Kieferorthopädische Prophylaxe bei
Säuglingen und Kleinkindern
Malokklusion kann auf genetische Faktoren zurückzuführen oder auch durch Habits im Säuglingsalter erworben
sein. Typisch in diesem Zusammenhang ist das Daumenlutschen, das bei nicht nur zur Malokklusion (Dysgnathie),
sondern auch zu einer skelettalen Deformation des Palatums führen kann.
Text: Dr. med. dent. Gerhard Hetz
Daumenlutschen entsteht aus einem
natürlichen Saugbedürfnis des Kindes.
Das alleinige Stillen genügt dem
Saugbedürfnis des Kindes im Allgemeinen
nicht oder nicht in ausreichendem
Maße. Etwa 70 Prozent der Kleinkinder
in den Industrieländern zeigen ein
Saugbedürfnis auch über die reine
Nahrungsaufnahme hinaus. Stellt man
kein geeignetes Mittel zum Saugen zur
Verfügung, wird der Daumen benutzt.
Deshalb ist aus Sicht zahnärztlicher
Prophylaxe der Einsatz kiefergerecht
geformter Beruhigungssauger empfehlenswert.
Das Wachstum der Mandibel, das beim
Stillen durch das Saugen und die Melkbewegung
des Unterkiefers induziert
wird, muss entsprechend gefördert
werden. Das raschere Wachstum des
Maxillarknochens sollte durch gezielte
Stimulation der Mandibel egalisiert werden.
Für das US-amerikanische “Journal
of Orthodontics and Orofacial Orthopedics”
kommt dem kiefergerechten
NUK Sauger sogar die Bedeutung eines
kieferorthopädischen Instruments zu.
Bei einer Fachtagung im August 2010 in
Hamburg wurden aktuelle Erkenntnisse
zu dieser Thematik vorgetragen und
diskutiert. Dr. Hubertus von Treuenfels,
praktizierender Kieferorthopäde aus
Eutin, fordert einen Sauger, der im
vorderen Teil ein nach oben gewölbtes
Lutschteil mit flacher Basis enthält. Damit
könnten die physiologische Zungenbewegung
und gleichzeitig der korrekte
Lippenschluss erhalten bleiben.
Dr.med. dent. A. Müller und Prof. Dr.
Dr. W. Balters haben ihre Erkenntnisse
in Form gegossen und den NUK Sauger
entwickelt, dessen Wirksamkeit bis
heute unbestritten gut belegt ist.
Dr. Christoph Herrmann, Privatinstitut
für ganzheitliche Zahnheilkunde Heidelberg,
betont die von Balters postulierten
Gesetzmäßigkeiten einer der Funktion
folgenden Physiologie und Form. Die
Zunge formt den Kieferbogen, und
wenn die Zunge eingeengt oder in eine
falsche Lage gezwungen wird, so hat
das Folgen für die Kieferentwicklung
und für die Sprachfunktion sowie den
korrekten Lippenschluss.
Die Form des kiefergerechten
Beruhigungssaugers
ist der mütterlichen
Brustwarze in Stillfunktion nachempfunden
und passt sich dem Kiefer
ergonomisch an. Je nach Alter des
Kindes ist eine Größenanpassung des
Beruhigungssaugers nötig. Deshalb gibt
es Beruhigungssauger in drei Größen
(0-6 Monate; 6-18 Monate und ab 18
Monaten).
Der Aspekt der Frühgeborenen fand
besondere Beachtung: Da diese meist
enteral ernährt werden müssen, bietet
sich ganz besonders der Einsatz eines
Beruhigungssaugers an. Nach Pinelli
sind diese Säuglinge signifikant ruhiger,
physiologisch stabiler und zufriedener,
wenn sie parallel zur Ernährung einen
Beruhigungssauger erhalten.
Dieser dient auch dem Erlernen der
beim Frühgeborenen ungenügend
ausgeprägten Koordination der Saugreflexe,
was im Ergebnis dazu führt,
dass Babys mit Beruhigungssaugern in
der Regel früher aus der stationären
Behandlung entlassen werden können
als Babys ohne dieses Hilfsmittel. Sie
nehmen auch rascher an Gewicht zu.
Priv.-Doz. Dr. Thomas Stamm, Universitätsklinikum
Münster, Fachzahnarzt für
Kieferorthopädie, trug auf der Tagung
vor, dass wegen der Besonderheiten in
solchen Fällen der Größe des Saugers
eine besondere Rolle zukäme. Insbesondere
Frühgeborene haben einen sehr
kleinen, weichen und leicht verformbaren
Kiefer. Ein spezieller Sauger
von z.B. NUK ist in Kliniken bereits im
Einsatz.