GKV – wie aufwändig darf die Behandlung sein?

Kann Ästhetik GKV Leistung sein?

Der Begriff Ästhetik ist hergeleitet vom griechischen „aísthesis“ und bedeutet so viel wie „Wahrnehmung“. Den heutigen Begriff „Ästhetik“ hat der deutsche Philosoph Alexander Baumgarten eingeführt, der sich in  einem  zweibändigen Werk „Aesthetica“ (1750-58) mit Fragen von Schönheit und sinnlicher Wahrnehmung auseinandergesetzt hat und eine systematische, theoretische Basis finden wollte. Er definiert  Ästhetik als die „Wissenschaft der sinnlichen Erkenntnis“, und darauf basierend die philosophische Disziplin „Ästhetik“  im Sinne einer Wahrnehmung von Schönem, Vollkommenem, Erhabenem (aus Wikipedia).

Kosmetik (abgeleitet vom altgriechischen κοσμετικός kosmetikós, bzw. κοσμέω kosméo „ordnen“, „schmücken“) hingegen bezeichnet die Körper- und Schönheitspflege, was Erhaltung, Wiederherstellung oder Verbesserung der Schönheit des menschlichen Körpers zum Ziel hat.

Stellt man dem die Definition des SGB V gegenüber, dass Leistungen der GKV „ausreichend, das notwendige Maß nicht übersteigend und wirtschaftlich“ zu sein haben, so gibt es wohl keine Anhaltspunkte dafür, dass Kosmetik oder Ästhetik etwas in der GKV zu suchen hätten.

„Kosmetik“ jedenfalls ist sicher auszuschließen, dies geben die Verträge eindeutig vor. Wie ist es dann mit Ästhetik“?

Ästhetik und Kosmetik sind an sich prinzipiell das Gleiche: es wird Schönheit angestrebt. Ästhetik wird etwas präziser erklärt, es wird vom Begrifflichen her definiert, dass eine Empfindung bestimmt, was ästhetisch sei oder nicht. Damit ist der Begriff relativ – Mode und Zeitgeist bestimmen, was von einer Mehrheit als „ästhetisch“ angesehen wird. Beispiel: ist es in afrikanischen und muslimischen Ländern „ästhetisch“, möglichst viel Gewicht auf die Wage zu bringen, so war das bis vor Kurzem in den westlichen Zivilisationen ganz anders, „Hungerhaken“ bestimmten das Schönheitsbild der Gesellschaft. Dies befindet sich aktuell in einem starken Wandel. Die Frauenbewegungen haben sich überall auf die Fahne geschrieben, dass fette Frauen nicht „diskriminiert“ werden dürften, es gibt zunehmend „ mollige“ Models, und der Strömung folgend gibt es jetzt zusätzlich gesetzliche Einschränkungen, zu dünne Models sind verboten worden. Inwiefern staatliche Zwangsmaßnahmen wirkungsvoll den Geschmack der Massen zu verändern imstande sind wird sich zeigen.

Dass Ästhetik sehr relativ zu sehen ist, das zeigt ein kurzer Blick über die Grenzen. Während im Westen noch viel Geld ausgegeben wird für Fettabsaugung, wird (ebenfalls viel) Geld ausgegeben in Brasilien mit der etwas anderen Kultur. Den afrikanischen Wurzeln eines Großteils der Bevölkerung entsprechend werden dicke Hinterteile bei Frauen als höchst ästhetisch angesehen. Um so einen „Stockerloarsch“ zu haben geben Frauen ein Vermögen dafür aus. Und in westlichen Kulturen verdienen sich plastische Chirurgen derzeit eine goldene Nase mit der „Verschönerung“ der Brüste, trotz der Skandale um minderwertige Silikon-Implantate. Eine riesige Oberweite gilt eben als besonders „sexy“, wie bei Afrikanern der Stockerloarsch.

Eine begriffliche Abtrennung Kosmetik gegenüber Ästhetik ist de facto unmöglich. Aus diesem Dilemma leiten sich Probleme in der täglichen Praxis her. Beispiel Amalgam: Amalgam, zugegeben, wirkt in der Mundhöhle nicht übermäßig ästhetisch, wobei es auch hier Unterschiede in anderen Kulturen geben mag. International ist Amalgam nach wie vor d a s Füllungsmaterial, während in Deutschland eine gesundheitliche Bedenklichkeit erfunden wurde (in England ist AG nach wie vor Mittel der Wahl bei der Kavitätenversorgung, dort kommt kein Mensch von Verstand auf die Idee, man müsste es aus Gesundheitsgründen verbieten.

Während in vielen asiatischen Gesellschaften gesunde (!) Zähne mit Goldkronen überzogen werden, weil man das goldige Blitzen für besonders ästhetisch hält, gilt für die GKV, dass Frontzähne mit zahnfarbenem Material zu versorgen sind. Dabei wird tatsächlich vom BEMA vorgegeben, bis zu welchem Zahn zahnfarben versorgt wird und ab wann distal auch Metall genommen werden darf. Es ist eben problematisch, einen relativen Begriff „Ästhetik“ in Behandlungsrichtlinien umzusetzen, und noch problematischer ist es, die daraus resultierenden Kosten gerecht zu bestimmen.

Hat ein GKV Patient Anspruch auf eine hochwertige, im Mehrschichtverfahren hergestellte ästhetische Frontzahnfüllung? Nach den Ausführungen des SGB V gilt ganz klar: nein! Ebenso gibt es keinen Anspruch auf zahnfarbene Seitenzahnrestaurationen, Standardversorgung ist nach wie vor Amalgam. Nur für Patienten mit bestätigter Amalgamallergie (nicht vom Heilpraktiker, sondern vom Dermatologen bestätigt!) oder chronischer Niereninsuffizienz dürfen nach den BEMA Nummern 13 f – h durch Kunststoff versorgt werden.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass „normale“ Kunststoff-Füllungen erhebliche Nachteile aufweisen: der zwangsläufig entstehende Randspalt führt rasch zu Sekundärkaries, die wegen der Gewährleistungsvorschriften innerhalb von zwei Jahren ohne Berechnung ersetzt werden müssen. Die Bestimmungen des BEMA lassen hier Ausnahmen zu, allerdings gehen Wiederholungsfüllungen in die Leistungsstatistik ein. Dies ist insbesondere in Zeiten einer erheblichen Migrationsbewegung von Bedeutung. Menschen aus anderen Kulturkreisen haben, dies zeigen alle bisherigen Studien zu diesem Thema, eine deutlich erhöhte Kariesanfälligkeit. Damit fallen sehr viele Wiederholungsversorgungen an (falls man sich darauf einlässt, Kunststoff zu verwenden), die sich in der Leistungsstatistik niederschlagen, was unweigerlich – Vergleichsgrundlage ist der Landesdurchschnitt, und bei ungleicher Verteilung der „Flüchtlinge“ folgt zwangsläufig auch eine ungleiche Statistik – zum Prüfungsverfahren wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise führt, mit der Folge nicht unerheblicher Regressforderungen.

Die Praxis wäre gut beraten, sich auf die Prinzipien des SGB V bzw. BEMA zu besinnen und dem entsprechend korrekte Therapieprotokolle zu erstellen. Eine „private“ Abdingung ist illusorisch – schon mangels ausreichender Sprachkenntnisse der Zuwanderer wäre dies ein Ding der Unmöglichkeit, und das Schreiben einer Rechnung ist wohl auch sinnlos, die Leute haben ja gar kein Geld, und spätestens wenn ein Flüchtlingshelfer eine solche Rechnung sieht hat man dann richtig Ärger am Hals.

Neuerdings haben wir ein neues Problemfeld: immer mehr Menschen suchen Hilfe beim Psychotherapeuten nach. Noch nie waren so viele Einwohner Deutschlands psychisch so krank. Nun kann man gerne im Rahmen psychischer Störungen auch finden, dass mangelnde Ästhetik „krank“ macht. Daraus leiten sich dann Ansprüche her: die Therapie z.B. von Fettleibigkeit kann nicht nur durch körperliche Probleme, sondern auch aufgrund seelischer Leiden GKV Leistung werden. Nun können auch „hässliche“ Zähne als Ursache psychischer Störungen herausgearbeitet werden, mit entsprechenden Folgen. Hier sollte jedoch jedenfalls ein Nachweis zu den Akten gelegt werden: so wie ein Attest über Amalgamunverträglichkeit in die Patientenakte gehört, gehört hierhin auch ein Attest eines Psychotherapeuten, und wie beim Amalgam gilt, nur Ärzte mit entsprechender Zulassung können wirksame Atteste ausstellen, nicht Heilpraktiker oder andere Gurus.

Die PZR ist gottseidank heute kein Diskussionsthema mehr, die wird „privat“ abgerechnet. Meistens jedenfalls. Die GKV-Leistung „Zahnsteinentfernung“ umfasst jedenfalls keinesfalls die gründliche Reinigung.

Auch das Bleaching dürfte kaum als GKV Leistung gelten.

Auch beim Zahnersatz sind die Fronten heute weitgehend geklärt. Die Festzuschussregelung hat da viel Streit ausgeräumt. Und beim Härtefall, nun ja, da gibt der BEMA klar vor, welche Ansprüche der Patient hat.

Streitig sind nur die Seitenzahnfüllungen – hier müssen beide Seiten, Zahnarzt und Patient, sich an die Vorgaben des SGB V halten und von ihren Ansprüchen weg zur Realität finden.

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