Sozial Schwache und Migranten sind kränker

Ein Lichtblick: endlich wieder einmal objektive Daten zur Morbidität unterschiedlicher Patientenpopulationen!

 

Die Inhomogentität der Patienten hinsichtlich Behandlungsbedürftigkeit wird bisher – leider – weitgehend geleugnet. Es wird hingegen angenommen, die Therapiebedürftigkeit sei durchschnittlich bei allen Patienten aller Praxen im Landesdurchschnitt, was sich bei Wirtschaftlichkeitsprüfungen für Praxen mit besonderem sozialem Engagement und überdurchschnittlich hohem Anteil an sozial Schwachen und/oder Migranten äußerst negativ auswirkt. Nicht nur, dass Praxen mit solchem Patientengut wegen der oftmals geringen Zuzahlungsbereitschaft bzw. –fähigkeit  sowieso schon wirtschaftlich nicht so optimal dastehen, sie werden mittels Honorarrückforderungen (Regress)  zusätzlich in ihrer Fähigkeit, den Menschen in Not beizustehen, geschädigt. Eine aktuelle Studie aus Berlin („Auswirkungen der sozialen Lage und Herkunft auf die Zahngesundheit von Schulanfängern“, Jeffrey Butler, Matthias Brockstedt und Ursula Uhlig, BA Mitte von Berlin, 2013) gibt Hinweise darauf, dass die schon von Pieper, Göttingen, festgestellte Schieflage der Zahnerkrankungen, bestätigt von Kocher, Greifswald, sowie von der LAGZ Bayern und vom RKI, Berlin, weiterhin besteht und sich eventuell sogar verfestigt hat. Die Ergebnisse aus Berlin Mitte, erhoben mittels schulzahnärztlicher Untersuchungen, lassen zumindest den Schluss zu, dass Kinder und Jugendliche unterschiedlicher sozialer Schichten sowie Herkunft durchaus messbare Unterschiede in der Zahngesundheit aufweisen. „In der Analyse zeigten sich die zwei Variablen soziale Lage und ethnische Herkunft als ausschlaggebend für die Zahngesundheit der Kinder. Zum Teil sind sie voneinander abhängig, sie üben jedoch eigenständige Einflüsse auf das Gesundheitsverhalten der Kinder aus. Dadurch, dass mit individuellen Daten berechnet wurde, konnte das relative Gewicht der unterschiedlichen Einflussfaktoren festgestellt werden. Hier zeigten sich insbesondere die untere soziale Schicht und die Herkunftsgruppen „türkisch“ und „ehem. Ostblock“ statistisch signifikant.

Es ist an der Zeit dass die Prüfungsstellen endlich darauf Rücksicht nehmen und das durchaus individuelle Patientengut – hier wären z.B. auch andere soziale Faktoren zu berücksichtigen, z.B. hoher an Anteil an Drogensüchtigen – in der Prüfung berücksichtigen.

Voraussetzung ist allerdings, dass in den Praxen auch diese „Problem-Patienten“ erfasst werden.  Das heißt im Klartext, es ist bei der Patientenaufnahme neben allgemeinen Fragen auch der soziale Status sowie die Migranteneigenschaft zu erfragen. Damit kann die Praxis einigermaßen wirkungsvoll dokumentieren, dass eine Abweichung der Behandlungstätigkeit eben nicht „unwirtschaftlich“ ist, sondern den Vorgaben des SGB V gemäß „medizinisch notwendig“ und „das notendige Maß nicht übersteigend“, wobei die Wirtschaftlichkeit der Behandlungstätigkeit auf andere Weise (also nicht nach rein statistischen Daten im Vergleich zum Landesdurchschnitt) geprüft werden muss.

Dies wäre auch dann hilfreich, wenn in dem zuständigen KZV-Bezirk eine andere Prüfvereinbarung als die Prüfung nach statistischen Daten (Einzelfallprüfung) gilt. Denn, wenn im Krankenblatt die Eigenschaft als Hochrisikopatient (Migrant, sozial schwach, Diabetiker, Xerostomie, HIV, o.ä.) dokumentiert ist, ist die Beweislage für den Zahnarzt deutlich besser, als wenn sich solche Hinweise für eine notwendige über Durchschnitt aufwändige Behandlung nicht finden lassen. Insofern sollten alle Aufnahmefragebögen der Situation angepasst werden und solche Fragen enthalten.

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