Abrechnung mal anders

Was man in Abrechnungskursen (nicht) lernt

 

Die Abrechnung in der GKV ist eine äußerst komplexe Angelegenheit. Da gibt es Ausschlusskriterien – die eine Leistung darf man neben einer anderen in Ansatz bringen, jene nicht, usw. -, so dass sich eine Regel eingebürgert hat: rechne ab was möglich ist, denn, es müssen jede Menge Leistungen, die zwar erbracht wurden, jedoch nicht nebeneinander abgerechnet werden dürfen, außen vor bleiben.

Nun schreiben die Regeln aber vor, dass nichts abgerechnet werden darf was nicht tatsächlich auch gemacht worden ist. Findet die KZV heraus, dass Leistungen abgerechnet wurden ohne dass eine Leistung dagegen steht, so ist die KZV gezwungen(!) die Staatsanwaltschaft zu verständigen, denn, das wäre Betrug (noch schlimmer: das ist gewerbsmäßiger Betrug zum Nachteil der Versichertengemeinschaft), und so etwas ist ein mittelschweres Verbrechen, worauf mal eben bis zu fünf Jahre Gefängnis stehen. Weil das so ohne Alternative ist nehmen die Prüfer der KZV fast immer zugunsten des Geprüften eine Unwirtschaftlichkeit an. Das müssen sie aber nicht!

Erwischte Sünder wirken dann sehr erstaunt: das haben wir doch schon immer so gemacht, warum soll das denn verboten sein? Nun ja, es gibt die Regel: wo kein Kläger da kein Richter. Nun wird es aber schwieriger. Die Kassen haben weiterentwickelte Programme, die systematisch Abrechnungen durchleuchten. Zusätzlich wurden von den KZVen Leute auf die ZE- und Labor-Abrechnungen angesetzt. Da haben die Abrechnungskräfte zunehmend Erklärungsnotstand, wenn sie das den KZV-Mitarbeitern erläutern sollen.

Daneben gibt es, je nach KZV-Bezirk, unterschiedliche Prüfvereinbarungen für eine nachträgliche Wirtschaftlichkeitsprüfung. Um einem weit verbreiteten Vorurteil gleich zu begegnen: das BSG hat in einem ziemlich aktuellen Urteil entschieden, dass die Prüfung bis zu vier Jahre zurückreichen darf – Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 15. August 2012,  (Az.: B 6 KA 45/11 R). Positiv an der Entscheidung ist „…wird eine Wirtschaftlichkeitsprüfung nur angekündigt, aber nicht innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist durchgeführt, darf kein Regress mehr festgesetzt werden…, und … der Lauf der 4-Jahres-Frist wird durch eine unbegründete Prüfankündigung nicht gehemmt

Was heißt das nun?

Wird von der Kasse ein Prüfantrag gestellt, so ergeht seitens der Prüfungsstelle ein Prüfverfahren. Die Eröffnung dieses Prüfverfahrens wird der Praxis mitgeteilt. Ab diesem Zeitpunkt wird die Verjährung „gehemmt“, d.h., es können ab Eröffnung des Prüfverfahrens volle 16 Quartale rückwirkend geprüft werden, wobei die Prüfungsstelle jetzt Zeit hat. Das ist der Grund, dass immer mehr Prüfanträge gestellt und Prüfverfahren eröffnet werden, trotz offensichtlicher Überlastung der Prüfungsstellen.

Die Erfahrung zeigt dass pro Prüfung etwa durchschnittlich 10 000 € an Regressen fällig gestellt werden. Rechnet man das hoch so kommt eine namhafte Summe dabei heraus – das Geld fließt den Kassen zu, nicht der KZV. Der größte bisher uns bekannt gewordene Regress betrug 240 000 €. Wie das zustande kommen kann? Da wurde erst ein Prüfverfahren eröffnet, die geprüfte Praxis hat sich eines Anwalts bedient um die Prüfung abzuwehren, und der hat halt Verfahrenstricks angewendet. Mit Abrechnung kennt sich ein Anwalt ja meist – praktisch immer – nicht aus. Da haben die weiter Prüfanträge gestellt, weil, die alten sind ja in Bearbeitung gewesen und damit keiner Verjährung unterworfen. Je länger sich nun das erste Verfahren hingezogen hat desto mehr Quartale kamen in die Prüfung – und, wie ein anders Urteil des BSG vorgegeben hat, man darf die Prüfergebnisse weniger Quartale, sofern eine Systematik erkennbar ist, auf alle späteren Prüfquartale hochrechnen. Wenn dann letztlich sechs Jahre mit allen Quartalen in der Prüfung sind, dann sind 240 000 eigentlich gar nicht mehr so viel. Für die Praxis bedeutet das jedoch den vollkommenen Ruin: nicht nur dass 240 000 für Jeden eine ungeheure Summe sind, da hat man sogleich auch noch ein teures Disziplinarverfahren am Hals. In einem anderen betreuten Fall hat man dem Zahnarzt im Disziplinarverfahren nahegelegt er möge „freiwillig“ die Zulassung niederlegen, schließlich ist er in die Privatinsolvenz gegangen und lebt jetzt auf Hartz IV Niveau.

Dies soll erst einmal die Dimension der Problematik verdeutlichen. Die Prüfungsfrequenz nimmt drastisch zu, das hat jetzt eine ureigene Dynamik. Als Folge wird der „Landesdurchschnitt“, also das arithmetische Mittel der Abrechnungssumme aller Praxen im KZV-Bezirk, abgesenkt, ist eine einfache mathematische Schlussfolgerung: der Durchschnitt wird errechnet aus der Summe der Gesamtheit aller Abrechnungen, geteilt durch die Anzahl der an der kassenärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzte. Logisch, dass dann, wenn die oberen Abrechner gekappt werden der Durchschnitt sinkt. Mathematisch gesehen ist es nur eine Frage der Zeit bis der Durchschnitt auf Null sinkt. Weiß eigentlich jeder Grundschüler. Damit fallen immer mehr vorher durchschnittlich arbeitende Zahnärzte als Vielabrechner in die Prüfung, obgleich sie gar nicht mehr abrechnen je Patient. Dies sei eine Binsenweisheit? Ja, ist es – nur, die Juristen scheinen das nicht kapiert zu haben. Die nimmer noch aktuellen Urteile des Bundesverwaltungsgerichts sehen die Prüfung nach statistischen Daten als durchaus sinnhaft und gerecht an. Die Beobachtung des Landesdurchschnitts einiger Landes-KZVen hat gezeigt, dass sich die Abrechnungssumme (gerechnet in Punkten pro Fall pro Quartal) in den letzten zehn Jahren glatt halbiert hat. Daran dürfte auch mit schuld sein, dass Zahnärzte, die dem Druck entgehen wollen, überall da, wo es möglich ist, in die Privatliquidation ausgewichen sind. Dessen ungeachtet wird unisono von Politik und Kassen verkündet wie erfolgreich doch die Arbeit der Prüfungsstellen sei, würden doch unermessliche Wirtschaftlichkeitsreserven dadurch gehoben.

Das wird sich deshalb bestimmt nicht so rasch zum Besseren wenden.

Was wäre zu tun?

Gegenwehr bei der Statistikprüfung

Im Prüfbescheid erhält der Zahnarzt die Möglichkeit zur Abgabe einer „fachlichen Stellungnahme“, bei der, so wird erläutert, „Praxisbesonderheiten“ sowie „kompensatorische Einsparungen“ anzugeben sind. Einsparungen kann man nur dann ins Feld führen, wenn Einzelpositionen als „unwirtschaftlich“ ins Prüfverfahren gekommen sind, also z.B. zu viele Füllungsleistungen, oder, was gerne beanstandet wird, cp, bmf, üz, sk, Ä935d. Wenn man die statistische Auswertung zur Hand nimmt findet man stets Positionen, bei denen man unter LD liegt, das muss dann kreativ und glaubhaft als kompensatorische Einsparung dargelegt werden.

 Praxisbesonderheiten sind meist eine Falle: da erläutert der Zahnarzt gerne, dass die Praxis wenige Patienten habe und deshalb besonders gute Patientenversorgung betreiben könne. Das liegt so daneben dass man es nicht einmal im späteren Beschwerdeverfahren mehr reparieren kann.

Praxisbesonderheiten müssen stets in den Patienten begründet sein – also z.B. besonders viele Alte, Jugendliche, Migranten, usw., kurz, Patientensubpopulationen, bei denen der Nachweis erbracht wurde, dass ein erhöhter Behandlungsbedarf gegeben ist. Daneben sind fachliche Spezialisierungen, z.B. PAR, eine Möglichkeit überdurchschnittliche Abrechnungsmengen zu erklären.

Da die Prüfungsstellen natürlich Geld einbringen müssen – dazu sind sie ja da – werden die Argumente schon genau geprüft und mit Urteilen verglichen – was die Kassen gar nicht brauchen können sind teure Gerichtsverfahren. Mit genügend Kenntnissen der Systematik kann man da die Summe, die im Feuer steht, massiv reduzieren.

Problematik Dokumentation

Ein weiteres Problemfeld, das in Abrechnungskursen – leider – auch ausgespart wird ist die korrekte RiLi-gemäße Dokumentation. Einige KZV-Bezirke haben Prüfvereinbarungen, dass stets eine Prüfung nach Aufzeichnungen („Kartei“) vorgenommen wird, andere legen bei erfolgloser Statistikprüfung mit Einzelfallprüfungen nach, alle jedoch nutzen die Rechtsprechung, dass nach Prüfung zweier aufeinander folgender  Quartale auf weitere Prüfungen verzichtet werden darf und einfach hochgerechnet wird. Spart Arbeit und bringt richtig Geld ein. Die Prüfung der Aufzeichnungen bringt noch mehr für die Prüfer als die Statistik. Denn, in den seltensten Fällen ist die Dokumentation ausreichend bzw. RiLi-gemäß. Da steht z.B. bei „sk“ nichts: kein Zahnpaar, keine andere Erläuterung, einfach: nichts. Oder bmF: ohne jegliche Niederschrift, was denn nur gemacht wurde oder weshalb (beides erforderlich!). Oder Füllungen: da wird die 13b abgerechnet, ohne den Zusatz „ZE“, was natürlich zur Auffälligkeitsprüfung führt. Oder Endo: da wird zwar die Kanalaufbereitung abgerechnet, aber keine Wurzelfüllung (klar, Patient ist weggeblieben) – das führt ohne Eintrag zur Kürzung, weil, der Zahnarzt ist laut RiLi verantwortlich für den lege artis Abschluss einer angefangenen Therapie.

Daneben finden sich auch Fehler in der Abrechnungssystematik. Da werden z.B. Leistungen aus der Kons während der PAR-Therapie abgerechnet. Folge: die ganze PAR wird gestrichen, weil, laut RiLi muss die Vorbehandlung alle Kons-Leistungen beinhalten. PAR ohne abgeschlossene Sanierung ist unzulässig.

 Deshalb der dringende Rat: legen Sie per QM fest, dass Ihre Dokumentation den Richtlinien entspricht und überprüfen Sie die Arbeit Ihrer Mitarbeiterinnen

 Bei aller Tüchtigkeit und Motivation: die Abrechnungskraft haftet nicht für Fehler, das tun Sie, der Zahnarzt ganz alleine!

Und: sorgen Sie dafür dass die Richtlinien in der Praxis verfügbar sind und auch tatsächlich durchgearbeitet werden. Nichts unglücklicher als eine Argumentation vor der Prüfungsstelle mit Dingen, die nicht den RiLis entsprechen, da wird man der Lächerlichkeit preisgegeben. Ist kein schönes Erlebnis.

Und wenn Sie Probleme haben: ziehen Sie sich nicht ins stille Kämmerlein zurück und lecken Ihre wunden – tun Sie was: Versichern Sie sich fachkundigen Beistands, reorganisieren Sie Ihre Praxisabläufe, und vor allem, bereiten Sie sich auf die Prüfung vor – denn, früher oder später erwischt es auch Ihre Praxis!

 

 

Anhang: SGB V, Prüfvereinbarung Muster

Weitere Informationen: www.securdent.de (Beistand bei Prüfungen);  www.dentalkolleg.de (Fortbildung „Prüfungsprophylaxe“)

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