Die zahnärztliche Befunderhebung und Dokumentation

2 Einleitung

Die Reihenfolge einer ärztlichen/zahnärztlichen Behandlung besteht in der Erhebung der Anamnese und der Erarbeitung des klinischen Befundes (evtl. einschließlich Röntgen). Daraus werden Diagnose, Therapie und schließlich der Verlauf abgeleitet. Viele niedergelassene Zahnärzte dokumentieren zu Beginn ihrer Behandlung im Aufnahmebefund jedoch lediglich, ob ein Zahn kariös, zerstört ist oder fehlt. Eine genauere Beschreibung mit Art und Lokalisation von Füllungen oder Brücken wird nur bei eigenen Behandlungen vorgenommen. Diese unvollständige Aufnahmedokumentation genügt den Anforderungen zahnmedizinischen Standards nicht.
Des Weiteren verwenden viele Zahnärzte bei ihren Aufzeichnungen Abkürzungsformeln, sodass es per Telefon, Telefax oder E Mail zu Rückfragen kommt, um Hieroglyphen zu entziffern [12].
Der lege artis erhobene Aufnahmebefund hat alle odontologischen Merkmale genau und lesbar zu erfassen [7].
Es kommt nicht so sehr auf die spezifische äußere Gestaltung an, aber alle Eintragungen sollten vollständig, detailliert und lesbar sein (Abb. 2).
#Abb. 2#

Die Qualitätsgrade von Informationen bezüglich des Vorhandenseins von zahnärztlichen Unterlagen zur Beurteilung sind sehr unterschiedlich. Dadurch können auch Identifizierungen erschwert bzw. unmöglich werden (Tab. 1) [1].
#Tab. 1#
 

Tab. 1
Einteilung der Qualitätsgrade von A-M-Informationen [1]

Grad 0 Keinerlei Informationen
Grad 1 Informationen ohne Karteikarte (keine schriftlichen Unterlagen)
Grad 2 Nur Karteikarten
Grad 3 Karteikarten, zusätzlich Einzel-Röntgenaufnahmen (unsystematisch)
Grad 4 Karteikarten, zusätzlich Bissflügel-Röntgenaufnahmen (bite-wing)
Grad 5 Karteikarten mit einer vollständigen orofazialen Begutachtung, zusätzlich OPG-Röntgenaufnahmen (oder ähnliche Techniken).

 

3 Die Befunderhebung

3.1 Der Erstbefund

Die Akzeptanz der EDV in den Zahnarztpraxen steigt zunehmend, nachdem die beleglose Abrechnung ab 1. Quartal 1997 eingeführt wurde. Hierdurch können wesentlich mehr Befunde schnell abgerufen werden. Ein vollständiger, alle odontologischen Merkmale genau erfassender Aufnahmebefund ist die Basis jeder zahnmedizinischen Tätigkeit. Die Regeln der zahnärztlichen Heilkunde erfordern die Erstuntersuchung nach diesen Kriterien [14].

 

3.2 Der 01 – Befund

Zur zahnärztlichen Dokumentation für die Abrechnung der Nr. 01 (entsprechend dem Bewertungsmaßstab für kassenzahnärztliche Leistungen) wird in Deutschland folgender Index (sog. 01 Befund) verwendet, der nach der einschlägigen Kommentierung eine „eingehende Untersuchung zur Feststellung von Zahn , Mund und Kieferkrankheiten" beinhaltet (Abb. 3) [8].
#Abb. 3#
 

Die meisten Zahnärzte in Deutschland verwenden diesen Index im „Recall“. Im 01-Befund werden Füllungen, Implantate, herausnehmbarer Zahnersatz, Kronen, Brücken etc., Schienen, Wurzelreste, Lage und Ausdehnung kariöser Defekte, apikale und augenfällige marginale Knochendefekte, Verfärbungen, Zahnstein, Parodontopathien insgesamt nicht erfasst.
Auch die Befundaufzeichnung nach dem DMF Index:
D = Zahn = decayed (zerstört)
M = Zahn = missing (fehlt)
F = Zahn = filled (gefüllt)
dem sog. „Kariesindex“ oder dem EKF-Index (Deutsche Version):
E = Zahn = Extraktion
K = Zahn = Karies
F = Zahn = Füllung

(Gesamtzahl der Zähne hier 28, da die Weisheitszähne unberücksichtigt bleiben) oder in Abwandlung nach dem DMF-Flächenindex (DMF S [surface]) durch Aufteilung der Zahnkrone in fünf Flächen und schließlich nach dem DMF-Zahnindex (DMF T [tooth]) mit einer Höchstzahl von 32 Zähnen pro Gebiss, ist als unzureichend anzusehen.
Die genannten Indices dienen der Kariesepidemiologie (statistische Erhebung der Zahl aller Kariesmanifestationen, die sich bis zum Zeitpunkt der Untersuchung summiert haben).

4 Die Dokumentation

4.1 Die Karteiführung

Aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung hat der Arzt – und ohne Unterschied auch der Zahnarzt über die in Ausübung seines Berufes gemachten Feststellungen und getroffenen Maßnahmen die erforderlichen Aufzeichnungen (bisher nur hinreichende Aufzeichnungen) zu machen [5]. Die zahnärztlichen Aufzeichnungen sind nicht mehr nur Gedächtnisstützen für ihn selbst, sondern dienen auch einer ordnungsgemäßen Dokumentation gegenüber seinem Patienten [6].
Die Aufzeichnung aller Phasen der Behandlung (im Rechtssinne) erfüllt mehrere Aufgaben:

  1.  Sicherung einer planmäßigen Weiterbehandlung des Patienten durch:
  • denselben Zahnarzt,
  • einen Assistenten, Vertreter, Nachfolger
  • einen anderen Zahnarzt, Fachzahnarzt bei Überweisung
  • aufgrund der Einsichtnahme oder eines nach den Unterlagen vollständigen Berichtes.

2.   Absicherung gegen:

  • Komplikationen und Zwischenfälle
  • Haftpflichtansprüche bei Behandlungsfehlern
  • den Vorwurf unsorgfältiger Untersuchung und Planung bei Misserfolg oder Zwischenfall
  • den Vorwurf der Beweislasterschwerung
  • den Vorwurf, durch unzureichende Dokumentation Begutachtungen für Versicherungen, Verwaltungsbehörden oder Gerichte zu erschweren
  • das Risiko, Berichte und Gutachten, zu denen man selbst verpflichtet ist, nicht sachgerecht erstellen zu können und somit ggf. wegen Fehlbegutachtung zu haften [5].

Der Zahnarzt ist verpflichtet, über jeden behandelten Patienten Aufzeichnungen zu machen, aus denen die behandelten Zähne und, soweit erforderlich, die Diagnose sowie Behandlungsdaten ersichtlich sein müssen (§ 5 BMV-Z). Spätestens bei Ende des einzelnen Behandlungsabschnittes müssen die Unterlagen vollständig vorliegen (§ 5 Abs. 2 BMV-Z) [16].
Die Befundaufzeichnung am Patienten hat die Befunde komplett und lesbar zu erfassen, die beim Erstbesuch in der Praxis bereits vorhanden sind. Beim „Recall“ des Patienten wird der 01-Befund als „Dokument" verwendet. Dies kann nicht befriedigen und entspricht auch nicht den gesetzlichen Anforderungen, weil die Restaurationen und Befunde, die der letztbehandelnde zahnärztliche Kollege eingebracht hat, nicht erkennbar sind.

 

4.2 Die EDV Dokumentation

 

Die elektronische Datenverarbeitung (EDV) wurde 1968 aus Rationalisierungsgründen für die Abrechnung in der Zahnarztpraxis eingeführt. An eine Dokumentation war dabei ursprünglich nicht gedacht worden. Die technischen Probleme wurden durch eine vom Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland entwickelte Schnittstellenbeschreibung gelöst.
Die Gefahren der EDV für eine geordnete Abrechnung und Dokumentation für den späteren Haftungsprozess sind deutlich sichtbar [3]. Es hat eine Datensicherung durch Abspeichern auf einer fälschungssicheren Diskette zu erfolgen. Freilich ist es möglich, rückwirkend ganze Behandlungsabläufe zu dokumentieren, ohne dass dies nachträglich erkennbar ist. Allerdings kann eine Dokumentation in wöchentlichen oder monatlichen Abständen oder Quartalsabständen auf eine nur einmal beschreibbare Diskette erfolgen. Im Falle einer ordnungsgemäßen, auch äußerlich so erscheinenden EDV spricht der Anschein für die Richtigkeit der Eintragung. Nur wenn Zweifel an der Vollständigkeit bzw. Richtigkeit der gespeicherten Daten bestehen, fällt der Anschein weg und der Zahnarzt bleibt weiterhin mit dem Beweis belastet [20]. Wenn auch in der Rechtsprechung noch nicht grundlegend entschieden, so wird doch anerkannt, dass die zahnärztliche Dokumentation auf EDV, auf bildgebende Verfahren und virtuelle Aufzeichnungen gestützt werden kann [4].
Die Befragung von 143 Zahnärzten der Region Mittelfranken ergab, dass bei 65% nur ein Zahnbefund nach den Vertragsrichtlinien („Minimalbefund"), bei 19,5% ein Befund, der darüber hinaus auch selbstgefertigte Restaurationen enthält („Fortschreibungsbefund“) und bei 15,51% ein Befund, in dem sämtliche, auch vorbestehende Restaurationen, eingetragen sind („Musterbefund"), dokumentiert wird.
Die durch Nachuntersuchung von 61 Patienten ermittelte Fehlerquote lag bei den einzelnen Befundtypen zwischen 21,36% („Musterbefund") und 55,6% („Minimalbefund").
Nicht selten steht in der forensischen Praxis (für den Gutachter vor Gericht bzw. bei der Identifikation unbekannter Lebender/Toter) lediglich ein „Minimalbefund" zur Verfügung, der nach der Berufsordnung der jeweiligen Landeszahnärztekammer obligat ist, wobei der Umfang der „erforderlichen Aufzeichnungen" hier nicht näher definiert ist. Die miteinander verglichenen Befundbögen zur Dokumentation zahnärztlicher Befunde unterscheiden sich ganz erheblich hinsichtlich Umfang und Art der vorgesehenen Aufzeichnungen.
Dabei wurden die Möglichkeiten der EDV zur Befunddokumentation (Karteikartenführung) von den Zahnarztpraxen am häufigsten benutzt, deren Befunderhebungstyp den Kriterien des „Fortschreibungs"- und „Musterbefundes" entsprach (82% bzw. 77%). Dagegen wurde EDV nur von 33% der Zahnärzte eingesetzt, die „Minimalbefunde" erhoben [6].
Der Einsatz von EDV in den Zahnarztpraxen verbesserte den Umfang und die Qualität zahnärztlicher Aufzeichnungen erheblich. Ein weiterer Vorteil ist u. a. der schnelle Zugriff auf eine große Datenfülle. Aber auch hier können Übertragungsfehler bei der Dateneingabe auftreten. Dies gilt vor allem für sogenannte Einplatzsysteme, bei denen die Befunde zunächst handschriftlich dokumentiert und später in einen zentralen Rechner eingegeben werden. Durch den Einsatz von Mehrplatzsystemen könnte die Fehlerrate gesenkt werden.
Die erste Frage ist, ob die EDV Dokumentation alle erforderlichen Eintragungen enthält. Handschriftliche Karteikarten sind für einzelne Praxen typisch. EDV Systeme sind einheitlicher (das Datum befindet sich links, gefolgt vom Zahn und den Leistungen).
Die für die Abrechnung wichtigen Daten sind in den EDV Karteien alle vorhanden. In manchen handschriftlichen Karteien sind sie dagegen nicht vollständig erfasst. Die Eintragung „Implantate in ITN [7] gesetzt" dürfte von keinem EDV System für eine Rechnung über € 20.000,00 akzeptiert werden.
Alle sich auf dem Markt befindenden EDV Systeme bieten die Möglichkeit zusätzliche Kommentare einzugeben. Erfahrungsgemäß sinkt die Zahl der Kollegen, die diese Möglichkeit in Anspruch nehmen. Das alleinige Aufführen nur der für die Abrechnung wichtigen Daten erfüllt jedoch nicht das Kriterium einer Karteikarte [14].
In die Karteikarte gehören zusätzliche Informationen, die bei einer Abrechnung nicht übermittelt werden müssen, die aber für die Dokumentation von Bedeutung sind. Ein Zahnarzt muss alle wichtigen Feststellungen festhalten, die im Rahmen einer Untersuchung oder Behandlung getroffen werden. Hierzu gehören beispielsweise die Vereinbarung von weiteren Terminen; die Dokumentation von Aufklärungsgesprächen, Diagnosen bei Munderkrankungen und Behandlungsplanungen, die mit dem Patienten besprochen wurden.
Die zweite Frage ist, wie Korrekturen gehandhabt werden.
Die Berichtigung von Irrtümern muss möglich sein, sonst kann eine beleglose Abrechnung im Folgequartal nicht erfolgen. Bei einer handschriftlichen Karteiführung sind diese Veränderungen immer erkennbar. Wird hingegen in einem EDV-System ein einmal eingegebener Wert überschrieben, ist es nicht möglich festzustellen:
was dort früher gestanden hat, wann die Korrektur vorgenommen worden ist, wer die Korrektur vorgenommen hat.
Dies muss in einer zusätzlichen Datei festgehalten werden, wobei es unmöglich sein sollte, diese Datei zu verändern.
Durch moderne Bildverarbeitungsprogramme ist eine Veränderung gespeicherter Daten möglich. Diese Korrekturen müssen unbedingt festgehalten werden. Nachträgliche Retuschen auf einem Originalröntgenbild, d. h. einmal veränderte Datenbestände können nicht mehr in den Urzustand zurückgeführt werden [14].

 

4.3 Die Röntgendokumentation

Bevor eine Röntgenaufnahme angefertigt wird, stellt sich für den behandelnden Zahnarzt die Frage nach vorangegangenen Röntgenaufnahmen. Ebenso muss dokumentiert werden, wann, wie, wie lange, wo geröntgt wurde, wie hoch die Dosierung war, sowie die technischen Daten des Röntgengerätes. Nach wie vor ist die Röntgenidentifikation eine aussagekräftige Methode [9].
Die Röntgenaufnahme ist die Grundlage jeder prothetischen, implantologischen, kieferchirurgischen und kieferorthopädischen Behandlung.
Damit gewinnt sie gleichermaßen an Bedeutung für die Beweisführung, da alle Röntgenaufnahmen als Dokumente zum Vergleich herangezogen werden können.
Für die forensische Beurteilung der Verantwortlichkeit der Zahnärzte ist heute die Röntgenologie unentbehrlich. Sie ist nicht nur imstande, die meisten fehlerhaften Behandlungsfälle zu klären, wie Wurzelperforationen, unvollständige Extraktionen, fehlerhafte Füllungen und schlecht gepasste Prothesen, sie vermag auch Veränderungen der Gewebe, entzündliche, tumorale und traumatische Schäden, die den Behandler von seiner Verantwortlichkeit entbinden können, richtig aufzudecken und zu bewerten. Damit dient das Röntgenbild als Beweismittel [11,12].
Als gerichtsverwertbare Dokumente sind digital hergestellte Röntgenaufnahmen anzusehen, wenn deren Ausdruck auf Papier und die Archivierung auf der Festplatte erfolgt [2,12].
Eine umfassende Röntgendiagnostik ist sowohl für die Dokumentation als auch für die lege artis Behandlung erforderlich, ihre Unterlassung (z. B. aus angeblichen Gründen des Strahlenschutzes) ist fehlerhaft (Abb. 4a und 4b).
#Abb. 4a#
#Abb. 4b#

 

4.3.1 Die Forderung

Keine Zahnextraktion ohne vorheriges Röntgen zwecks Darstellung der Region (nicht nur von Anteilen, z. B. bei verlagerten Weisheitszähnen).
Visser untersuchte 1997 die Strahlenexposition der Patienten bei den (für die parodontologische Diagnostik) relevanten Röntgentechniken.
Die typischen effektiven Dosen liegen im Bereich von 5 mSv – 0,03 mSv. Als Referenzgröße dient der konventionelle Zahnfilmstatus (Übersicht 1).
Bei der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland liegt die mittlere effektive Jahresstrahlendosis (GSD) [8] bei der künstlichen (zivilisatorischen) Strahlenexposition bei ca. 0,6 mSv; der Anteil der durch Röntgendiagnostik hervorgerufenen Strahlenexposition bei 0,5 mSv. Die Summe der natürlichen Strahlenexposition liegt bei ca. 1,1 mSv/a [9].
#Übersicht 1#

Übersicht 1

Die typischen effektiven Strahlendosen.
Als Referenzgröße dient der konventionelle Zahnfilmstatus [17]

Röntgentechnik Relative Strahlenexposition (mSv)
Bissflügelstatus mit digitalem Bildempfangssystem
bei maximaler Begrenzung des Nutzstrahlbündels 0,03
Digitale Panorama Schichtaufnahme 0,05
Bissflügelstatus mit digitalem Bildempfangssystem/Rundtubus 0,15
Konventionelle Panorama Schichtaufnahme 0,20
Zahnfilmstatus mit intraoraler Speicherfolie 0,20
Konventioneller Bissflügelstatus 0,25
Zahnfilmstatus mit intraoralem Sensor 0,30
Konventioneller Zahnfilmstatus 1
Spiral-CT 2
Axiales CT 6

 

 

4.3.2 Die Erläuterung

1 Sv = die radiologische SI Einheit der Wirkungsdosis (Äquivalentdosis oder biologische Wirkungsdosis; SI = Système International d´Unités) = Grundlage für gesetzliche Einheiten der Technik = seit 1978 in der Bundesrepublik gesetzlich vorgeschriebene Maßeinheiten = SI-Basiseinheiten = SI Einheiten.
1 Sv = 1 J/kg (oder 1 Gy, das Gray), löst Rem ab („radiation equivalent man" alte Einheit der Äquivalentdosis) 1 rem = 0,01 Sv. Neue Einheit der absorbierten Dosis Energiedosis, das Gray = 1 rd oder Rad („radiation absorbed dose" = alte Einheit). 1 Sv = 1 Gy = 1 J/kg = 100 rem. Joule (J = Einheit der Energie). Eine Einzelröntgenaufnahme = 10 –5 mSv, ein OPG = 10 6 mSv, eine Fernröntgenaufnahme = 10 7 mSv.
Bei indikationsgerechter Anwendung der Röntgendiagnostik überwiegt der greifbare Nutzen für den Patienten das potentielle Risiko durch die Strahlenexposition bei weitem [19].
Die in den letzten Jahren in ihrer Qualität wesentlich verbesserten Röntgenaufnahmen besitzen, ob mit Hilfe intraoraler oder Panoramaverfahren angefertigt, einen hohen Aussagewert, der dem Patienten zugute kommen sollte. Bei der Wahl des jeweiligen röntgenologischen Verfahrens muss stets der Grundsatz gelten, dass mit der Aufnahmetechnik ein Optimum an diagnostischer Information erreicht wird. Ist der Informationswert der gewählten Technik gegenüber anderen Verfahren erheblich größer, so ist diesem Verfahren auch dann der Vorzug zu geben, wenn die Strahlenbelastung entsprechend größer sein sollte. Im Dosisrisiko entspricht eine Panoramaschichtaufnahme mit 400er FilmFolien System vier E speed Zahnfilmaufnahmen [13].
Zur Verfügung stehen gegenwärtig folgende Röntgentechniken:

  • intraorale Zahnfilmaufnahmen, Bissflügelaufnahmen,
  • Panoramaschichtaufnahmen, digitales Röntgen,
  • Computertomographie [19].

 

4.3.3 Die Archivierung

Beim Papierausdruck digitaler Röntgenaufnahmen kann die Qualität der Bildschirmdarstellung mittlerweile auch mit wirtschaftlichen Druckverfahren erreicht werden. Die Archivierung der Bilddaten sollte jedoch elektronisch erfolgen. Dabei stellt sich vielfach die Frage nach einer Verkleinerung (Kompression) der Datenmenge. Diese kann verlustbehaftet (das aus den komprimierten Daten errechnete Bild entspricht dem Ausgangsbild nicht vollständig) oder verlustfrei erfolgen. Verschiedene wissenschaftliche Studien deuten darauf hin, dass die höhere Kompressionsrate verlustbehafteter Verfahren z. B. des JPEG [9] Algorithmus bis zu 10% der ursprünglichen Datenmenge nicht mit klinisch relevanten Einbußen einhergeht [10].
Wie bei den Zahnfilmaufnahmen handelt es sich bei den Bissflügelaufnahmen um projektionsradiographische Aufnahmen mit intraoralem Bildempfangssystem. Ein Bissflügelstatus besteht im allgemeinen aus vier Röntgenaufnahmen im Seitenzahnbereich, d. h. die Frontzähne werden nicht dargestellt. Die Aufnahmen zeigen lediglich die Zahnkronen und die koronalen Anteile des Parodontium. Die apikale Region der Zähne wird nicht abgebildet.
Bei der Computertomographie erhält man detailreiche Darstellungen der Kiefer. Beim axialen CT beträgt die Schichtdicke gegenwärtig 1 mm bei einer Kantenlänge von 0,3 mm in den Schichten. Die Abbildung der Zähne und Kieferknochen erfolgt ohne Überlagerungen oder Verzerrungen und ist maßstabgerecht. Im Vergleich zu intraoralen Zahnaufnahmen und Panoramaschichtaufnahmen ergibt die Computertomographie wesentlich genauere Resultate [19].
Bei Frakturen von Instrumenten, Kanülenspitzen und Wurzelresten sollte zur genauen Lokalisation eine zweite Röntgenebene benutzt werden. Symptomlosigkeit ist kein Kriterium! Der Patient ist darüber aufzuklären; dokumentiert ist es, wenn die Helferin/Assistentin die Eintragungen darüber in der Behandlungskarte unterschreibt.
Für die zweite Ebene ist der Einsatz eines Dental-CT sinnvoll: Ein Dental-CT-Modul ist dafür zusätzlich erforderlich (diagnostisches Basiswissen). Hiermit können Schnitttiefen zur Lokalisation des Fremdkörpers bestimmt werden.
Täuschungsmöglichkeiten bei Verwendung der Röntgenologie ergeben sich durch unsachgemäße Einstellung der Röntgenröhre. Zur Anfertigung von Duplikaten empfiehlt sich der Kodak X Oma DuplicatingFilm.
Zur Gewinnung digitaler Zahnröntgenbilder gibt es zwei prinzipiell unterschiedliche Wege:

  • Digitalröntgengeräte
  • nachträgliche Digitalisierung konventioneller Zahnfilme mit Videotechnik bzw. Scannertechnologie (mit Zeilenkamera zum Abtasten der Helligkeit und Farbe oder Kleinbildscanner für Dias und Negative).

Diese Methode wurde 1992, soweit bekannt, erstmalig für forensische Zwecke zur Identifikation angewendet [14]. Ausreichend ist die „Kodak Photo CD“, ein System, das flächendeckend eingeführt ist [17].
In der Röntgendiagnostik des Schädels stehen wir nicht so selten vor der Tatsache, dass die normale Schädelaufnahme nur ungenügende Informationen liefert. Alle Schwierigkeiten wären beseitigt, könnte der Betrachter des Röntgenbildes dieses räumlich vor sich sehen. Die Röntgenstereoskopie ist in der Lage, diesen Raumeindruck zu vermitteln. Das Raumsehen wird durch binokulare Betrachtung von Gegenständen ermöglicht.
Die Vorteile der extraoralen Kieferaufnahme, wie der Panorama Röntgenaufnahme (OPG) und der Fernröntgen Seitenaufnahme (FRS), bestehen in der großzügigen Übersicht und in der Orientierungsmöglichkeit an Skeletteilen sowie am Gebiss in seiner Gesamtheit.
Ein weiterer Vorteil dabei ist, dass eine extraorale Aufnahme mehrere intraorale ersetzen kann (wobei keinesfalls der Wert von Einzelaufnahmen geschmälert werden soll). Einen großen Schritt auf dem Gebiet der Datenerfassung und Übermittlung stellt die Datenübernahme von digitalisierten Röntgenbildern in ein Computersystem dar. Sie wird damit zu einer wertvollen Hilfe im Katastrophenfall; man gewinnt Zeit bei der Identifizierung von unbekannten Lebenden oder Toten.
Der einfache Transport macht sie den herkömmlichen Geräten gegenüber überlegen; die Notwendigkeit der Entwicklung von Filmmaterial entfällt.
Das Röntgenbild kann ohne Mühe mit fast jeder zurzeit verfügbaren Dental-EDV verbunden werden (Patientenkarteien).
Der Einbau der Ausstattung wandelt den Praxiscomputer in ein komplettes Röntgendiagnosesystem um. Von der Festplatte des PC wird die Aufnahme, die jederzeit sekundenschnell für die Dokumentation bei der Identitätsbestimmung zur Verfügung steht, dokumentationsgerecht auf Papier ausgedruckt [12].
Die elektronische Archivierung gewährt die sicherste Abspeicherungsweise von Zahnröntgenbildern:

  • Kein Qualitätsverlust
  • freie Kopierbarkeit auf Disketten, Streamer usw.

Die Vorteile gegenüber der traditionellen Röntgenaufnahme bestehen in der Überlegenheit des Transports, der entfallenden Entwicklung von Filmmaterial, der Speicherfähigkeit des digitalen Bildes im Computer, der weltweiten Verfügbarkeit und nicht zuletzt der Wirtschaftlichkeit des Einsatzes auch im Praxisbetrieb (Reduktion der Strahlenbelastung um 80 – 90%).

5 Schlussbemerkung

Der lege artis erhobene Aufnahmebefund hat alle odontologischen Merkmale genau und lesbar zu erfassen. Wie in der allgemeinen Medizin besteht auch in der Zahnmedizin die Pflicht des Arztes zur sorgfältigen Dokumentation aller wesentlichen Einzelheiten, vornehmlich der nicht üblichen Erkrankungen. Die Dokumentationspflicht ist Teil der ärztlichen Aufklärungspflicht. Die vorliegende Abhandlung soll dazu beitragen, bestehende Unsicherheiten zu verringern und eine realistischere Einschätzung der eigenen Situation zu ermöglichen, die der Gutachter interpretiert, sowohl vor Gericht als auch bei notwendigen Personenidentifizierungen.

Zunehmend von Wichtigkeit sind Kenntnisse auf dem Gebiet der zivil- und strafrechtlichen Beziehung zwischen Zahnarzt und Patient. Jeder Zahnarzt kann infolge des juristischen Procedere verpflichtet werden, als Zeuge, als sachverständiger Zeuge bzw. als Sachverständiger vor Gericht auszusagen [21]. Danach hat der zum Sachverständigen ernannte berufstätige Zahnarzt gem § 407 ZPO der Ernennung Folge zu leisten. Im Strafprozess verpflichtet ihn § 75 Abs. 2 der Strafprozessordnung (StPO), wobei er im Gegensatz zum Zivilprozess auch unmittelbar von den Prozessparteien geladen werden kann.
Als Konsequenz wird es als sinnvoll angesehen, dass sich jeder Zahnarzt in seinem eigenen Interesse Kenntnisse des ihn tangierenden Zivil- bzw. Strafrechtes aneignet, die es ihm ermöglichen, Komplikationen in seiner Tätigkeit als Zahnarzt zu begegnen, zu minimieren bzw. sie überhaupt zu vermeiden.

Literatur

1. Andersen, L., Juhl, M., Solheim, T., Borrman, H.: Odontological identification of the fire victims – potentials and limitations. Int J Legal Med 107: 229-234 (1995).

2. Buitrago-Tellez, C., Wenz, W., Friedrich, G.: Digital x-ray image processing as an aid in forensic medicine. Radiologe 32: 87-89 (1992).

3. Deutsch, E.: Die Beweiskraft der EDV-Dokumentation bei zahnärztlicher Behandlung. AKFOS Newsl Jg. 5/1: 3-11 (1998).

4. Epple: Der Einsatz der EDV und die ärztliche Haftung passim: Deutsch, Medizinrecht 3, Rundschr 355 (1994).

5. Günther, H.: Die Mitwirkung des Zahnarztes. In: Zahnarzt, Recht und Risiko. Hanser, München Wien, S. 418-419 (1982).

6. Hausmann, R., Liebler, M., Schellmann, B.: Zur Personenidentifikation mittels Zahnstatus. Qualität und Quantität zahnärztlicher Befunddokumentation. Rechtsmedizin 7: 86-89 (1997).

7. Kaatsch, HJ., Ritz, S.: Dokumentation des Zahnstatus als Identifizierungshilfe. Rechtsmedizin 3: 120-127 (1993).

8. Meurer, A.: Gebührenordnung für Zahnärzte – GO-Z. Kommentierung des zahnärztlichen Gebührenrechts für die Privatliquidation. Kohlhammer, Köln, S. 88 (1988).

9. Pasler, FA.: Zahnärztliche Radiologie. 3. Aufl., Thieme Stuttgart New York, S. 366 (1995).

10. Riepert, T., Rittner, C.: Zur Röntgenidentifizierung unbekannter Leichen bei fortgeschrittenen post mortalen Veränderungen. Rechtsmedizin, 102/11: 207-216 (1989).

11. Rohde ER.: Dokumentationspflicht und Verpflichtung zur Anfertigung einer Röntgenübersichtsaufnahme bei einer komplikationslos verlaufenden Zahnextraktion. AKFOS Newsl Jg.2/1: 8 (1995).

12. Rötzscher, K.: Befunderhebung. In: Forensische Zahnmedizin. BoD Norderstedt, S. 106-112 (2003).

13. Sitzmann, F., Benz, C.: Einzelbildstatus oder Orthopantomogramm. Stellungnahme der DGZMK. Zahnärztl Mitt 89/1: 33 (1999).

14. Stratmann, KR.: EDV-Dokumentation in der zahnärztlichen Praxis. AKFOS Newsl Jg. 4/3: 58-59 (1997).

15. Tai, CE., Blenkinsop, BR., Wood, RE.: Dental radiographic identification utilising computerised digital slice interposition. A case report. J Forens Odontostomatol 11: 1 (1993).

16. Thieme, S.: Das Recht in der Zahnarztpraxis. Quintessenz, Berlin, S. 157ff. (1982).

17. Visser, H.: Ein einfaches Verfahren zur Digitalisierung von Zahnfilmen. ZWR 10/5: 282-287 (1994).

18. Visser, H.: Untersuchungen zur Optimierung der parodontologischen Röntgendiagnostik. Habil. Schrift, Univ. Göttingen (1997).

19. Visser, H.: Zeitgemäße parodontologische Röntgendiagnostik. Dtsch Zahnärztl Z 54/2: 64-72 (1999).

20. Walther, W.: Hilfen zur Karteiführung mit dem Praxiscomputer. In: HZB 11: 6ff. (1996).

21. Zivilprozessordnung (ZPO) Fünfter Titel. Allgemeine Vorschriften über die Beweisaufnahme §§ 355-370; Siebenter Titel. Zeugenbeweis §§ 373,377-401; Achter Titel. Beweis durch Sachverständige §§ 402-414.

 

Korrespondenzadresse
Dr. Dr. Klaus Rötzscher, Wimphelingstraße 7, 67346 Speyer

Dr. med. Dr. med. dent. Klaus Rötzscher
Studium der Medizin und Zahnmedizin in Leipzig. Pathologe, Rechtsmediziner. Zahnarzt in eigener Praxis in Speyer/Rhein (1977-1998).
Vorsitzender des interdisziplinären Arbeitskreises (AKFOS) der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde und der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin. Buchautor.