Die neue deutsche Welle: Prüfungen über Prüfungen

Der Zahnarztberuf – quo vadis?

Derzeit haben wir eine Situation in der GKV, die recht kompliziert geworden ist. Die Zahnärzte werden mit Prüfanträgen förmlich überschwemmt: Wirtschaftlichkeitsprüfung, Auffälligkeitsprüfung, Stichprobenprüfung, usw. Das SGB V, Grundlage der Versorgung von gesetzlich Versicherten, hat diese Folterinstrumente ausdrücklich vorgesehen. Nun ist nach Kenntnis zahlreicher Prüfverfahren festzustellen, dass es unmöglich ist, sich den Prüfungen zu entziehen. Egal, was man macht, es kann immer zur Prüfung führen, weil z.B. die Durchschnittswerte stetig abgesenkt werden. Man würde nur dann nicht geprüft, wenn man gar nichts abrechnet.

Es ist also nicht so, dass sich der Zahnarzt irgendwie falsch verhalten hätte und durch eine Änderung des Abrechnungsverhaltens dann unauffällig würde – im Gegenteil, die Prüfung ist unvermeidbar. Bei über 50 Fällen jährlich, die wir betreuen, mit rasch steigender Tendenz, will heißen, zunehmender Häufigkeit, kann man da schon Rückschlüsse ziehen.

Da solche Prüfverfahren sehr zeitaufwendig sind, kann das entweder nur mit einem gigantischen Personalaufwand  durch die Kassen bewerkstelligt werden (eine Zahl, publiziert in ZM 8B v. 16.4. mag einen Hinweis dazu geben: knapp 29 Mrd. € Verwaltungskosten in der GKV. Zum Vergleich: für  die gesamte ambulante ärztliche Versorgung werden mal grade 27 Mrd. € aufgewendet) oder mit Hilfe der EDV, die permanent „Auffälligkeiten“ ausspuckt, vermutlich wendet man beide Hilfen an. Es ist bezeichnend, dass die Kontrolle (unter Verwaltung sind ja die Kontrollmechanismen subsummiert) mehr Kosten verursacht als die kontrollierten (Zahn)Ärzte.

Eine Idee von der Auswirkung der Prüfung auf das Abrechnungsverhalten bekommt man, wenn man mal betrachtet, wie die abgerechnete Punktemenge sich entwickelt hat: In Bayern (da gilt noch die statistische Prüfung der Gesamtabrechnung)  wurden vor vier Jahren 150 Punkte pro Quartal und Fall abgerechnet, aktuell sind es noch 92 Punkte, ein Rückgang um mehr als 50 Prozent – dabei gibt es keinerlei Anhaltspunkt dass sich die Zahngesundheit in diesem Zeitraum verbessert hätte. Im Gegenteil, die DMS IV hat deutlich gemacht, das insgesamt die Morbidität noch zugenommen hat, also ein weniger an Gesundheit zu verzeichnen ist. Eigentlich hätte deshalb die Leistungsmenge zunehmen müssen, sie ist aber um über 50 Prozent zurückgegangen. Dass Zahnärzte vorsätzlich behandlungsbedürftige Patienten wegschicken, ist kaum anzunehmen – die Prüfungen haben wohl dazu geführt, dass notwendige Behandlungen unterbleiben, weil sie nicht mehr bezahlt bzw. rückwirkend sanktioniert werden.  Bei Regresshöhen von 20 bis 40 000 € (keine Seltenheit!) wäre die wirtschaftliche Existenz bedroht, würde man nicht reagieren. 

Nachdem durch Gesetz die Prüfungen fest vorgeschrieben sind darf man spekulieren, wozu das dienen soll. Auch da lassen die bekannten Prüffälle deutliche Rückschlüsse zu. Es soll nicht ein irgendwie besseres Abrechnungsverhalten und schon gar nicht eine bessere Therapie (was soll dann das Geschwätz von Qualitätsmanagement?!) bewirkt werden, Ziel ist unzweifelhaft Geld einzusammeln, je mehr, desto besser. Siehe oben.

Das kann man auch mit der Methodik belegen: da wird ein Prüfbescheid zugestellt, und eine mögliche Gegenwehr damit abgewimmelt, dass man einen Vergleich anbietet. Mit dem Vergleich sei dann alles erledigt. So mancher Zahnarzt, der die Bürokratie sowieso schon satt hat, wird dem Vergleich zustimmen, im  verständlichen Wunsch, Ruhe zu haben.

Das macht man ein paar Mal, geht ja meistens nicht um so viel, erst mal.  Dann wird die Abrechnungssystematik angepasst, d.h., eigentlich abzurechnende Leistungen werden nicht mehr berechnet, man fürchtet ja die nächste Prüfung. Endlich Ruhe? Aber nein! Jetzt drehen sie einem erst Recht einen Strick draus. Denn, wenn mehrere Quartale hintereinander ein Vergleich (dann ohne konkrete Prüfung der Abrechnung! Da wird dann vorgeschlagen, man können ja „hochrechnen“, das wäre weniger aufwendig für beide Seiten) geschlossen wurde, hat sich der Zahnarzt als hartnäckiger Falschabrechner geoutet, dann kriegt er ein Disziplinarverfahren angehängt. Da wird dann eine empfindliche Strafe gefordert, die bis hin zum Entzug der Zulassung reichen kann, so die Ankündigung. Dabei geht es der KZ-V gar nicht darum den Zahnarzt auszuschließen, es geht wieder nur um Geld. Schließlich soll sich der teure Personaleinsatz (siehe oben) ja auch lohnen.

Ein solch perfides System ist erst mal sehr erfolgreich, die Kassen sparen wirklich, sie geben für die Versorgung ihrer Versicherten viel weniger aus als sie eigentlich müssten. Dass dem enorme Kosten für die ausbeuterische Kontrolle entgegenstehen, registriert man ja nicht, dass ist eine andere Kostenstelle.  Nur, die (Zahn)Ärzte gehen daran kaputt – die zunehmende Zahl an Insolvenzen zusammen mit dem sich abzeichnenden Ärztemangel (und auch Zahnärzte haben es zunehmend schwer, einen Nachfolger für die Praxis zu finden) sollte als Indiz dafür verstanden werden.

Jetzt reagieren die Leistungserbringer (was für ein nettes Wort: die erbringen die Leistung, man will sie aber nicht bezahlen…) damit, dass sie zunehmend ausweichen auf die Privatabrechnung. Da gibt´s bei den Ärzten die „IGEL“, bei den Zahnärzten wird heftig in die GOZ ausgewichen .  Nur, ist das die Lösung?

Die GOZ-Novelle hat es gezeigt: jetzt wird z.B. die Füllung aus Komposit „privat“ schlechter bezahlt als in der GKV – nett, da ist dieser Ausweg auch versperrt. Zusätzlich haben die Kassen bereits angedroht, alle Zahnarztrechnungen zu prüfen – da braucht man zwar noch mehr Personal, aber, man kann damit natürlich all die Privatrechnungen, die für eine eigentlich als Sachleistung nach BEMA abzurechnende Leistung ausgestellt wurden, als „unrechtmäßig“ kassieren.

Sehen Sie das System dahinter? Möge keiner glauben, die Schlinge würde nicht stetig weiter zugezogen. Die Kassen streben  eine totale Änderung an: es sollen Netzwerke aufgebaut werden (also: anonyme Großpraxen mit Zweigstellen, die gesetzlichen Grundlagen haben wir mit dem Vertragsarztgesetz geschaffen), die Angebote an die Kassen abgeben, wobei erwartet wird, dass diese sich gegenseitig unterbieten, man also die Leistungen stetig billiger einkaufen kann, und parallel dazu ist der Wunsch vorhanden, die „Sicherstellung“ in die eigenen Hände zu nehmen und Kassenpolikliniken aufzumachen. Das

s dies insgesamt billiger würde glaubt kein vernünftiger Mensch, da gibt es aus Zeiten der DDR genügend Zahlen dazu. Nur: die Kassenoberen erhalten die absolute Kontrolle, und das ist das Ziel: Kontrolle, Macht und, das darf man nicht übersehen, die Aufbesserung des Salärs für die Führungsriege. Haben wir ja schon bei den (Zahn)Ärztevertretern: da geht keiner unter 200 000 € jährlich nach Hause, zuzüglich opulenter Pensionsansprüche. Damit haben sie den Wolf in den Schafstall eingelassen – es war immer schon so, dass die eigenen Mitgefangenen schlimmer waren als die Wächter, oder um es so zu sagen, Zahnärzte mit Fachverstand können ihre Kollegen natürlich besser gängeln als ungebildete Kassenleute. Und da findet man stets Kollaborateure – man kauft sie sich…

Was soll/kann man jetzt machen?

Eine Öffentlichkeitsarbeit, die Freunde in der Bevölkerung finden und generieren könnte, findet nicht statt. Die Standesvertreter haben den Kontakt zur Basis verloren, die haben ihre Eigeninteressen im Blick. Jedenfalls dann, wenn sie in den Gremien sitzen und zu Profiteuren des Systems geworden sind.

Also, was dann? Hier bleibt die Organisation in anderen Gruppen, bei denen die Führungspersonen noch nicht korrumpiert sind, z.B. in der Partei der „Piraten“, die haben derzeit noch gar keinen Standpunkt zur Gesundheit, da kann man Positionen besetzen. Weiterhin sind Zahnärzteorganisationen aus der zweiten Reihe erwägenswert, und was ganz wichtig scheint, die Gründung bzw. Besetzung einer Gewerkschaft für Gesundheitsberufe. Zumindest für einige Zeit kann man hier eine Interessenvertretung erwarten, so lange, bis die Privilegien der Führung das Interesse an den Beitragszahlern erlahmen lässt.

Wir haben eine Organisation gegründet, die sich der Betreuung der Zahnärzte in Prüfverfahren widmet.  „Kollegen helfen Kollegen“ ist das Motto, d.h., erfahrene Zahnärzte kümmern sich um die Bearbeitung der Prüfverfahren, erstellen Stellungnahmen, kümmern sich ggflls. um anwaltlichen Beistand (da kommt ja auch nicht jeder Anwalt infrage), übernehmen Aufgaben der Öffentlichkeitsarbeit (z.B. durch Betreiben eines Internetmagazins), helfen im Bedarfsfall bei der Umorganisation der Praxisstrukturen (Stichwort sinnvolles QM zur Optimierung nicht nur der Arbeitsabläufe sondern auch des wirtschaftlichen Ergebnisses zusammen mit Beachtung einer auf die Prüfverfahren zugeschnittenen Dokumentation), kurz, um all das, was derzeit die Zahnärzte drückt, wofür sie jedoch keine oder nur unzureichende Hilfestellung bekommen.

Denn, es ist möglich, sich zu wehren. In den meisten Prüfverfahren konnten wir es erreichen, dass es entweder gar keine oder zumindest deutlich reduzierte Regresse gegeben hat. Vollkommen erfolglos sind wir noch nie gewesen – das liegt daran, dass die Prüfungen überwiegend auf wackeligen Beinen stehen, juristisch gesehen, und wenn man die Lücken findet, kann man den Regress vermeiden. Da nützt es, die Erfahrung aus anderen Verfahren auf das aktuelle zu übertragen, Relationentransfer nennt man das hochtrabend fachlich, letztlich ist es halt wichtig, dass es nützt und nicht mehr kostet als das was die KZ-V haben will.

Gegenwehr ist zwingend, denn, ohne geht man vollkommen unter, und sie ist möglich, weil wir –noch – in einem Rechtsstaat leben, in dem eben nicht willkürlich nach Vorbild der absolutistischen Herrscher regiert werden kann, auch wenn Politiker und Kassenbonzen das meinen.

Die Regelungen in einem Gesetz, das schlampig zusammengeschustert wurde, wie es das DGB V ebenso ist wie die GOZ 2001 sind, können und müssen von Richtern interpretiert und gfflls. korrigiert werden. Die GOZ ´88 z.B. hat 20 Jahre gebraucht, bis alles gerichtlich geklärt war – in der GKV lebt kein Gesetz so lange, da ist die Halbwertszeit kaum 4 Jahre (da sind dann wieder Wahlen, für die man Wählerstimmen kaufen muss).

Als kleinen Service haben wir ein paar Urteile herausgesucht, die für den Zahnarzt von Bedeutung sind:

BSG, Urt. v. 09.04.2008, Az: B 6 KA 34/07 R

Wirtschaftlichkeitsprüfung – Änderung der materiell-rechtlichen Vorgaben – Geltung für Quartale nach dem Inkrafttreten der Neuregelung – Prüfung nach Durchschnittswerten nach dem 1.1.2004

Leitsatz 1

„Änderungen der materiell-rechtlichen Vorgaben der Wirtschaftlichkeitsprüfung erfassen grundsätzlich nur Quartale nach dem Inkrafttreten der Neuregelung.“

Leitsatz 2

„Vertragsärztliche Leistungen können auch nach Ablösung der Prüfung nach Durchschnittswerten als Regelprüfmethode zum 1.1.2004 nach diesem Verfahren geprüft werden, wenn die Partner der Gesamtverträge das vereinbart haben; auf den Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung kommt es nicht an.“

BSG, Beschluss v. 03.11.2010, Az: B 6 KA 35/10 B

Orientierungssatz 1:

„Einzelfallprüfungen sind alle Überprüfungen der Behandlungs- und Verordnungsweise, die nicht an dem allgemeinen Vergleich mit dem durchschnittlichen Aufwand der Fachgruppe ansetzen, sondern einen direkten Bezug zu dem tatsächlichen (konkreten) Behandlungs- oder Verordnungsverhalten des geprüften Arztes haben. Aus dieser Charakterisierung wird deutlich, dass Einzelfallprüfungen sich zwar auf „bestimmte einzelne Behandlungsfälle“ beziehen, aber weder aus den Rechtsvorschriften noch aus der Rechtsprechung ist abzuleiten, dass die Fälle auch einzeln benannt werden müssten (vgl BSG vom 3.2.2010 – B 6 KA 37/08 R = SozR 4-2500 § 106 Nr 26).“Begriff der Einzelfallprüfung“

Bayerisches Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 9. Februar 2011 (AZ: L 12 KA 5012/09) „…dass bei der Beurteilung der Wirtschaftlichkeit einzelner Gebührenpositionen eine Auseinandersetzung mit dem Gesamtfallwert im konservierend/chirurgischen Bereich zwingend stattzufinden hat.

Leider ist es nun so, dass je nach KZ-V Bezirk unterschiedliche Regelungen vereinbart wurden, d.h. in einem Bereich gibt es vorwiegend die Prüfung nach Gesamtstatistik, in anderen bevorzugt die Einzelfallprüfung, ebenfalls nach statistischen Vorgaben. Damit können wir keine universell gültigen Empfehlungen für den Widersprich bei prüfverfahren abgeben, die müssen individuell ausgearbeitet werden. Das ist ärgerlich, weil mit viel zusätzlichem Aufwand verbunden. Aber, es ist jedenfalls besser, auch mit etwas Aufwand Gegenwehr zu leisten als sich kampflos in sein Schicksal zu ergeben, meinen Sie nicht?! www.securdent.de, www.gh-praxismanager.de

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