Zahnärztliche Chirurgie
Rechte und Pflichten
Nach jahrelangen Auseinandersetzungen mit den Fachärzten für Mund- Kiefer- und Gesichtschirurgie (kurz Kieferchirurgen) wurden die chirurgisch tätigen Zahnärzte (Oralchirurgen) inzwischen vollumfänglich anerkannt und als kompetente Kollegen auch in das Gutachterwesen ein gebunden. Aus dieser Anerkennung resultiert jedoch auch eine hohe Verpflichtung: stetige Weiterbildung, Anwendung zeitgemäßer Techniken, Einhaltung der für das ambulante Operieren geltenden RKI-Richtlinien, usw.
Im Gegenzug erhalten die Zahnärzte dafür eine Erweiterung ihres Betätigungsfeldes bzw. eine Bestätigung, dass sie eben nicht nur Handwerker, sondern „richtige“ Ärzte sind. Das bedeutet auch, dass jeder Zahnarzt zumindest die grundlegenden chirurgischen Eingriffe beherrschen muss, denn dazu ist er verpflichtet.
Zahnärztliche Chirurgie – das hat Jeder im Studium gelernt und dann haben viele Kollegen in der Praxis durch Spezialisierung die Kenntnisse „einrosten“ lassen. Nur, im Streitfall nutzt es wenig, sich auf Unkenntnis zurückzuziehen. Und: die Anforderungen sind in letzter Zeit massiv angehoben worden.
Nach Sichtung aktueller Urteile soll im Folgenden eine Bestandsaufnahme der derzeit geltenden Regelungen vorgestellt werden.
Instrumenten-Wiederaufbereitung
In der zahnärztlichen Chirurgie finden Instrumente nach Typisierung „kritisch B“ Verwendung. Diese bedürfen einer besonderen Behandlung, wie die Justiz feststellt. Ein Urteil des 13. Senats des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Nordrhein-Westfalen in Münster dürfte hier Geschichte schreiben. Das Gericht hat am 29. September 2010 in einem kürzlich bekannt gewordenen Beschluss (Az.: 13 A 2422/09 NRW) Folgendes festgestellt: „Die in einer Zahnarztpraxis nach einer Standardanweisung durchgeführte manuelle Reinigung und Desinfektion von kritischen Medizinprodukten entspricht regelmäßig nicht den Vorgaben der MedizinprodukteBetreiberverordnung.“
Das Verwaltungsgericht als Berufungsinstanz hat zur Begründung seines klageabweisenden Urteils ausgeführt: Die Kläger führten in ihrer Praxis die Aufbereitung von Medizinprodukten der Klasse "kritisch B" nicht ordnungsgemäß durch. Denn, die Medizinprodukte-Betreiberverordnung setze zwingend ein validiertes Verfahren voraus, das es für das von den Klägern verwendete manuelle Reinigungs- und Desinfektionsverfahren nicht gebe; die von ihnen praktizierte standardisierte Methode entspreche den nicht gesetzlichen Vorgaben. Die von ihnen praktizierte Aufbereitung erfülle auch nicht die gemeinsame Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert-Koch-Institut und des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte zu den Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten (RKI-Empfehlung). Die Ordnungsgemäßheit der Aufbereitung könne für die von den Klägern praktizierte manuelle Reinigungs- und Desinfektionsmethode auch sonst nicht festgestellt werden. Die bloße Vermutung, dass das manuelle Aufbereitungsverfahren möglicherweise genauso wirksam sei wie eine maschinelle Aufbereitung mit einem geeigneten validierten Verfahren, genüge dabei nicht. Die nicht bestimmungsgemäße Aufbereitung dieser Medizinprodukte stellt eine drohende Gefahr (vgl. § 28 Abs. 2 Satz 1 MPG) für die Patienten, Anwender und Dritte dar, weil sie nicht entsprechend den in § 14 MPG i. V. m. § 4 Abs. 2 Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) bestimmten Anforderungen aufbereitet werden. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 MPBetreibV ist die Aufbereitung von bestimmungsgemäß keimarm oder steril zur Anwendung kommenden Medizinprodukten unter Berücksichtigung der Angaben des Herstellers mit geeigneten validierten Verfahren so durchzuführen, dass der Erfolg dieser Verfahren nachvollziehbar gewährleistet ist und die Sicherheit und Gesundheit von Patienten, Anwendern oder Dritten nicht gefährdet wird. Nach § 4 Abs. 2 Satz 3 MPBetreibV wird eine ordnungsgemäße Aufbereitung vermutet, wenn die gemeinsame Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention am Robert Koch-Institut (RKI) und des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu den Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten (RKI-Empfehlung – Bundesgesundheitsblatt 2001, S. 1115) beachtet wird.
Der Nachweis der beständigen Wirksamkeit kann bei einem manuellen Aufbereitungsverfahren regelmäßig deshalb nicht erbracht werden, weil eine exakte Reproduzierbarkeit bei der Anwendung durch den Menschen grundsätzlich schon nicht möglich ist. An dieser Feststellung ändere auch der Hinweis der Kläger auf die Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Sterilgutversorgung e. V. (DGSV) nichts. Eine den normierten Vorgaben genügende Aufbereitung lässt sich – worauf das Verwaltungsgericht als Vorinstanz zu Recht hingewiesen hat – nicht auf andere Weise feststellen.
Soweit die Kläger darauf hingewiesen haben, dass in ihrer Praxis ältere Hand- und Winkelstücke sowie Implantatfräsen mit innen geführtem Spray zur Anwendung kämen, die nicht maschinell aufbereitet werden dürften, bleibt dieser Einwand erfolglos. Das Gericht erkennt für Recht, dass diese älteren und/oder den gesetzlichen Vorgaben nicht (mehr) entsprechende Medizinprodukte nicht mehr verwendet werden können.
Nur in speziellen begründeten Fällen (z. B. Herstellervorgabe, maschinelle Verfahren für ein konkretes Medizinprodukt nicht durchführbar) kann eine manuelle Reinigung/Desinfektion gemäß Standardarbeitsanweisung akzeptiert werden.
Der Einwand, man benutze ältere Instrumente, wird zurückgewiesen. Diese sind durch neue den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Aufbereitung entsprechende Geräte auszutauschen. Gleiches gilt auch für Implantatfräsen mit innen geführtem Spray, denn diese schienen ebenfalls nicht mehr den heute gängigen Modellen zu entsprechen, jedenfalls sind offensichtlich entsprechende Geräte auf dem Markt, die ohne Probleme einer maschinellen Aufbereitung zugeführt werden können.
In der Begründung schließt sich das OVG den Ausführungen des VG Düsseldorf an: Bei der in der Praxis der Kläger auf der Grundlage einer Standardanweisung durchgeführten manuellen Reinigung sowie Desinfektion der verwendeten Medizinprodukte der Klasse „kritisch B“ (Medizinprodukte, die Haut oder Schleimhaut durchdringen und dabei in Kontakt mit Blut, inneren Geweben oder Organen kommen, mit erhöhten Anforderungen an die Aufbereitung) handele es sich nicht um ein im Sinne des Paragrafen 4 Absatz 2 Satz 1 Medizinprodukte-Betreiberverordnung (MPBetreibV) geeignetes validiertes Verfahren. Manuelle Reinigungs- und Desinfektionsverfahren seien regelmäßig nicht validierbar. Validierung sei laut Gericht zu definieren als ein dokumentiertes Verfahren zum Erbringen, Aufzeichnen und Interpretieren der Ergebnisse, die für den Nachweis benötigt werden, dass ein Verfahren beziehungsweise Prozess beständig Produkte liefere, die den vorgegebenen Spezifikationen entsprechen. Die Validierung sei demnach der dokumentierte Nachweis der beständigen Wirksamkeit eines Aufbereitungsprozesses, heißt es bei ADP-Medien mit Bezug auf den OVG-Beschluss.
Soweit die Juristen.
Im Fall Implantatfräsen ist die Lösung simpel: wie der BGH in seinem Urteil zur GOZ festgestellt hat dürfen die Kosten für Implantatfräsen dann dem Patienten in Rechnung gestellt werden, wenn es sich um Einmalfräsen handelt. Es wäre nicht nur wirtschaftlich unvernünftig, Fräsen aufzubereiten (die Kosten können dabei nicht weitergegeben werden), es entspricht auch (siehe Urteil) nicht den gesetzlichen Vorgaben.
Für andere Instrumente muss man nach neuer Rechtslage beachten: nur validierte Verfahren der Aufbereitung sind zulässig, d.h., als Analogie, die sicherlich anzuwenden sein dürfte, es müssen Sterilisatoren mit Protokollausgabe angeschafft werden. Wenn die Richter bereits die Desinfektion nur validiert zulassen (z.B. im Thermodesinfektor), so muss das zwangsläufig auch für die viel techniksensiblere Sterilisation gelten.
Röntgendiagnostik
In den letzten Jahren haben sich die Möglichkeiten computergestützter Verfahren in der Zahnmedizin enorm weiterentwickelt. Die hohe Prävalenz von Nebenbefunden, der deutliche diagnostische Mehrgewinn, die präzisere Planung, der Schutz sensibler Strukturen und die Verkürzung der Operationszeit sind nur einige der Vorzüge. Ein möglicher Nachteil ist jedoch die Kostenablehnung durch private Krankenversicherungen – mit der beispielhaften Begründung: „Eine medizinische Notwendigkeit für eine CT- bzw. DVT-Aufnahme ist nicht erkennbar.“
Ein aktuelles Urteil des Amtsgerichts München vom 26. März 2010 (Az: 173 C 31251/08; Abruf-Nr. 102768 unter www.iww.de ) setzt der Ablehnung der Kostenerstattung durch die Versicherer Grenzen. In diesem Gerichtsverfahren wird die medizinische Notwendigkeit nach Gutachten bestätigt. Eine OPG-Aufnahme vor einer geplanten Weisheitszahnentfernung veranlasste den Zahnarzt, nach Auswertung der Röntgenaufnahme und den erhobenen Befunden zusätzlich eine DVT-Aufnahme anzufertigen. Die PKV billigte die DVT-Aufnahme, lehnte jedoch die Kosten für die Bearbeitung der erhobenen Daten mittels der Planungssoftware SIM-Plant als überflüssig ab.
Der hinzugezogene Sachverständige bestätigte jedoch die medizinische Notwendigkeit und den korrekten Behandlungsablauf. Begründung: Die Daten einer DVT-Aufnahme müssten zuerst in die 3D-Software SIM-Plant eingespielt und bearbeitet (konvertiert) werden. Ohne diese Arbeitsschritte könne keine Auswertung der DVT-Aufnahme und somit auch keine Aufklärung des Patienten vorgenommen werden.
Die Kehrseite der Medaille: wenn Gerichte eine Notwendigkeit für aufwändige Röntgenaufnahmen sehen, dann wird das Unterlassen solcher Befunde als möglicher Kunstfehler anzusehen sein. Unglücklicherweise werden oft in Gutachterverfahren wegen vermuteter ärztlicher Behandlungsfehler im Nachhinein solch hochwerte Röntgenaufnahmen zur Beurteilung herangezogen und dabei auch Befunde erhoben, die dem Zahnarzt bei seinen Aufnahmen nach herkömmlicher Technik nicht zugänglich waren. Die Krux dabei ist, dass es dem Zahnarzt negativ zugerechnet wird, sich nicht mit den modernsten Diagnosemöglichkeiten im Vorfeld einer geplanten Therapie abgesichert zu haben. Eine generelle Linie zeichnet sich bis in die höchsten deutschen Gerichte hinein bei der Rechtsfindung ab: wenn bessere Methoden verfügbar sind, so müssen diese auch angewandt werden, auf wirtschaftliche Aspekte wird dabei keine Rücksicht genommen.
Dies gilt auch für allgemeine Röntgengeräte – die Strahlenschutzverordnung gibt eindeutig vor, dass die Strahlenbelastung für den Patienten so gering als irgend möglich gehalten werden muss, und wenn es Geräte mit geringerer Belastung oder höherer diagnostischer Auswertungsqualität gibt, so sind diese einzusetzen. Deshalb ist auch die regelmäßige Kontrolle mittels Graukeil, Aufzeichnung der Prüfungsergebnisse sowie die regelmäßige Prüfung durch Sachverständige ebenso Vorschrift wie der regelmäßig neu abzulegende Röntgenbefähigungsnachweis. Verstöße werden hart geahndet.
Beratungspflichten
Ein Patient hat einen Rechtsanspruch darauf, vor Behandlung eine ausführliche Beratung zu allen möglichen Therapiealternativen sowie den Vor- und möglichen Nachteilen zu erhalten. Wird diese Beratung unterlassen, so kann der Zahnarzt prinzipiell wegen Körperverletzung mit entsprechend empfindlicher Strafe belangt werden. Im Zweifel wird ein Patient – vertreten durch einen kompetenten Anwalt – Schadensersatz fordern bzw. die Behandlungskosten nicht tragen wollen mit dem Verweis auf die mögliche Strafbarkeit. Dabei steht der Zahnarzt dann vor einem echten Dilemma: zahlt er, kann er das nicht an seine Versicherung weitergeben, zahlt er nicht, droht ihm ein Strafverfahren. Der Schaden ist dann so oder so nicht unerheblich.
An die Beratungspflicht werden nur dann keine solch hohen Anforderungen gestellt, wenn (im späteren Prozess) ein Gericht zur Auffassung gelangt, zu der Therapie hätte es keine Alternative gegeben bzw. ein Patient hätte sich sowieso für diese Therapie entschieden.
Die Beratung muss jedenfalls stets vom Arzt persönlich erbracht werden, und auch eine Beratung zu finanziellen Folgen ist laut höchstrichterlicher Rechtsprechung obligat.
Insbesondere bei chirurgischen Eingriffen sollte man diesem Aspekt große Aufmerksamkeit widmen und die erfolgte Beratung sorgfältig dokumentieren. Um nichts zu vergessen empfiehlt es sich, ein Informationssystem zu nutzen, in dem die Alternativen gelistet sind (dann kann man nicht so leicht etwas vergessen) und sich vom Patienten per Unterschrift bestätigen zu lassen, dass die Beratung erfolgt ist (samt Listung aller abgearbeiteter Themen, z.B. InfoManager www.gh-praxismanager.de). Als Daumenregel sollte man sich merken: je größer der Eingriff und je mehr mögliche Langzeitwirkungen, desto mehr Aufklärung. Die Aufklärung muss – und dies ist besonders wichtig – auch auf die Folgen einer Unterlassung eines Eingriffs hinweisen. Es genügt nicht, wenn eine Maßnahme beendet ist (z.B. eine Zahnentfernung) den Patienten zu entlassen – dieser muss in jedem Fall darüber informiert werden, dass der Zahnverlust bedeutsame Folgen hat, wie Zahnwanderung, Okklusionsstörung mit Langzeitfolge Kiefergelenksbeschwerden, Alveolarfortsatzatrophie, usw. Wer, salopp ausgedrückt, nicht drauf hinweist, dass schleimhautgetragene Prothesen – also die GKV-Lösung – langfristig die Gesundheit gefährden, macht sich eines Aufklärungsmangels schuldig.
Die Beratung muss unabhängig von den Vorgaben des SBG V bzw. der BEMA-Richtlinien erfolgen, d.h., man darf beim Kassenpatienten nicht vergessen auf Möglichkeiten der Privatbehandlung hinzuweisen. Dies ist keine „Geschäftemacherei“, sondern vom BGH auferlegte Pflicht.
Dass die GKV Einschränkungen beinhaltet, stört die Rechtsprechung insofern nicht, als die Gerichte davon ausgehen, dass man ja durchaus auch Eigenkosten übernehmen könnte.
Beispielhaft sei hier ein Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen L 5 KR 140/03 zitiert, das sich auf die §§ 13 Abs. 3 S. 1 SGB V, 28 Abs. 2 S. 9 SGB V und 92 Abs. 1 SGB V bezieht und das vorausgehende Urteil des Sozialgerichts Köln vom 02.07.2003 – AZ: S 5 KR 209/01 bestätigt.
„Eine extreme Alveolarfortsatzatrophie ist in den insoweit maßgeblichen Richtlinien des Bundesausschusses der Zahnärzte und Krankenkassen für eine ausreichende zweckmäßige und wirtschaftliche vertragszahnärztliche Versorgung nicht als Grund für implantologische Leistungen anerkannt. Diese Leistungsbeschränkung verstößt nicht gegen höherrangiges Recht“.
Der konkrete Fall:
Die Klägerin war bei der Beklagten (GKV) zunächst im Rahmen der freiwilligen Versicherung ihres Ehemann (ohne Wahl der Kostenerstattung) und dann über dessen Pflichtversicherung familienversichert. Unter Vorlage eines Kostenvoranschlags des Zahnarztes über 47.468,22 DM beantragte sie, ihr die Kosten für eine Implantatversorgung im Oberkiefer zu erstatten. Nach der Rechnung war eine Implantatversorgung im Oberkiefer wegen der Diagnose eines zahnlosen Oberkiefers, einer extremen Alveolarfortsatzatrophie, einer Protheseninsuffizienz und stark pneumatisierte, nach kausal extendierter Kieferhöhlen durchgeführt worden.
Die Kasse lehnte die Kostenerstattung für die "Implantatbehandlung (ggf. einschließlich eines implantatgestützten Zahnersatzes)" ab. Der Widerspruch dagegen wurde bis zum Landessozialgericht kostenpflichtig zurückgewiesen.
Trotzdem war es richtig, bei der Patientin die Implantatversorgung durchzuführen, schließlich war es deren Entscheidung und wohl auch die aus medizinischer Sicht beste Behandlungsalternative.
Dass bei allen chirurgischen (wie im Übrigen auch allen anderen) Therapien ausreichende Fachkenntnisse vorhanden sein müssen versteht sich von selbst. Zusätzlich besteht jedoch noch die Pflicht Patienten darüber aufzuklären, wenn man sich als Zahnarzt gerade eine neue Therapievariante angeeignet hat und deshalb noch keine große persönliche Erfahrung auf diesem Gebiet hat. Auch darf während eines chirurgischen Eingriffs bei einer Änderung der Therapieplanung (z.B. weil sich intra operationem neue Gesichtspunkte ergeben haben) ohne Einwilligung des Patienten nicht weiter operiert werden. Das ist bei Lokalanästhesie im Allgemeinen kein Problem, bei Eingriffen unter Narkose jedoch schon. Theoretisch müsste der Patient aus der Narkose geweckt und um Einwilligung gefragt werden. Hier könnte man darauf verzichten, wenn das Narkoserisiko gegenüber dem veränderten Eingriff größer wäre. Besser jedoch ist es allemal, schon in der Planung solche unvorhergesehenen Vorkommnisse zu vermeiden, z.B. indem man die Beratung auf die möglichen Änderungen ausdehnt.
Rechtliche Fallen
Zum Beispiel unter https://www.arzthaftung-wegen-behandlungsfehler.de/zahnarzthaftung.html lassen sich aktualisierte Urteile finden, die hilfreich in möglichen Auseinandersetzungen sein mögen. Beispielhaft sei hier zitiert:
Beispiel 1: Der beklagte Zahnarzt führte eine Vitalitätsprobe mittels Kältespray durch. Diese Probe hat ergeben, dass der Zahn nicht mehr vital gewesen ist. Auch die Verfärbung des Zahnes deutete auf eine fehlende Vitalität des Zahnes hin. Daraufhin hat der Zahnarzt den Zahn im Rahmen einer Endotherapie trepaniert. Dabei bemerkte er, dass der Zahn doch noch vital ist. Da das Pulpencavum bereits eröffnet wurden war, führte er eine Vitalexstirpation und folgende Endo durch.
Der Patient forderte Schmerzensgeld wegen einer fehlerhaften Zahnbehandlung.
Das Gericht sprach dem Kläger das Schmerzensgeld in Höhe von 4.000 Euro zu. Dabei stützte sich das Gericht auf das medizinische Gutachten. In dem Gutachten stellte der Gutachter fest, dass die Prüfung allein mittels Kältesprays ungeeignet war, die Vitalität des Zahnes zu prüfen. Vielmehr hätte der beklagte Zahnarzt vor der Trepanation des Zahnes eine Röntgenaufnahme anfertigen müssen, um die Wurzelspitze auf eine apikale Aufhellung zu untersuchen. Das hat er unterlassen. Das Gericht hat das als einen groben Fehler bewertet.
Dabei gilt zu beachten: unnötige Röntgenaufnahmen werden wegen der hohen Strahlenbelastung ebenfalls als fehlerhaft angesehen – es ist deshalb unbedingt eine strenge Indikation mit sorgfältiger Dokumentation zu stellen!
Beispiel 2: Der Zahnarzt führte eine Devitalisierung mittels Toxavit durch. Der Gutachter stellte in dem späteren Gerichtsverfahren fest, dass die Verwendung dieses Medikaments fehlerhaft war. Toxavit gehört nicht mehr zum zahnmedizinischen Standard wegen der Gefahr eines schädigenden Einflusses auf den Gesamtorganismus.
Beispiel 3: Der beklagte Zahnarzt führte eine Sofortimplantation durch. Infektionsbedingte Wundheilstörungen erforderten dann aber weitere Behandlungen. Der Sachverständige im Gerichtsverfahren stellte fest, dass es zwar ist es nicht grundsätzlich fehlerhaft wäre eine Sofortimplantation durchzuführen, in dem konkreten Fall aber war das kontraindiziert, weil der Kläger einen Knochendefekt aufwies. Es wurde deshalb gleichzeitig eine Augmentation mit Fremdmaterial vorgenommen. Wegen der Infektionsgefahr hätte aber zugewartet werden müssen.
Beispiel 4: Der beklagte Zahnarzt hat fehlerhaft unterlassen, im Anschluss an die Wurzelbehandlung eine Röntgenkontrolle durchzuführen und eine weitere Behandlung unterlassen. Das OLG Köln sah darin einen groben Behandlungsfehler und hielt ein Schmerzensgeld von 500,- EUR für angemessen.
Beispiel 5: Eine Patientin bekam die prothetische Versorgung ihres Oberkiefers beim beklagten Arzt erneuert. Dabei hat dieser in einem Aufklärungsgespräch nie die alternativen Behandlungsmethoden erwähnt. Der Sachverständige stellt fest, dass bei der Klägerin verschiedene Möglichkeiten der zahnmedizinischen Versorgung in Betracht zu ziehen gewesen wären. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung, dass ein Arzt dem Patienten mitteilen muss, welche Möglichkeiten und damit verbundene Risiken und Erfolgschancen gegeben sind. Es ist dann Sache des Patienten, zu entscheiden, welche Methode er auswählt (OLG Koblenz, Urteil vom 20.07.2006).
Beispiel 5: Der beklagte Zahnarzt hat eine unnötige Endo an einem vitalen Zahn vorgenommen. Das Gericht kam zum Ergebnis, dass der Zahnarzt für die zukünftigen Schäden im Zusammenhang mit dem Zahn verantwortlich ist, weil das Ergebnis seiner fehlerhaften Behandlung in der Zukunft zu einem Verlust des Zahnes führen wird (OLG Hamm, Urteil vom 24.10.2006).
Beispiele für gerichtlich zugesprochenes Schmerzensgeld
– bei fehlerhaften Wurzelbehandlung an einem vitalen Zahn 4.000 €, weil der Zahn in Zukunft verloren sein wird (OLG Hamm, Urteil vom 24.10.06)
– 5.000 Euro für eine fehlerhafte Implantation (OLG Frankfurt, Urteil vom 07.08.2007)
– 6.000 Euro für vier verlorene Zähne (OLG Koblenz, Urteil vom 20.07.2006)
– 12.500 € Schmerzensgeld für den Verlust von 2 Zähnen und Schmerzen infolge einer fehlerhaften Behandlung ( OLG Köln)
Auch wenn es dem Zahnarzt störend vorkommen mag – man muss sich an die rechtlichen Vorgaben halten, sonst fängt man sich Ärger ein!