Praxishygiene

Praxishygiene –

Rechtliche Pflicht und moralische Verpflichtung

Das Infektionsschutzgesetz (IfSG) hat den Zweck, die Bürger des Landes vor vermeidbarer Ansteckung mit übertragbaren Krankheiten zu schützen. In § 36 wird konkret auf den Infektionsschutz im ärztlichen Bereich eingegangen. Hier wird durch Gesetz bestimmt, dass medizinische Dienstleister, wie z.B. Zahnärzte, bei denen invasive Eingriffe vorgenommen werden, durch die entsprechenden Kontrollbehörden überprüft werden können. Solche Behörden können die Gewerbeaufsichtsämter oder die Gesundheitsämter sein, dies ist länderspezifisch geregelt.

Nun muss die Hygiene ja überall beachtet werden, nicht nur in (Zahn)Arztpraxen, auch in der Gastronomie, im Kosmetiksalon und natürlich auch in der Klinik. Hier hat es in letzter Zeit etliche unrühmliche Vorfälle gegeben – z.B. musste vor Jahren die Instrumentenaufbereitung der Münchner Kliniken wegen gravierender Mängel zeitweilig geschlossen werden, und Gastonomiebetriebe werden in schöner Regelmäßigkeit auffällig.

Das Gesundheitsamt Frankfurt am Main hat kürzlich die Ergebnisse eines Pilotprojektes veröffentlicht (nachzulesen in ZMK v. 12.09.2014); es wurden die geforderten hygienischen Standards in der Zahnarztpraxis schwerpunktmäßig überprüft. Insgesamt wurde durch Beauftragte der Landeszahnärztekammer Hessen eine Begehung von 127 zahnärztliche Praxen im Stadtgebiet Frankfurt durchgeführt, wobei hygienerelevante Standards anhand einer vorgegebenen Checkliste erfasst wurden.

Die Ergebnisse sollten aufhorchen lassen: Trotz seit Jahren vorgeschriebenem QM hatten 16 % keinen Hygieneplan und 8 % nicht einmal einen aktuellen Reinigungs- und Desinfektionsplan.  Dafür waren 92 % mit berührungsfreien Armaturen ausgerüstet, jedoch fehlten in 2 Praxen Seifenspender und in 9 Praxen Handtuchspender. 14,2 % der Praxen arbeiteten noch mit gepuderten Latexhandschuhen (Allergieprobleme!).

Wie in den o.a. Kliniken ergaben sich die größten Probleme bei der Instrumentenaufbereitung. 7 von 66 Praxen benutzen keine zugelassenen Desinfektionsmittel,  52 % bereiteten Instrumente mittels manueller  Methoden zur Instrumentendesinfektion auf. Lediglich ein Drittel der Praxen setzte ein maschinelles Aufbereitungsverfahren ein, die regelmäßige Wartung konnte in 73 %, aber eine mikrobiologische Überprüfung in nur 29 % nachgewiesen werden.

Sämtliche geprüften Praxen hatten einen Sterilisator, jedoch nur 61 % der Praxen hatten einen Autoklaven Typ B, 7 % einen Typ S. 14 % waren mit einem Typ-N-Sterilisator ausgerüstet, in weiteren 17 % konnten die Sterilisatoren keinem Typ zugeordnet werden. Die vorgeschriebene regelmäßige Wartung wurde in 93 %, eine biologische Überprüfung in 83 % der Praxen durchgeführt. 34 % der Praxen sterilisierten automatisch, 55% manuell. In 11 % der Praxen fand sich keinerlei Dokumentation. Keinerlei Dokumentation – mehr als jede zehnte Praxis verstößt damit gravierend gegen einschlägige Bestimmungen.

Nun werden wegen der hohen Arbeitsbelastung der Prüfbehörden wenig bis kaum Prüfungen durchgeführt. Sich da in falscher Sicherheit zu wiegen wäre jedoch fatal.

Neue Anforderungen an Infektionsschutz durch Zuwanderer

Es ist wohl unbestritten dass Zuwanderer aus unterentwickelten Weltregionen, wie sie derzeit und voraussichtlich noch über viele Jahre hinweg, ins Land strömen, keinen Zugang zu solch guter gesundheitlicher Betreuung wie bei uns hatten, insbesondere nicht in Kriegsgebieten. Zusätzlich erkranken auf den langen Wegen sowie in der Enge der Flüchtlingslager mit eingeschränkter persönlicher Hygiene nicht wenige der Migranten ernsthaft, nicht selten an uns inzwischen nicht mehr geläufigen Krankheiten, wie Polio (Kinderlähmung), TBC (Tuberkulose), Masern, usw. Sogar Pocken und Pest können ggflls. gefunden werden, nebst Parasiten (Läuse, usw.). Auch die Syphilis breitet sich wieder mit hoher Geschwindigkeit aus, nebst einer wieder steigenden Zahl an Neuinfektionen mit HIV.

Da es unvermeidbar scheint, dass jeder Arzt hierzulande auch mit Migranten bzw. Erkrankten aus anderen Risikogruppen in Kontakt gerät, können Nachlässigkeiten bei der Hygiene katastrophale Folgen haben, denken wir nur an die nicht gar so lange zurückliegende EHEC-Epidemie (2011). Zusätzlich haben wir mit multiresistenten Keimen (Klinikskeime! Entstanden durch zu häufigem und inkorrektem Gebrauch von Antibiotika in Verbindung mit unzulänglicher Hygiene) sowie einer unverständlichen „Impfmüdigkeit“ zu tun, die die Weitergabe von Infekten drastisch erleichtern.

Die zahnärztliche Tätigkeit geht mit einem besonders hohen Risiko der Übertragung pathogener Keime einher. Dem wird z.B. Rechnung getragen bei einer Schwangerschaft zahnärztlicher Mitarbeiter: mit Bekanntwerden einer Schwangerschaft besteht sofort Arbeitsverbot am zahnärztlichen Arbeitsplatz. Auch sind passive Schutzmaßnahmen (Handschuhe, Mundschutz, usw.) definitiv vorgeschrieben. Ebenso ist es unzulässig, dass ein Behandler oder Mitarbeiter mit einer ansteckenden Krankheit am Patienten tätig wird.

Zudem – der Zahnarzt arbeitet ja mit Wasser – geht die vorgeschriebene Legionellenprüfung auch in Richtung Infektionsschutz.

Die möglichen Folgen

Aus einer Infektion eines Patienten resultieren Schadensersatzansprüche sowie strafrechtliche und berufsrechtliche Folgen. Nun wird man meinen, es sei ja recht schwierig eine Infektionsquelle ausfindig zu machen. Dem ist entgegenzuhalten, dass z.B. im Fall eines US-amerikanischen Zahnarztes schon vor Jahrzehnten eine eindeutige Bestimmung dieses einen Zahnarztes möglich war als Infektionsquelle von HIV, auch bei der vor Jahren in Norddeutschland grassierenden EHEC-Epidemie gelang die Zuordnung (Sprossen aus ägyptischem Anbau und Benennung des Restaurants, in dem sich die Gäste infiziert hatten).

Aufgrund der sehr präzisen Genbestimmung der Erreger lassen sich gerichtsverwertbare Beweise sichern. Nun können dadurch enorm hohe finanzielle Belastungen nur an Schadensersatz, Schmerzensgeld, usw. resultieren, die nicht zwangsläufig durch eine Versicherung abgedeckt sind. Eine Haftpflichtversicherung wird in der Regel nur unvermeidbare bzw. fahrlässige Schäden abdecken, nicht jedoch grob fahrlässige oder vorsätzlich herbeigeführte.

Auf Basis der Vorschriften kann ein Gericht jederzeit gravierende Verstöße als „grob fahrlässig“ einstufen, was den Versicherungsschutz erlöschen lässt. Hier kann durchaus der wirtschaftliche Ruin als Endergebnis drohen.

Strafrechtlich wird dies im Normalfall als „fahrlässige“ bzw. „grob fahrlässige“ Körperverletzung gewertet (§ 223 StGB Körperverletzung  (1) Wer eine andere Person körperlich misshandelt oder an der Gesundheit schädigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. § 224 StGB Gefährliche Körperverletzung (1) Wer die Körperverletzung 1. durch Beibringung von Gift oder anderen gesundheitsschädlichen Stoffen 2. mittels einer Waffe oder eines anderen gefährlichen Werkzeugs, 3.mittels eines hinterlistigen Überfalls, 4. mit einem anderen Beteiligten gemeinschaftlich oder 5. mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung begeht, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren, in minder schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft).

Schließlich drohen berufsrechtliche Konsequenzen. Bei Bekanntwerden von Verstößen kann ein Disziplinarverfahren eingeleitet werden, mit Strafen bis hin zum Entzug der Approbation.

All das findet naturgemäß nur Anwendung, wenn es zu einem Zwischenfall kommt, der jedenfalls innerhalb des QM zu dokumentieren ist. Unterlassung der Dokumentation wirkt strafverschärfend, ebenso das Unterlassen einer ggflls. erforderlichen Meldung an das zuständige Gesundheitsamt.

Welcher Art kann solch ein Zwischenfall sein?

Hier ist an eine ernsthafte Erkrankung eines Patienten nach Zahnarztbesuch zu denken, ebenso eine Erkrankung eines/einer Mitarbeiter/in. Selbst die Erkrankung des Praxisinhabers selbst ist meldepflichtig (z.B. Hepatitis, HIV, TB, Lues, etc.). Im Fall des o.a. Zahnarztes hatten sich mehrere (!) Patienten mit HIV infiziert, die Infektionsquelle konnte ausfindig gemacht werden (der Zahnarzt), die Folge war eine langjährige Haftstrafe sowie der wirtschaftliche Untergang.

Tritt eine meldepflichtige Erkrankung (z.B. TB) auf, werden routinemäßig alle Kontaktpersonen gesucht, dazu kann natürlich auch der Zahnarzt gehören. Die logische Folge wird dann eine Begehung durch das Gesundheitsamt sein, und werden dann Mängel festgestellt, wird eine Rüge ausgesprochen – dies für den Fall dass nichts schlimmeres passiert ist, d.h., es wurde kein anderer Patient infiziert. Darüber hinaus wird eine weitere Begehung erfolgen, um zu kontrollieren, ob die Mängel abgestellt sind. Diese Begehung ist dann kostenpflichtig, die Gebühren sind von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, jedoch muss man mit mehreren hundert € rechnen.

Natürlich möchte kein Zahnarzt einen Patienten schädigen oder verletzen – jedoch zeigen die Beispiele aus Frankfurt, dass bezüglich Hygiene Defizite bestehen, die genau dieses Resultat zur Folge haben.

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