Patient zahlt nicht

Privatpatient“ – und kein Geld…

Unlängst vor dem Landgericht: da legt eine straffällig gewordene Frau Berufung gegen das Urteil der Vorinstanz ein. Was war passiert? Die Frau hat sich einem Arzt gegenüber als „Privatpatient“ ausgewiesen, hat eine aufwändige Behandlung erfahren, die Rechnung an ihre Versicherung geschickt, das Geld von dieser erhalten – und dann einfach behalten. Nach erfolglosem Mahnverfahren hat der Arzt durch seinen Anwalt Strafanzeige stellen lassen; es kam ein Betrug zur Anzeige, obgleich man es ja auch eine Unterschlagung hätte nennen können.

Das Gericht hat eine milde Strafe ausgesprochen: trotz einschlägiger Vorstrafen (14 mal wegen Betrugs!) lediglich sechs Monate Gefängnis. Anscheinend war ihr das zu viel, man ging in die nächste Instanz.

Kurz vor der Verhandlung (!) vor dem Landgericht ging dann das Geld beim Arzt ein (interessant: nicht vor der ersten Verhandlung!), und vor Gericht klagte die liebe Frau, sie könne ja gar nichts dafür, sie sei hoch verschuldet und wisse nicht, woher sie das Geld nehmen sollte. Sie unterliege einem Kaufzwang und müsse ständig einkaufen. Da sie gewissermaßen unzurechnungsfähig und noch dazu krank sei wäre es grob unbillig sie hinter Gitter zu schicken.

Da ist sie aber an die Falschen geraten: der Staatsanwalt drückte sein Bedauern aus, dass lediglich die Angeklagte in Berufung gegangen ist und es bei der Staatsanwaltschaft versäumt worden sei, ebenfalls die Berufungsinstanz anzurufen. Es ist nämlich so, dass nur dann eine höhere Strafe verhängt werden kann, wenn der Staatsanwalt unzufrieden ist, legt dieser keine Berufung ein, darf das Urteil in zweiter Instanz nicht höher ausfallen als in erster. Jedenfalls meinte der Staatsanwalt, die Angeklagte sei doch sehr gut weggekommen angesichts von 14 Vorstrafen und der besonderen Dreistigkeit, das Geld der Versicherung eingestrichen zu haben, ohne es pflichtgemäß an den Arzt weiterzugeben.

Also beantragte die Staatsanwaltschaft wieder sechs Monate ohne Bewährung mit der süffisanten Bemerkung, die Angeklagte könne doch froh sein, hinter Gitter zu kommen, da könne sie keine  neuen Schulden aufhäufen, und überhaupt, im Gefängnis gäbe es hervorragende Ärzte, die sie dort sogar für sie kostenlos behandeln würden. Da hätte sie doch letztlich sogar noch gespart.

Dieser Argumentation konnte sich der Richter offensichtlich auch nicht entziehen, das Urteil fiel damit so aus: die gute Frau darf ihre sechs Monate absitzen.

Für den Arzt ist es gut ausgegangen, er hat sein Geld bekommen – ob der Anwalt sein Honorar eintreiben kann, steht wohl in den Sternen. Und ob´s der Frau wirklich hilft, dass sie hinter Gitter kommt, man weiß es nicht. Jedenfalls wird der Steuerzahlen damit heftig belastet, deutsche Gefängnisse bzw. Strafgefangene kosten mächtig viel.

Was sich weder Staatsanwalt noch Richter verkneifen konnten  in der öffentlichen Verhandlung: sie haben darauf sehr deutlich hingewiesen, dass es beim nächsten Mal so richtig Zoff gibt, da käme sie bestimmt nicht mehr so glimpflich davon, man wolle sich den Fall ganz genau merken…

Dazu noch eine Information: die Akten liegen bei der Staatsanwaltschaft sicher im Tresor, sie werden digital verwaltet (also kriegt man die Vita eines Angeklagten ohne Aufwand rasch auf den Bildschirm), und auch die Richter verfügen über ein eigenes Informationssystem, über das sie sogar Verurteilungen erkennen können, die noch gar nicht beim Staatsanwalt gelandet sind, weil zu frisch.

Das sollte man sich merken: ein Strafverfahren ist ein probates Hilfsmittel, Geld von säumigen Patienten einzutreiben, denn, das fürchten die: das gute und lang anhaltenden Gedächtnis der Justiz!