Zimmer

 

5. Zimmer Implantologie Tage

Highlight im Düsseldorfer Hilton

Am 7. und 8. Mai fanden sich immerhin fast 500 – ganz genau 496 – fortbildungsinteressierte Zahnmediziner zur Wochenendarbeit ein: Fortbildung ist Arbeitszeit, man könnte ja auch etwas anderes anfangen mit seinem freien Wochenende. Weitere 85 Zahnärzte nutzten die Chance in Workshops den Kollegen über die Schulter zu schauen und so intensiv Lerninhalte zu verinnerlichen. Die Zahl an Teilnehmern gibt einen enorm positiven Trend wieder – 2006 waren es noch 200 Teilnehmer, nun also das halbe Tausend.

Vergleicht man dieses Fortbildungswochenende – mit dem regen Gedankenaustausch mit Kollegen und den Praktiker gerecht aufgebauten Inhalten – mit den Veranstaltungen anderer Anbieter fällt eines besonders auf: die Zufriedenheit der Seminarteilnehmer war enorm hoch, und die haben verglichen…

Aber, alles der Reihe nach. Zimmer ist ein weltweit operierendes Unternehmen mit Schwerpunkt Orthopädie – und Zimmer Dental ist der Ablege r, der sich um Zahnheilkunde kümmert, mit weltweit 700 Mitarbeitern. Da können Synergien genutzt werden. So befindet sich momentan ein für Zahnimplantate neues Materialkonzept in den klinischen Studien, das von Hüftprothesen abgeleitet wurde. Wir alle wissen, dass die Entwicklung in stetigem Fluss ist und die Forschungs- und Entwicklungskosten der limitierende Faktor jeglicher Weiterentwicklung sind – da nutzt die Größe und Ausrichtung eines Konzerns sicherlich Kosten einzusparen bzw. wegen insgesamt kostengünstiger Entwicklungsarbeit raschere und bessere Ergebnisse zu erhalten. Getestet wird derzeit eine Oberfläche, die analog der Knochenstruktur aufgebaut ist. Bei Hüftendoprothesen hat sich diese Oberfläche als sehr vorteilhaft erwiesen, die Knochenapposition läuft wie bei beim natürlichen Knochen ab, so dass sich eine besonders stabile Verbindung am Interface ausbildet.

Weitere Neuentwicklungen, vorgestellt anlässlich der Fortbildungsveranstaltung, sind ein intelligenter Bohrerstop, mit dem kosteneffizient die Frästiefe des Implantatbetts eingestellt werden kann („klick & go“), die Zimmer Guided Surgery Software ist nun kompatibel mit allen marktgängigen Systemen und fungiert so als offenes System. Ebenso neu sind die ERA Miniimplantate, die ab Mitte des Jahres verfügbar sein werden und die speziell der Prothesenstabilisierung z.B. bei Cover Dentures dienen. Diese Minis sind einteilig – und die Kurse dazu sind ausgebucht, ein Zeichen dafür, dass hier einem Bedürfnis entsprochen wurde. Zunehmend ältere Patienten wollen einen fester sitzenden Zahnersatz ohne langwierige und belastende Augmentationen.

Zu den Neuigkeiten gehört auch HemCon, ein aus der Militärmedizin hergeleitetes Präparat zur raschen Blutstillung (wird als Dentalverband eingesetzt). Und letztlich wurde ein Sinusliftballon entwickelt, mit dessen Hilfe die Wahrscheinlichkeit für eine Verletzung der Kieferschleimhaut gesenkt werden kann.

Nun reicht es ja selten aus, nur Produkte – „Hardware“ – anzubieten, es gehören auch Anwenderschulungen – „Software“ – dazu, um ein Implantatsystem erfolgreich zu machen. Deshalb hat Zimmer auch schon vor geraumer Zeit das erste Zimmerinstitut in Carlsbad, Kalifornien, gegründet, ein weiteres folgte in Winterthur/Schweiz, und aktuell entstand das dritte in New Jersey.

 

Um all die Produkte auch richtig einsetzen zu können, sollte man Kurse in den Zimmerinstituten belegen – dort kann man zuerst am Phantomkopf üben, und was wichtig erscheint, man bekommt die Chirurgie und die Prothetik an einem Wochenende geboten, das spart Zeit und Kosten. Solche Kurse laufen derzeit 26, nächstes Jahr ist die Maximalzahl von 33 in Winterthur angepeilt.

Dies alles war nur „Beimusik“, die eigentliche Tagung eröffnete eine Art Handwerkerband, da wurde mit allerlei nützlichen Werkzeugen (z. B. Leitern, Fässer etc.) Musik gemacht – eine Einstimmung auf unser Thema (Zahnärzte werden ja gerne als „akademische Handwerker“ angesehen).

Schon im ersten Sitzungsteil wurden vom Vorsitzenden unsere Bemühungen auf den Punkt gebracht: die Patienten haben einen Anspruch auf Lebensqualität, und mit Implantaten können wir „ihnen ihre Würde zurückgeben“. Das ist der wesentliche Punkt: in der Zahnheilkunde kann es nicht ständig um noch mehr Einsparungen gehen – wir geben Lebensqualität, und die kann man schlecht in Euro und Cent messen.

Ein richtiger Hochkaräter war natürlich der erste Referent, Prof. Hannes Wachtel. Wachtel bietet Wissenschaft und Praxis in Kombination, das hat man nicht immer. Und Wachtel hat sozusagen die Richtung der Tagung vorgegeben: wir müssen uns auch und insbesondere den Fehlschlägen unserer Arbeit stellen, denn super Ergebnisse kann jeder vorzeigen, es geht jedoch mehr um den Alltag, und da sind Misserfolge der Maßstab: man muss sich stets die Frage stellen, was mache ich, wenn was schief geht?

So hat er sich am Beispiel eigener Fälle einigen Fehleinschätzungen gewidmet. Man ist ja tatsächlich bisher davon ausgegangen, dass die Sofortimplantation dem Erhalt von Alveolarknochen und Weichgewebe förderlich sei. Hier hat Wachtel einen Patientenfall gezeigt und diskutiert, in dem nach Extraktion und Sofortimplantation acht Jahre post op eine unübersehbare Gingivarezession eingetreten war – und das im besonders sensiblen Bereich mittlerer Incisivus. Den enttäuschenden Befund konnte der Referent dann mit klinischen Studien hinterlegen. Extraktionen führen zwingend zu Knochenverlust, und die Sofortimplantation hat dann freiliegende Implantatkörper zur Folge. Für die Praxis bedeutet das: will man die notwendige Ästhetik dauerhaft erhalten, darf man den Zeitfaktor nicht vergessen – der labiale Gingivarand retrahiert. Um hier gegenzusteuern sollte der labiale Knochen verdickt werden, ebenso wie das Weichgewebe. Dazu muss man von der Idee möglichst großer Implantatdurchmesser abrücken, leicht nach palatinal versetzt implantieren (dadurch entsteht ein Spalt nach labial, den man mit Ersatzmaterial, Knochenspänen und Eigenblut auffüllt) und sich dem soft tissue profile widmen, z.B. durch Bindewebetransplantat o.ä. Die Verdickung des Weichgewebes in Verbindung mit einem dickeren facialen Knochen hat eine deutlich stabilere Situation zur Folge. Bereitet man das Implantatbett so vor, so hat man nach cá drei Monaten etwa 30 Prozent Verlust, aber danach eine stabile Ausprägung. Berücksichtigt man dies vorab, so erreicht man ästhetisch hervorragende Ergebnisse. „Dicke ist gleich Höhe“ – das muss bei der roten Ästhetik stets beachtet werden.

Ein anders Problem betrifft die angestrebte Augmentation bzw. GBR. Hier wurde dem Auditorium ein UK-Fall exemplarisch vorgestellt. Der Misserfolg: trotzdem vermeintlich alles richtig gemacht wurde (Knochenspäne, Ersatzmaterial, Eigenblut unter Kollagenmembran und darüber ein sicherer Verschluss) fand sich trotzdem sechs Monate post op keine Regeneration bzw. kein Knochengewinn. Auch hier diskutierte Wachtel auf wissenschaftlicher Basis seinen eigenen Fehlschlag. Für eine GBR elementar sind die Faktoren Biokompatibilität, Gewebeintegration, Zelloklusivität, klinisches Handling und Raum sowie in jedem Fall ein absolut dichter Verschluss. Eine Dehiszenz bedeutet stets Infektion mit der Folge des Fehlschlags. Und natürlich muss Raum für die Knochenneubildung da sein, und wenn die Membran den Raum nicht offenhält oder die Naht nicht spannungsfrei liegt gewinnt man nichts. Dabei ist – da waren sich alle Referenten einig – Kollagen als Membran besser als das e-PTFE. Titanmesh zur Raumstabilisierung wäre jedenfalls auch besser als e-PTFE. Bei den verfügbaren Membranen hat man das Problem, dass eine sehr gute Biokompatibilität oftmals mit zu rascher Resorption einhergeht, Wachtel hat da schon Kombinationen von Bioguide und Ossix ausprobiert (die haben unterschiedliche Eigenschaften, die man so in einer Art Synergie optimieren kann). Bei den Knochenersatzmaterialien tendieren alle Referenten zu Puros (wird von Zimmer vertrieben), ein Material aus humanem Knochen, das naturgemäß die ideale Struktur zeigt.

Die Münchner Gruppe um Bolz und Wachtel hat auch ein Therapieprotokoll zur Stabilisierung eines Regenerats – um den Wangendruck aufzunehmen transplantieren sie kleine Knochenblöcke. Generell gilt, dass Knochen mit Compacta weniger gut geeignet ist – Compacta ist praktisch ohne jede Durchblutung und kann deshalb kaum alia loco integriert werden. Knochentransplantat bzw. -augmentat sollte stets so viel als möglich spongiös sein.

Das Münchner Konzept (klar, parodontologisch ausgerichtet!) stellt den Zahnerhalt auch stets über die mögliche Implantation – der natürliche Zahn ist nach Endo bzw. Paro, so weit diese möglich sind, stets dem Implantat überlegen, so die Botschaft.

Im Fall eines mittleren oberen Schneidezahns war wegen Wurzelfraktur diese Möglichkeit ausgeschlossen – also wurde extrahiert, danach die Alveole stabilisiert mit Hilfe von Knochenersatzmaterial und Weichgewebstransplantat (zur Verdickung) und darüber mit einer Marylandbrücke temporär versorgt. Nach sechs Wochen war der erwartete Knochenverlust eingetreten, allerdings konnte dann nach sechs Monaten sehr schön die Papille aus dem stabilisierten und verdickten Mucosaanteil gewonnen werden.

Für eine ästhetische Implantatlösung in der Front hat die Tagung Therapieprotokolle geliefert, die beweisbar gute Ergebnisse zeitigen – für Praktiker eine besonders wertvolle Hilfe. Patienten wollen ja keine Implantate, sie wollen festsitzende Zähne, denen man nicht ansieht, dass es Prothesen sind. So wurde ein Frontzahnfall vorgestellt, bei dem bereits Knochendefekte vorlagen. Hier wurde mit Puros, Eigenknochen und darüber einer Kollagenmembran sowie (das ist wichtig) einem dichten Wundverschluss (der Mucosalappen erhielt eine Periostschlitzung zur Entlastung; nur spannungsfreie Nähte bieten eine Gewähr dafür, dass nicht gleich Dehiszenzen alle Mühe konterkarieren) die GBR dokumentiert. Proben nach 4, 6, 9 und 12 Monaten post op zeigen einen regulären Heilungsverlauf mit permanenter Neubildung von Alveolarknochen. Nach nur 6 Monaten zeigte die Histologie bereits 80 Prozent, nach 12 Monaten 95 Prozent ausgereiften Knochen.

Dies bestätigten alle Referenten: die Biologie gibt die Regeln vor. Dr. Ole Richter postulierte auch: „Ästhetik ist kein Luxus, Ästhetik ist Teil der Funktion“. Deshalb wurde auch der Darstellung der Zusammenhänge sowie der entsprechenden Therapieprotokolle viel Platz eingeräumt.

Wichtig ist, dass man möglichst wenig traumatisch extrahiert – von der gewohnten Luxation sollte man sich verabschieden -, der zu extrahierende Zahn sollte ähnlich einem Flaschenkorken mit intelligenten Geräten (da stehen einige zur Verfügung) aus der Alveole gehoben und nicht gehebelt werden. Trotzdem ist stets eine Atrophie zu erwarten, die bis zu 1,9 mm beträgt. Insofern ist die Sofortimplantation im ästhetisch wichtigen Bereich ungünstig. Man sollte umgekehrt die Alveolen durch Einbringen z.B. von Bio-Oss oder anderen augmentativen Materialien für die spätere Implantation verbessern – die gezeigten Bilder waren dazu recht eindrucksvoll. Ole Richter geht so vor, dass frühestens nach 12 Wochen post extractionem Implantate gesetzt werden. Und: die 3D Diagnostik scheint bei den führenden Implantologen mittlerweile Standard zu sein, damit kann der ideale Zeitpunkt ebenso wie die ideale Implantatbettpräparation viel besser geplant werden. Bei Defekten hat sich auch das Einbringen einer Membran und darüber (üb er die Alveole) die Fixation eines freien Schleimhauttransplantats (fixiert mit 4 bis 6 Nähten, kreuzweise vernäht) bewährt, zur Anwendung kommt resorbierbares Nahtmaterial. Eine Kontinuität von Epithel wirkt der Resorption entgegen und führt zur angestrebten Verdickung der Mucosa. Und wenn man ausreichend Material für die rote Ästhetik verfügbar gemacht hat, kommt es noch darauf an, die Papille richtig auszuformen – dazu wird ein richtig geformtes Provisorium eingesetzt.

Dr. Georg Bayer, amtierender Präsident der GOI und Inhaber einer implantologischen Großpraxis in Landsberg/Lech – die Praxis implantiert weit mehr als 3000 Implantate jährlich – fand die richtigen Worte in seinem humorvollen und vom Auditorium begeistert aufgenommenen Referat: die Zahnextraktion stellt eine Amputation dar, hier wird ein Organ dem Körper entnommen, und dessen müssen sich die Zahnärzte stets bewusst sein. Schon in der Planung der Amputation muss deshalb bereits die Therapie bedacht werden: was soll an Stelle des extrahierenden Zahnes stehen? Die provokante Frage nach der Frontzahnbrücke ist symptomatisch: wie soll man damit wirklichen Zahnersatz herstellen, wie eine so perfekte Ästhetik erreichen, dass die Lebensqualität nicht beeinträchtigt wird? Auch Bayer sieht das so wie alle anderen Referenten: wir müssen danach streben, unsere Arbeit unsichtbar werden zu lassen. Dazu gehört auch, dass wir eine vorhersagbare weiße und rote Ästhetik anstreben. Insbesondere die rote Ästhetik hat dabei riesige Fortschritte gemacht – mittlerweile beschäftigen sich die führenden Implantologen neben der Kontur auch mit der Gingivatextur, der Farbe usw. – dies ist gar nicht so simpel, da wir ja keine Gingiva um das Implantat haben sondern Mucosa, und auch der Knochen schaut beim Implantat ganz anders aus als beim Zahn – dünn auslaufende Lamellen sind beim Implantat ebenso unmöglich wie lange Gingivalsäume. Und Bayer hat explizit drauf hingewiesen: „Ästhetik ist immer anders“, will heißen, individuell. Auch der GOI Präsident betont, dass die Planung einer Extraktion die Therapie beinhalten muss – hier stehe man am Scheideweg: Sofort- oder Spätimplantation oder irgendwo dazwischen. Wichtig ist, das haben neuere Erkenntnisse gezeigt, dass wir die Natur, die Physiologie und Anatomie, als Gegner der Implantologie ansehen müssen. Denn, ein „Bindeknochen“ mit inserierenden Sharpey´schen Fasern, den finden wir nun mal beim Implantat nicht vor – der aber bestimmt die Ästhetik beim natürlichen Zahn. Und Bayer kommt zum Schluss: die Sofortimplantation, die funktioniert nicht wirklich. Aus der Erfahrung ungezählter Implantationen hat die Landsberger Praxis einige wertvolle Tipps für das Therapieprotokoll für die Kollegen bereit: Stets nach Extraktion (Extraktion so atraumatisch wie irgend möglich) die Alveole sorgfältig sondieren, je nach Fall eine Alveolenversorgung vornehmen (zum Erhalt von Knochen und Weichgewebe), darüber temporäre Versorgung mittels Klebeprothetik. Die Klebeprothetik hat den Vorzug, dass nicht nur die Alveole gut geschützt wird, man kann auch damit die rote Ästhetik vorbereiten.

Ein griffiger Slogan Bayers ist „Der Alveolarknochen ist die Witwe des extrahierten Zahnes“ – könnte man kaum treffender formulieren. Die Folge der Extraktion: wegen Verlust des Bindeknochens beobachten wir innerhalb von drei Monaten post extractionem 2-3 mm Verlust an Knochenhöhe, bevorzugt an dünnen Knochenlamellen, wie wir sie z.B. in der OK-Front generell vorfinden. Wurde der Zahn nach Aufklappung entfernt verlieren wir zusätzlich mindestens 1 bis 2 mm an Höhe. Bayers Rat: achten Sie auf breite bukkale Lamellen! Dies gilt insbesondere bei Sofortimplantation – und: achten Sie auf den Mindestabstand zum Nachbarzahn bzw. Nachbarimplantat. Da hat sich auch ein Paradigmenwechsel ergeben: meinte man früher man müsse möglichst viele Implantate setzen (optimal so viele Implantate wie vorher Zähne), so begrenzt die Biologie dieses Ansinnen zur Devise weniger ist mehr. Auch eine eingängige Empfehlung ist „Zeit spart Nerven“, also lieber die geschlossene Einheilung abwarten und dann mit deutlich besserer Vorhersagbarkeit implantieren (verzögerte Sofort-Implantation). Nach Extraktion empfiehlt Bayer – ebenso wie die anderen Referenten – die GBR als „wichtigste Maßnahme in der Front“, und kein Knochenersatz könne die GBR toppen. Als Negativbeispiel eigener Erfahrungen hat der Referent einen Fall von Sofortimplantation in der Front gezeigt, bei dem bei der Nachkontrolle massive Dehiszenzen aufgetreten sind, wobei das gesetzte Implantat im Ergebnis bukkal bzw. labial fast vollkommen frei lag. Die Diskussion dazu: ausreichend Knochendicke ist notwendig, und die liegt nach Extraktion praktisch nie vor. Bayer kann begeistern – das Auditorium ging voll mit, insbesondere als er Zweifel an den in der Literatur vorzufindenden Daten äußerte. Bayer: „Die beste Augmentation ist die vermiedene Augmentation“. Bei älteren Patienten und im Seitenzahngebiet ist die Augmentation in Frage zu stellen, denn der Erfolg sei doch fraglich. Dieser ist stets individuell – abhängig von Situs, Technik, apparativer Ausstattung, persönlichen Fertigkeiten des Operateurs, Compliance und vor allem Glück. Jedoch, so Bayer: Mißerfolge sind dazu da, zu lernen und (Zahn)Ärzte noch besser zu machen.

Die weiteren Referenten arbeiten, so zeigt sich, ziemlich auf gleichem Niveau, die Techniken ähneln sich sehr. So stellt auch Dr. Thorsten Kamm einen exemplarischen Fall vor – UK Front, parodontal schwerst erkrankt, mit massiven Knochendefekten schon in der Planung vor Extraktion am Röntgenbild gut erkennbar. Der Lösungsweg ging über Socketpreservation und einem Gingivatransplantat zur Weichgewebsvermehrung. Kamm legte nochmals deutlich dar, dass die Blutversorgung beim ankylotisch eingeheilten bzw. einheilenden Implantat deutlich schlechter ist als beim Zahn – er gibt etwa ein nur Drittel an – weshalb der Durchmesser eher kleiner zu wählen sei und vor allem die Implantatposition richtig, d.h., mit ausreichend Distanz zum Nachbarn bzw. mit ausreichender Knochendicke (keine dünn auslaufenden Knochenlammellen) geplant werden muss. Die bukkale Wand darf laut Kamm nie unter 2 mm betragen, besser sind 3 mm, und der Abstand zum Nachbarn muss mindestens 3,5 bis 4 mm betragen. Kamm setzt gerne die Zimmer One-Piece Implantate ein, mit einer Standardgröße bis max. 3 mm. Dies wurde in Tierversuchen als optimal erarbeitet. Kamm arbeitet auch gerne mit einem Rolllappen, so kann man von palatinal Material gewinnen. Auch er rät dringend, das Beratungsgespräch mit den Patienten sehr intensiv zu führen.

In die gleiche Kerbe schlägt auch Dr. Matthias Stamm, der radikal Patienten mit ungenügender Compliance ausselektiert: „Ohne Prophylaxe kein Implantat“. Die von allen (!) selbst durchgeführte und den Kollegen angeratene Planung ist im Rahmen eines praxisinternen QM umsetzbar, sonst wohl kaum, dazu sind die Regeln zu streng. Nur, der Erfolg gibt den erfolgreichen Kollegen Recht. Auf einen wichtigen Punkt ist dann Stamm noch eingegangen: arbeitet man mit überweisenden Kollegen zusammen, dann muss die Aufgabenteilung eindeutig geklärt sein – „wer ist wofür verantwortlich“. Der amerikanische Kollege Dr. Henry Salama hat dann den Eindruck verstärkt, dass die Wissensvermittlung auf dem Symposium den aktuellen Stand wiedergibt – auch der Amerikaner arbeitet minimal invasiv (insbesondere bei der Extraktion), vermeidet die Aufklappung und setzt zur Unterstützung Antibiotika ein (so zementiert Salama die temporäre Versorgung nicht, sondern setzt mit einer Antibiotikapaste ein). Durch die entsprechende Vorgehensweise sei das ästhetische Ergebnis mit einer hohen Wahrscheinlichkeit vorhersagbar.

Salama bevorzugt eine feste Verbindung zwischen Implantat und Abutment und reduziert damit das Auftreten der typischen kraterförmigen Einbrüche rund um das Implantat, das zu unangenehmen ästhetischen Problemen führt (wenn Titan grau durchschimmert ist das eben unschön). Salama bevorzugt Keramikabutments – wie die Übrigen auch – und typisiert seine Fälle: er analysiert eigene Fehlschläge so, dass eine Fehleinschätzung (also falsche Typisierung) dazu geführt habe, dazu stellt er einen Fall vor, in dem statt eigentlich Typ 2 (labialer Defekt) ein Typ 1 diagnostiziert worden war (Typ 1 ist die einfachste Variante, mit vollkommen unbeschädigten Verhältnissen und ausreichend Knochendicke in allen Dimensionen). Nur bei Typ 1 sei die Sofortimplantation überhaupt denkbar, so Salama. Die einrucksvollen Bilder zeigen stets die Schonung des labialen Knochenraums – das Implantat wird nach palatinal versetzt eingesetzt, so bleibt ein Spalt nach bukkal bzw. labial, der mit geeignetem Material aufgefüllt wird. So ist sich der amerikanische Kollege sicher dass er immer ausreichend Knochendicke nach labial erhält.

In der Diskussion wurde naturgemäß die auf uns zurollende Welle an Periimplantitsfällen intensiv besprochen – hier sind erste Lösungsansätze erkennbar: strahlen, ätzen und Laser werden als erfolgversprechend angegeben. Nach Konditionierung der Implantatoberflächen wird mit Knochenersatzmaterial aufgefüllt, da sind sich Alle einig.

Zum krönenden Abschluss hat dann noch der Weltklasseschwimmer Michael Groß seine ganz eigene Sicht, wie man sich selber motivieren kann, vorgetragen. Groß hat – so ist seine feste Überzeugung – aus jeder Niederlage, aus jedem Fehlschlag, neue Kraft gesammelt für den nächsten Wettkampf – und, das hat er auch den Zahnärzten angeraten. Nur nicht entmutigen lassen, wenn mal was nicht so klappt wie gewünscht…

Dr. Gerhard Hetz, München
 

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