Sozialpolitik

Emotio contra ratio –
die unendliche Geschichte

Die meisten Entscheidungen trifft der Mensch unterbewusst, aus der Emotion heraus, und nicht nach reiflicher Überlegung, also rational. Dabei wird dieses Verhalten gerne „rationalisiert“, d.h., man sucht hinterher rationale Gründe für das emotionale Verhalten, man will sich eben nicht eingestehen, dass man emotional entschieden hat. Dies trifft auch und insbesondere für ärztliche Entscheidungen zu, viel mehr, als man glaubt. Dazu gibt es statistisches Material in Fülle, und deshalb wurden auch die Prinzipien der !“EBM“, Evidence Based Medicine“ entwickelt. Ärzte und Zahnärzte sollen sich in ihren Entscheidungen nicht auf „Erfahrung“ (ein anderes Wort für Gefühl, wenn man ehrlich ist) sondern auf möglichst objektive wissenschaftliche Erkenntnisse stützen. Das ist gar nicht so einfach – wer will und kann tatsächlich all das, was an Wissenschaft, ausgedrückt durch Veröffentlichungen von wissenschaftlichen Studien, produziert wird, permanent in sich aufnehmen und vor allem auch in die tägliche Routine einbeziehen? Es braucht zur Vereinfachung „Transformatoren“, die Wissenschaft kurz und knapp in Handlungsanweisungen übersetzen – dies wäre die originäre Aufgabe der Fachmedien sowie der Fortbildungskurse. Untersucht man jedoch die Medien genauer muss man feststellen, dass genau dies nicht bzw. ungenügend angeboten wird. Man findet zwar ausgewählte Publikationen aus der Wissenschaft, eine Zuordnung findet jedoch kaum statt. So kann der Leser nur schwer beurteilen, wie sich die Erkenntnisse auf seine Arbeit auswirken sollten. Überdies hat die werbende Wirtschaft einen sehr großen Einfluss auf die Inhalte – kritische Stimmen werden generell unterdrückt. Dies ist in anderen Ländern anders geregelt – Beispiel USA. Da wäre es heute unvorstellbar dass z.B. eine Studie zu einem Material einfach so publiziert wird, ohne dass ein Board von Wissenschaftlern diese auf Korrektheit geprüft hätte, und eine begleitende Werbung wäre definitiv ausgeschlossen – ganz das Gegenteil zu den Verhältnissen in Deutschland. Dabei wäre eine korrektere Vorgehensweise für keinen der Beteiligten von Nachteil, denn letztendlich setzt sich immer das bessere durch. Es hat nur einen Beigeschmack von Manipulation, wenn Studien mit Fallzahlen von kaum über 10 mit sehr positivem Ergebnis veröffentlicht werden und auf der gleichen Seite oder zumindest im der gleichen Ausgabe eine bezahlte Werbung des Unternehmens, dessen Produkt da untersucht wurde, steht. Es gibt auch zu denken, wenn man vergleichende Studien zu mehreren Produkten liest und feststellen muss, dass da stets ein anderes Produkt am besten abschneidet. Zum Grübeln sollte es einen auch bringen, wenn im kleinen Kreis von Wissenschaftlern die Allergenität von Kunststoffen mindestens gleich hoch wie die von Amalgam beurteilt wird, man dazu aber nie etwas in den Fachmedien lesen kann – ebenso macht es Kopfschmerzen, wenn bestimmte Studien nur noch im Ausland veröffentlicht werden (z,B. zur Plaqueaffinität von Kompositen), hierzulande jedoch nicht.
Neutrale Redaktion sähe anders aus. Wenn nun diese möglicherweise produktlastigen Studien zur Grundlage von Entscheidungen gemacht werden ist das schädlich für die Therapie – im Bereich Allgemeinmedizin wird dies öffentlich ausgiebig diskutiert, in der Zahnheilkunde nur unter Ausschluss der Öffentlichkeit (und da sind die Praktiker ebenfalls als Öffentlichkeit anzusehen). So werden Techniken und Materialien in den Markt gedrückt, die bei nüchterner Betrachtungsweise und unter Kenntnis aller Fakten kaum gekauft würden. Verschärft wird die Situation durch Bezüge zur emotionalen Ebene: da wird an alte Erfahrungen angeknüpft (z.B. stopfbares Komposit in Anlehnung an Amalgam, wobei die „Bulk“-Füllung zumindest von seriösen Wissenschaftlern strikt abgelehnt wird, da werden „Bio“-Legierungen angeboten, deren „Bio“-Eigenschaften mit sehr dubiosen Messmethoden belegt werden, und so weiter). Insbesondere die „Einfachheit“ der Anwendung wird gerne und ausgiebig dargelegt, wobei bei genauerem Hinsehen eher das Gegenteil der Fall ist. Der Gipfel ist das Versprechen eines schrumpfungsfreien Kompositmaterials, mit dem seit Jahrzehnten ebenso beharrlich wie falsch geworben wird. Alles, was derzeit erhältlich ist, schrumpft. Außer Amalgam. Schmalz, Regensburg, bezeichnete anläßlich der IADR-Tagung in München Amalgam als „das beste Füllungsmaterial“, die DGZ veröffentlichte einen Freispruch für dieses Material „wegen erwiesener Unschuld“ – das kann man jetzt zulassen, weil eine Renaissance des Amalgams ausgeschlossen werden kann. Wiederr mal: Ratio zählt nicht, die Emotion hat gewonnen.
Es ist auch bedenklich, wenn Werbung für zahnärztliche Materialien mit nackten Frauenbildern daherkommt. Es ist doch offensichtlich, dass hier nicht die Ration sondern die Emotio angesprochen werden soll – wie ees Werbestrategen schon immer postulierten: „Sex sells“. Autos oder Reifen („Pirelli“) haben ja auch überhaupt nichts mit halbnackten frauenkörpern zu tun, trotzdem wird damit geworben.
A props Auto: das Eöektroaito gilt inzwsichen ja auch als der Weisheit letzrter Schluss. Aber: nur, weil dabei der Dreck nicht direkt aus dem Auspuff kommt, heißt das doch noch lange nicht, dass das umweltfreundlich wäre. Da müsste man schon Überlegungen zur ökologischen Gesamtbilanz anstellen. Und die sieht dann so aus: wegen des steigenden Strombedarfs schon heute (also noch ohne Elektroautos) will man in Deutschland neue Stromkraftwerke bauen, für die als Primärenergei Braunkohle eingesetzt werden soll. Die EU will das verhindern wegen Umweltbedenken – denn: bei der Verstromung von Primärenergei wird der Dreck eben nicht verhindert, sondern nur an anderer Stelle in die Luft geblasen. Interessiert aber keinen – weil: die Emotion („saubere Autos“) wieder mal über den Verstand siegt.
Wie überall im Leben gilt also auch hier: Wissen ist die Basis guter Entscheidungen, und Wissen muss man sich mühsam und langwierig aneignen. Das kriegt man ncith geschenkt, schon gar nicht dadurch, dass man die Lerninhalte in den Schulen einfach herabsetzt und Jedem dann ein Abschlusszeugnis in die Hand drückt. „Gerechter“ wird’s dadurch jedenfalls nicht, lediglich das geistige Niveau sinkt. Wieder mal nur emotional, nicht rational gehandelt.
Nun kann selbst bei bestem Willen keine Ausbildung jemanden so mit Wissen ausstatten dass es ein Leben lang reichen würde. Dies gilt insbesondere für den (zahn)ärztlichen Berufsstand. Als Arzt oder Zahnarzt muss ich lebenslang weiter lernen – die rasche Wissensvermehrung, die Forschung und Entwicklung, fordert das.
Deshalb ist die seriöse Fortbildung so eminent wichtig, wobei es dringend zu empfehlen ist, die wichtigen wissenschaftlichen Tagungen regelmäßig in das eigene Fortbildungsprogramm einzubeziehen. Daneben sidn „Hand-on“-Kurse sinnvoll, in denen Praktiker ihre Fähigkeiten und Tipps weitergeben können – der gesunde Mix macht´s letztlich, was zu Qualität führt.
Unter diesen Gesichtspunkten suchen wir beim Deutschen Dental Kolleg unsere Themen und Referenten zusammen – der Zahnarzt in der Praxis oll so objektiv wie irgend möglich informiert werden. In diesem Zusammenhang dringen wir auch darauf, regelmäßig die Tagungsberichte im Dental Observer abzurufen. Tagungsberichte sind aufwändig – deshalb iost es sinnvoll, solche Berichte in digitaler Form anzubieten. Dann kann jeder Zahnarzt sich nur das herunterladen und ausdrucken, was ihn speziell interessiert. Wir wissen ja alle, dass der Zuwachs an wissen bzw. die Zahl wissenschaftlicher Studien inzwischen so gewaltig ist, dass es keinen Sinn macht, alles in gedruckter Form zu verarbeiten, das würde jeglichen Rahmen sprengen.