IDS Abschlöussbericht






IDS 2009:

Daten und Fakten

Nach fünf Messetagen schloss die 33. Internationale Dental-Schau Köln mit einem Plus bei Ausstellern, Besuchern und Fläche. Mehr als 1820 Aussteller (+ 4,5 Prozent) aus 57 Ländern – Auslandsanteil 65 Prozent und mehr als 10 Prozent Steigerung der internationalen Ausstellerzahlen – auf 138.000 Quadratmetern Ausstellungsfläche (+ 6,2 Prozent) und ein Besucherzuwachs von insgesamt 6,9 Prozent bei Besuchern aus Inland und Ausland bescherten ein Auftragsvolumen, das vielfach weit über den Erwartungen lag.

Laut Herstellern gab es mehr als 1100 Präsentationen, Neuheiten und Weiterentwicklungen zu sehen. Dabei sind laut Dr. Martin Rickert (VDDI) drei Haupttrends auszumachen. Erstens: natürliche Zähne werden durch frühe und umfassende Diagnostik und minimalinvasive Behandlungsmethoden so lange wie möglich erhalten. Zweitens: wenn Zahnersatz nötig, soll er möglichst naturgetreu aussehen und höchste Ästhetik und Funktionalität bieten.
Drittens: die Digitalisierung und Vernetzung von Praxis und Labor steigert die Effizienz in der wirtschaftlichen Herstellung von Zahnersatz .

Und was gibt’s wirklich Neues?

Was konnte der Zahnarzt bei einem Messerundgang mitnehmen? Nun ja – sensationelle Innovationen (wie z.B. die Einführung von CEREC) hat es keine gegeben. Bestehende Systeme wurden weiterentwickelt, manche Dinge wurden sogar billiger (!), nur die seit Jahrzehnten versprochenen Neuerungen – Beispiel: schrumpfungsfreie Komposit-Füllungsmaterialien – haben wir wieder nicht gesehen. Nur die Preise sind mal wieder angehoben worden. Da haben parallel Ivoclar und Dentsply neue Füllungsmaterialien vorgestellt, die bei genauerer Betrachtung bereits 1/3 des Gesamthonorars kosten sollen (bezogen auf den BEMA). Kann sich die Kassenpraxis nicht mehr leisten, es kann also nur was für den Export gewesen sein. Oder, ein Hersteller (Dentaurum) hat ein aufwändiges und damit teures System für die hygienische Wiederaufbereitung von Implantatbohrern vorgestellt. Das System entspricht in allen Punkten den Anforderungen der RKI-RiLis. Super, würde man meinen. Nur: Herstellerseits sind nur 5 Wiederaufbereitungen zugelassen (diese Auskunft erhielt der Autor auf Nachfrage auf der Pressekonferenz), da fragt man sich natürlich, was das dann kostet. Denn, Implantatbohrer kann man ja nur dann laut GOZ berechnen, wenn es sich um Einmalbohrer handelt (per Rechnung nachgewiesen beim einmaligen Gebrauch abgenutzt, siehe auch BGH 2002 uir Berechnugn von Verbrauchsmaterial beim Zahnarzt) . Der Zahnarzt, der solche Bohrer wiederaufbereitet schädigt sich also massiv selber, weil er ja auf den Kosten sitzen bleibt, während der intelligentere Kollege die Kosten an den Patienten bzw. die Versicherung weitergeben kann. Das vorgestellte Hygienesystem kann also wohl nur auch für den Export gedacht sein…

Man hat sehr viel internationales Publikum getroffen, dem persönlichen Eindruck nach waren deutsche Zahnärzte eine Minderheit – offizielle Zahlen dazu habe ich allerdings nicht, es handelt sich nur um subjektive Eindrücke. Insofern war die Messe wohl ein wirklich toller Erfolg – die globale Wirtschaftskrise hat sich zumindest hier (die Absatzzaheln zeigen es) nisher überhaupt nicht gespiegelt.

Etwas sehr Positives ist auf der offiziellen Pressekonferenz von GC Europa aufgefallen: Da trägt der Chairman von GC International vor, die Philosophie seines Unternehmens sei es, sich in den Kunden hineinzuversetzen und so eine maximale Anpassung an die Kundenwünsche zu erreichen. Das ist interessant: normalerweise erfindet die (Dental)Industrie irgendetwas, entwickelt es zur Serienreife (manchmal auch nicht so richtig), um es dann ohne Rücksicht auf die Situation der Kunden auf den Markt zu bringen – wir machen es, weil es möglich ist, und nicht, weil es gebraucht wird, so scheint man zu denken. Beispiele dafür haben wir genug gesehen.

Da ist es ein positiver Lichtblick, dass ein großer Hersteller eine andere Philosophie verkündet – und sich auch noch daran hält. Beispiel GIZ: GC hat tatsächlich Zahlen erarbeiten lassen, was eine Füllung aus Amalgam, eine aus Komposit und eine aus GIZ kostet. Und dann (von Seiten des Herstellers!) verkündet man: Komposit ist zu teuer, um „soziale“ Füllungen zu legen, im deutschen GKV-System (!) ginge das jedenfalls nicht. Als deutscher Zahnarzt hat man auf ein solches Bekenntnis seitens der Industrie Jahrzehnte vergeblich gewartet – danke an GC!

 Und noch eine interessante Verlautbarung: Orale Gesundheit und Gesamtgesundheit hängen zusammen! Kennt man so weder von seiten der Industrie noch der (Fach)Medien.

In englischsprachigen Ländern hat sich für die kariespräventive Betreuung der Begriff „minimal intervention dentistry“ eingebürgert. Darunter wird die umfassende Betreuung von Kariespatienten verstanden – ähnlich, wie sie seit Jahren in der Parodontalbehandlung üblich und erfolgreich ist. Unter „Minimum Intervention“ (MI) versteht sich die konsequente Weiterentwicklung des Präventionsgedankens zu einem medizinischen Praxiskonzept – so äußerte sich Prof. Elmar Reich.

Reich weiter: „Die Kunst der zahnärztlichen Praxisführung besteht darin, diese Prophylaxemaßnahmen für sehr unterschiedliche Patienten umzusetzen und sie dabei medizinisch und auch wirtschaftlich befriedigend zu organisieren. Für die Praxis bedeutet das, dass das MI-Konzept allen Patienten angeboten werden sollte, um die Karies sicher unter Kontrolle zu bringen und eine erneute Erkrankung zu verhindern“. 

„MI Treatment Plan“: praxistauglicher Therapieplan

Das „MI Advisory Board“, das auf Initiative von GC EUROPE im vergangenen Jahr gegründet wurde, hat die vorhandene wissenschaftliche Literatur zum Thema Kariesprophylaxe und ihre klinische Umsetzung in der Praxis in diversen Workshops ausgewertet – mit dem Ziel, einen praxistauglichen klinischen Therapieplan zu entwerfen. Der „Minimum Intervention Treatment Plan“ (MITP), ein systematischer und wissenschaftlich evidenz-basierter Praxisleitfaden zum Kariesmanagement, wird der Öffentlichkeit nun während dieser IDS erstmals vorgestellt.

Was kann man dem deutschen Zahnarzt noch von der Messe berichten?

Die optische Abformung ist heute Realität geworden – Patienten müssen nicht mehr mit Abformmaterial im Mund gequält werden, wenngleich dies für den Zahnarzt zusätzliche Kosten bedeutet. Die gewohnte Abformung ist jedenfalls billiger. Um einigermaßen kosteneffizient zu bleiben muss man sich entscheiden: entweder ganz digital oder ganz auf plastisches Material setzen.

Und weil bei den digitalen Arbeitsunterlagen das Labor der große Gewinner ist (normalerweise muss der Techniker ja von der Abformung bis zum Meistermodell im Artikulator sehr viele schlecht bezahlte Arbeitsschritte vornehmen) sollte man da schon mal verhandeln, wie weit sich das Labor an den Investitionskosten für die digitale Gewinnung der Unterlagen in der Praxis beteiligt. Sonst zahlt der Zahnarzt für die Arbeitserleichterung des Technikers – das kann so nicht richtig sein.

Material: wir wissen ja alle, dass immer mehr Patienten Angst haben vor Metall bzw. „Strömen“ oder „Blockaden“, verursacht durch Metall im Mund. Das mag uns unberechtigt erscheinen, ist aber so. Denen kann geholfen werden: die Technologien für vollkeramische Teile, seien es Implantate oder Kronen bzw. Brücken, kann man jetzt als ausgereift ansehen, dies hat die Messe gezeigt. Wir können also den Überängstlichen eine Alternative anbieten – alles auf Basis Zirkonoxid, der ersten Keramik mit ausreichend hohen Festigkeitswerten.

Auch auf dem Gebiet der Röntgendiagnostik hat´s wesentliche Fortschritte gegeben – ein rasanter Preisverfall bei 3D-Systemen eröffnet den Praxen interessante Möglichkeiten. Für Implantationen wird ja – so zeigen Gerichtsentscheide – die 3D-Diagnostik zur Pflicht, und da tut es gut, dass das bezahlbar wird.

Und last but not least werden parallel zu den teueren Füllungsvarianten nun auch verbesserte preiswerte Lösungen angeboten – GI-Zemente für den GKV-Bereich, Komposit für den Selbstzahler, das ist wohl die Richtung. Amalgam hat ja, obgleich das eigentlich ideale Material für die Sozialmedizin, leider heute keine Lobby mehr. Höre ich da „Zweiklassenmedizin“? Wer die schon lange existente Aufspaltung verhindern bzw. wieder abschaffen will hat nur zwei Möglichkeiten: entweder viel mehr Geld in das Gesundheitsewesen stecken, um Allen Alles bezahlen zu können, oder durch Egalisierung das Niveau auf eine Barfußmedizin abzusenken (bevorzugte Variante der derzeitigen Regierung). Letzteres dürfte auch nicht wirklich funktionieren – dann werden halt Zahlungen „unter dem Tresen“ getätigt, kennt man ja aus den vergangenen Tagen der DDR.

Fazit: die IDS hat uns gezeigt, was wir alles tolles vollbringen könnten, wenn es die Politik nur zuließe…

gh