
(1) Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten.
(2) Die Versorgung der Versicherten muß ausreichend und zweckmäßig sein, darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten und muß in der fachlich gebotenen Qualität sowie wirtschaftlich erbracht werden.
(2) Die Krankenkassen und die Leistungserbringer haben durch geeignete Maßnahmen auf eine humane Krankenbehandlung ihrer Versicherten hinzuwirken.
Autor
Dr. Gerhard Hetz
Mailto gh@hetz-publikationen.de
Näheres zu QM: www.gh-praxismanager.de