BGH-Urteil:
HKP´s dürfen versteigert werden!
Es ist kaum zu glauben: da entscheidet ein deutsches oberstes Gericht (AZ I ZR 55/08), dass auf Basis eines Heil- und Kostenplans, den ein Kollege ohne Bezahlung (!) erstellt hat, ein profitorientiertes (!) Internetunternehmen (www.2te-zahnarztmeinung.de) die Arbeit quasi versteigern kann, und zwar erhält der billigste Bewerber dann den Zuschlag. Was kann man daraus schließen? Entweder die Richter sind von allen guten Geistern verlassen, oder, die Anwälte der Zahnärzteschaft sind grottenschlecht. Nach aller Erfahrung ist letzteres wohl der Fall.
Man muss sich das mal vorstellen: da bewirbt sich ein Zahnarzt lediglich auf Grund eines HKP´s um eine zahnärztliche Arbeit, die er dann ohne weitere Planung realisieren will. Aha. Das wäre jedenfalls eine strafbare Körperverletzung, denn, so haben zahlreiche Gerichte entschieden, ein Arzt muss stets eine eigene Untersuchung, Diagnose und daraus hergeleitet Therapieentscheidung abarbeiten, ohne Wenn und Aber. Da ist erst vor kurzem ein Chirurg in letzter Instanz zu hoher Strafe verurteilt worden (er hatte das falsche Bein abgenommen oder sowas und sich darauf berufen, er habe sich auf die Diagnose der ihm zuarbeitenden Ärzte verlassen), mit der Begründung, er sei stets verantwortlich und könne sich nicht auf andere Ärzte verlassen. Der scheinbare Widerspruch lässt sich wohl nur so erklären, dass man die zahnärztliche Tätigkeit als ungefährlich, zumindest aber als unwichtig einschätzt. Das bisschen bohren kann ja nicht problematisch sein, oder so. Wenn dann die Realität anders aussieht – der BGH muss ja im Strafprozess nicht entscheiden, das tut jedenfalls ein anderer Senat, falls ein Fall so hoch kommen sollte, gibt ja etliche davon.
Sehen wir uns die Sache mal genauer an: auf Basis eines HKP darf der (Zahn)arzt nicht tätig werden, das steht fest. Also muss der Bewerber alles nochmal machen: Untersuchung, Diagnose und dann Therapieplanung, und wenn er nun zu einer anderen Therapieentscheidung kommen sollte, geht das Ganze von vorne los. Kann so doch gar nicht funktionieren, oder?
Hätte ein Anwalt das so vorgetragen hätte der BGH mit Sicherheit anders entscheiden müssen. Hat er aber nicht. Kann man dem Urteil entnehmen, dass da ganz komisch argumentiert wurde (siehe unten) – da ist das Gericht natürlich auf die Idee gekommen, dass nur Pfründe verteidigt werden sollten und dass es nicht – wie tatsächlich – um originär formaljuristische Belange geht, nämlich den (zahn)ärztlichen Behandlungsvertrag.
Kann man sich jetzt vorstellen, wie zahnärztliche Belange vor Gericht von Anwälten – und unserer Standesvertretung – vertreten werden? Da kann´s einem schlecht werden. Nun ja, Jurastudenten mit schlechten Examen werden Anwälte, weil sie nix anders machen können, höchstens Taxifahren. Juristen mit guten Examen gehen in den Staatsdienst, oder zur Versicherung. Klar, ab und zu wird auch mal ein guter Jurist Anwalt, das soll´s geben, nur, man kriegt ja nie mitgeteilt, welches Examen der jeweilige Anwalt gemacht hat und wo, da gibt´s ja auch noch Unterschiede von Bundesland zu Bundesland.
Müssen wir also vom schlimmsten Fall ausgehen, unser Anwalt hat ein schlechtes Examen gemacht, und das in einem Bundesland mit geringen Anforderungen, jedenfalls nicht in Bayern. Dann kann der auch unsere Standesbonzen nicht richtig beraten, und die Sache geht mal wieder – wie so oft – in die Hose. Was bedeutet das für uns? Wenn ich als Zahnarzt einen Anwalt brauche, lass ich´s lieber, der vertritt meine Interessen nicht oder so schlecht, dass es ohne besser ginge. Haben viele Kollegen schon so erlebt: der Anwalt war bestenfalls jemand zum Aktentragen, geholfen hat er nicht. Verlassen wir uns lieber nicht drauf, dass uns geholfen wird.
Und im Fall eines HKP: dann weigern wir uns eben einfach, überhaupt noch HKP´s herauszugeben – wenn ein GKV-Versicherter sowas braucht, dann schicken wir den Plan direkt zur Kasse und sehen zu, dass die den genehmigten Plan an die Praxis schickt, dann kriegt der Patient den gar nicht in die Finger und kann keinen Unsinn damit anstellen. Oder, wir machen´s wie die Autowerkstatt: da ist der Kostenvoranschlag nur dann umsonst, wenn man die Reparatur oder den Service auch dort machen lässt, sonst bezahlt man. Dabei ist ein Kostenvoranschlag in der Werkstatt was primitives, ganz anders als unser HKP.
Da hätte die Standesführung mal eine echte Aufgabe – die Erstellung eines HKP muss wieder bezahlt werden, und dafür lohnt es sich auch zu streiten. Da ist ein Streik möglich und sinnvoll, die Hausärzte machen es uns grade vor, wie das geht. Machen wir so lange keinen ZE bis das Problem gelöst ist!
Geht nicht? Ja, was sollen die Zahnärzte denn noch alles hinnehmen, bis sie sich endlich mal zur Wehr setzen? Und was geht nicht? Das man versucht, dem Gesetzesauftrag nachzukommen und die fehlerhafte Behandlung, die zwangsläufig herauskommt, wenn man solche Dummheiten zulässt, zu vermeiden sucht? Ist denn das nicht genau die Berufung eines Arztes?!
Aus dem Urteil:
„Die Beklagte betreibt eine Internetplattform, auf der Patienten den Heil- und Kostenplan ihres Zahnarztes einstellen und alsdann andere Zahnärzte innerhalb einer bestimmten Zeit eine alternative eigene Kostenschätzung abgeben können. Dem Patienten werden sodann die fünf preisgünstigsten Kostenschätzungen ohne Angabe der Namen und Adressen der Zahnärzte mitgeteilt. Sofern er sich für eine der Kostenschätzungen entscheidet, übermittelt die Beklagte die jeweiligen Kontaktdaten an beide Seiten. Wenn daraufhin ein Behandlungsvertrag mit diesem Zahnarzt zustande kommt, erhält die Beklagte von dem Zahnarzt ein Entgelt in Höhe von 20% des mit dem Patienten vereinbarten Honorars. Nach der Behandlung geben die Patienten auf der Plattform der Beklagten eine Beurteilung des ihnen vermittelten Zahnarztes ab, in der sie insbesondere angeben können, ob sich der betreffende Zahnarzt an seine Kostenschätzung gehalten hat.
Die Kläger, zwei in Bayern tätige Zahnärzte, sind der Ansicht, dass die Beklagte die an ihrem Geschäftsmodell teilnehmenden Zahnärzte zu Verstößen gegen Vorschriften in der Berufsordnung für die bayerischen Zahnärzte und damit auch zu einem wettbewerbswidrigen Verhalten verleitet. Das Landgericht München I und das OLG München haben der gegen die Beklagte erhobenen Unterlassungsklage stattgegeben. Der Bundesgerichtshof hat diese Urteile nun aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Es ist – so der BGH – nicht zu beanstanden, wenn ein Zahnarzt, auf den ein Patient mit einem von einem anderen Zahnarzt erstellten Heil- und Kostenplan und der Bitte um Prüfung zukommt, ob er die Behandlung kostengünstiger durchführen kann, eine alternative Kostenberechnung vornimmt und, sofern sich der Patient daraufhin zu einem Zahnarztwechsel entschließt, auch dessen Behandlung übernimmt. Das beanstandete Geschäftsmodell erleichtert ein solches Vorgehen und ermöglicht es dem Patienten, weitergehende Informationen zu den Behandlungskosten zu erhalten. In diesem Sinne dient das Verhalten der Zahnärzte, die sich durch die Abgabe von Kostenschätzungen am Geschäftsmodell der Beklagten beteiligen, den Interessen der anfragenden Patienten. Dementsprechend kann in einem solchen Verhalten nicht zugleich ein dem Grundsatz der Kollegialität zuwiderlaufendes und deshalb berufsunwürdiges Verdrängen von anderen Zahnärzten aus ihrer Behandlungstätigkeit gesehen werden.
Soweit die Zahnärzte der Beklagten für jeden über die Plattform vermittelten Patienten, mit dem ein Behandlungsvertrag zustande kommt, ein Entgelt zahlen, verstoßen sie im Übrigen auch nicht gegen die Bestimmung der Berufsordnung, die es ihnen verwehrt, für die Zuweisung von Patienten ein Entgelt zu gewähren. Die Leistung der Beklagten besteht nicht in der Zuweisung von Patienten, sondern im Betrieb ihrer Internetplattform, über die Patienten und Zahnärzte miteinander in Kontakt kommen.“
Damit sind die vorherigen Gerichtsentscheide gegenstandlos:
Urteil vom 1. Dezember 2010 – I ZR 55/08 – Zahnarztpreisvergleich
OLG München – Urteil vom 13. März 2008 – 6 U 1623/07 – MedR 2008, 509
LG München I – Urteil vom 15. November 2006 – 1 HKO 7890/06 – M „