Der Behandlungsvertrag

„Patientenrechtegesetz“

Der Behandlungsvertrag

Unabhängig von versicherungsrechtlichen Umständen (GKV / Versichertenausweis, Selbstzahler, Privatversicherung, Beihilfe, etc.) ist die Voraussetzung einer Therapie stets das Zustandekommen eines Behandlungsvertrags. Das BGB kennt hier den Begriff „Dienstvertrag“, d.h., der Arzt schuldet dem Patienten nicht den Erfolg einer Behandlung, sondern lediglich eine dem Stand des Wissens entsprechende Behandlung („lege artis“). Anders ein Werkvertrag; da schuldet z.B. der Handwerker den Erfolg seiner Tätigkeit. Normalerweise gilt im Dienstvertrag keine Gewährleistung (wie im Werkvertragsrecht), hier hat der Gesetzgeber eine Sonderregelung geschaffen: der Zahnarzt muss eine Gewährleistung auf Zahnarztleistungen von  zwei Jahren für Versicherte der GKV leisten.

Der Behandlungsvertrag kommt analog allen Vertragsverhältnissen durch Angebot und Annahme des Angebots zustande: die Praxis mit Praxisschild bietet durch das Praxisschild die Behandlung an, der Patient betritt die Praxis und meldet sich an, damit wird ein wirksamer Vertrag geschlossen. Allerdings hat der Gesetzgeber an die Wirksamkeit eines solchen Vertrags Bedingungen geknüpft.

Welche Rechte hat ein Patient?

Der Patient muss vor der Behandlung über sämtliche wesentlichen Umstände informiert werden und bei Veränderung während der Behandlung, insbesondere sind dies “Diagnose, die voraussichtliche gesundheitliche Entwicklung, die Therapie und die zu und nach der Therapie zu ergreifenden Maßnahmen” (§630c II BGB). Ausnahme: unaufschiebbare Behandlungen (Notfall), §630c IV BGB, da geht das geltende Recht davon aus, dass der Patient jedenfalls zugestimmt hätte. In allen Fällen, in denen es ausreichend Zeit gibt – beim Zahnarzt ist das absolut die Regel – muss das Beratungsgespräch vorausgehen.

Neben der Informationspflicht wird juristisch noch eine „Aufklärungspflicht“ genannt, die Voraussetzung für eine wirksame Einwilligung ist. Ohne korrekte Aufklärung entsteht keine wirksame Einwilligung. Eine Behandlung ohne wirksame Einwilligung stellt im Extremfall eine strafbare Körperverletzung dar, da Eingriffe am Menschen stets bedingen, dass

  • eine wirksame Einwilligung vorliegt

und

  • der Eingriff von einem approbierten Arzt vorgenommen wird.

Ausnahmen dazu regelt das Heilkundegesetz („delegierbare Leistungen“) sowie das Heilpraktikergesetz.

  • 1 Abs. 5 und 6 des ZHKG lauten:

„(5) Approbierte Zahnärzte können insbesondere folgende Tätigkeiten an dafür qualifiziertes Prophylaxe-Personal mit abgeschlossener Ausbildung, wie zahnmedizinische Fachhelferin, weitergebildete Zahnarzthelferin, Prophylaxehelferin oder Dental-Hygienikerin, delegieren: Herstellung von Röntgenaufnahmen, Entfernung von weichen und harten sowie klinisch erreichbaren subgingivalen Belägen, Füllungspolituren, Legen und Entfernen provisorischer Verschlüsse, Herstellung provisorischer Kronen und Brücken, Herstellung von Situationsabdrücken, Trockenlegen des Arbeitsfeldes relativ und absolut, Erklärung der Ursache von Karies und Parodontopathien, Hinweise zu zahngesunder Ernährung, Hinweise zu häuslichen Fluoridierungsmaßnahmen, Motivation zu zweckmäßiger Mundhygiene, Demonstration und praktische Übungen zur Mundhygiene, Remotivation, Einfärben der Zähne, Erstellen von Plaque-Indizes, Erstellung von Blutungs-Indizes, Kariesrisikobestimmung, lokale Fluoridierung zum Beispiel mit Lack oder Gel, Versiegelung von kariesfreien Fissuren.

(6) In der Kieferorthopädie können insbesondere folgende Tätigkeiten an zahnmedizinische Fachhelferinnen, weitergebildete Zahnarzthelferinnen oder Dental-Hygienikerinnen delegiert werden: Ausligieren von Bögen, Einligieren von Bögen im ausgeformten Zahnbogen, Auswahl und Anprobe von Bändern an Patienten, Entfernen von Kunststoffresten und Zahnpolitur auch mit rotierenden Instrumenten nach Bracketentfernung durch den Zahnarzt.“

Zu beachten ist unbedingt, dass nur an qualifiziertes Personal delegiert werden darf. Während der Zahnarzt grundsätzlich nicht verpflichtet ist, einschlägig vorgebildetes Personal – insbesondere Zahnarzthelferinnen – zu beschäftigen, schreiben § 1 Abs. 5 und 6 ZHKG ausdrücklich vor, dass die Delegation nur an entsprechend qualifiziertes Personal übertragen werden kann und darf.

Die Delegation darf nur durch einen approbierten Zahnarzt bzw. Kieferorthopäden delegiert werden, Mitarbeiter dürfen nicht selbstständig tätig werden – das betrifft z.B. Zahntechniker oder insbesondere Dental-Hygienikerinnen.

Eine Missachtung der Delegationsregelungen kann sowohl straf- als auch zivilrechtliche Folgen haben. Strafrechtliche Konsequenzen können der Vorwurf der Körperverletzung sein, da ein Patient nur in eine fachgemäß zu erbringende Heilbehandlung einwilligt, eine Einwilligung erlischt sofort dann, wenn unberechtigt delegiert wird. Auch zivilrechtlich wäre das problematisch – mit der Konsequenz, dass die GKV oder Privatversicherung Rückforderungen stellt und, noch schwerwiegender, ggflls. auch der Haftpflicht-Versicherungsschutz gefährdet ist.

Eine Abrechnung erfolgt zwingend stets im Namen des Zahnarztes.

Schienenkontrollen sowie das Wiedereinsetzen von Brücken und Kronen sind nicht delegierbar!

Ganz wichtig: Azubis dürfen grundsätzlich nicht am Patienten tätig werden! Ebenso ist es untersagt, dass Zahntechniker direkt am Patienten arbeiten – die häufige Einbestellung von Patienten ins Labor zur Farbnahme ist zulässig, jedoch darf keine Anprobe im Patientenmund vorgenommen werden!

Verstöße gegen die o.a. Regeln führen regelmäßig zum Honorarverlust, ggflls. zur Rückforderung (Regress), zu Schadensersatzforderungen in Form von Schmerzensgeld, zwangsläufig zum Disziplinarverfahren und ggflls. zu strafrechtlichen Ermittlungen durch die Staatsanwaltschaft.

Ewiger Streitpunkt ist die PAR-Therapie. Hier ist es mittlerweile üblich, dass DH´s oder andere weitergebildete Zahnärztliche Fachangestellte am Patienten tätig werden (was gewollt ist!), jedoch ist deren Tätigkeit auf die o.a. Leistungen beschränkt. Kürettagen sind dem Zahnarzt vorbehalten, die darf auch eine DH nicht durchführen, die DH soll und darf das Scaling vornehmen. Die Abgrenzung zwischen Scaling und Kürettage ist nicht leicht, könnte man ein deep scaling auch als Kürettage bezeichnen und eine Kürettage ggflls. als Scaling bzw. root planing. Im Streitfall wird die Taschentiefe als Kriterium dienen: ein deep scaling bei Taschentiefen von 6 und mehr mm wird unglaubwürdig, wohingegen 3 mm auch als scaling durchgehen können.

Was jedoch gar nicht geht dass eine Auszubildende eine Kürette in die Hand nimmt!

 

Beratungspflicht

Hier muss über alle wesentlichen Umstände, aber auch über fachliche Fragen, z.B. die Frage der Notwendigkeit einer Behandlung und mögliche Alternativen (§630e I BGB), gründlich und nachweisbar (Dokumentationspflicht) informiert werden. Die Aufklärungspflicht beinhaltet auch Auskunft zu den Kosten der Behandlungsalternativen. Es ist jedenfalls auf alle Alternativen hinzuweisen, auch solche, die ggflls. ausschließlich „privat“ zu bezahlen sind.

Die Aufklärung selbst muss mündlich durch den Arzt persönlich erfolgen, wobei auf Unterlagen stützend Bezug genommen werden darf. Die Aufklärung muss so stattfinden, dass der Patient sie auch verstehen kann (§630e V BGB), was im Extrem bedeutet, dass ggflls. ein Dolmetscher hinzugezogen werden muss. Meist genügt die Hinzuziehung eines Verwandten der der deutschen Sprache mächtig ist, davon muss sich der (Zahn)Arzt jedoch überzeugen.

Alles, was der Patient unterschreibt, muss diesem in Kopie ausgehändigt werden (§630e II BGB). Auch hier sind Sprachbarrieren zu beachten! Es könnte sinnvoll sein, Formulare in Fremdsprache abzufassen.

Bei der Aufklärung darf eine Mitarbeiterin nur im Rahmen der im ZHK-Ges. festgelegten Delegationsrahmen mitwirken.

Einwilligung

Vor der Behandlung muss ein Patient einwilligen (§630d I BGB), wobei eine wirksame Einwilligung, wie oben dargestellt, nur erfolgen kann wenn der Patient in vollem Umfang (§630d II BGB) informiert bzw. aufgeklärt worden ist. Bei „mutmaßlichem Einverständnis“ in unaufschiebbaren Situationen kann ein solches Einverständnis auch vermutet werden (§630e III BGB), wobei man sich als Arzt nie auf diese Klausel verlassen sollte, da der Begriff „unaufschiebbare Situation“ ja fast nach Belieben dehnbar ist. Im Fall einer nachweislich lebensbedrohenden Situation (Beispiel: massiver Blutverlust, Ohnmacht) kann man sicher sein, aber andere Situationen werden von Gerichten sehr unterschiedlich interpretiert.

Der Patient kann die Einwilligung jederzeit widerrufen, ohne an eine Form beim Widerruf gebunden zu sein (§630d III BGB). Der Arzt ist verpflichtet  alles umfassend zu dokumentieren, wobei (§630f I BGB) Berichtigungen an der Dokumentation im Nachhinein nur dann gestattet sind, wenn auch für Dritte nachvollziehbar ist, was wann berichtigt wurde.

In die Patientenakte muss nach §630f II BGB alles eingetragen werden, was aus fachlicher Sicht notwendig ist (alles wesentlichen Maßnahmen und Ergebnisse! Medikationen bzw. verwendet Präparate! Compliance!). Die Akte muss 10 Jahre (§630f III BGB) aufbewahrt werden, wobei dem Patienten ein umfassendes Einsichtsrecht gestattet ist („Patientenrechtegesetz“). Diese Einsicht muss auf Verlangen unverzüglich gewährt werden, und dies (§630g I BGB)  grundsätzlich in den Räumen, in denen die Unterlagen aufbewahrt werden. Ausnahmsweise kann eine solche Akteneinsicht versagt werden, wenn z.B. dadurch ein therapeutischer Erfolg gefährdet werden würde (z.B. beim Psychologen/Psychiater) – eine solche Ablehnung ist aber zu begründen. Stirbt der Patient, so steht das Recht seinen Erben bzw. Verwandten zu (§630g II BGB).

Es gilt mittlerweile eine Form der Beweislastumkehr: Bei der Realisierung eines allgemeinen Behandlungsrisikos wird nach §630h I BGB primär ein Behandlungsfehler vermutet, bei einem groben Behandlungsfehler wird angenommen (§630h V BGB), dass dieser für spätere Verletzungen kausal war. Die umfangreichen Beweislastregeln wirken zum Nachteil des Behandelnden.

Auch gesetzeskonforme Einwilligung und Aufklärung hat der Behandelnde zu beweisen (§630h II BGB). Was nicht in der Akte steht, hat nicht stattgefunden, so nimmt der Jurist an (§630h III BGB). Das bedeutet: der Arzt kann eine Behandlung nicht einfach behaupten, er muss sie anhand der Dokumentation nachweisen können. Findet sich keine entsprechende Eintragung, so darf angenommen werden, sie wäre nicht erfolgt.

Dies schlägt voll zu Lasten der (Zahn)Ärzte durch: sowohl bei Fragen einer nicht lege artis Behandlung als auch bei der Abrechnung werden strenge Maßstäbe angelegt.

in Prüfungen (Einzelfallprüfung) sind nachträgliche Ergänzungen untersagt, unvollständige Eintragungen führen unmittelbar zum Honorarregress.

Im Fall von Selbstzahlern führen o.a. Fehler zum Verlust des Honoraranspruchs, der im Gerichtsverfahren möglicherweise  durch eine Herabsetzung des Honorars bis hin zur Negierung jeglichen Anspruches führt.

Pflichten des Patienten

Ein Patient muss mit dem Behandelnden zusammenwirken (§630a BGB). Die notwendige Compliance darf der Arzt jederzeit einfordern, ein Patient der sich den Anweisungen des Artes widersetzt, kündigt damit den Behandlungsvertrag. Dem Arzt ist dann eine weitere Behandlung nicht mehr zuzumuten.

Ein Patient ist zur Zahlung der vereinbarten Vergütung verpflichtet (§630a I BGB). Das bedeutet, primär ist ein Patient zahlungspflichtig. Lediglich in der GKV wird eine Sachleistung durch die Kassen vereinbart. Das bedeutet, die Vereinbarung gilt auch dann, wenn ein Privatversicherer nicht vollumfänglich leistet. Allerdings muss, wenn absehbar sein musste, dass dieser Fall eintritt, der Patient vor Beginn der Behandlung darüber aufgeklärt worden sein (siehe oben). Dies hat in Textform zu erfolgen (§630c III BGB). Der Jurist unterscheidet zwischen  „Schriftform“ und „Textform“. Schriftform bedeutet körperlich ausgehändigte Schriftstücke (in Schriftform muss z.B. ein schriftlicher Behandlungsvertrag abgefasst werden, mit Datum und Unterschriften beider Vertragspartner), Textform kann z.B. auch eine e-mail sein.

Da es sich bei einem Behandlungsvertrag um einen „Vertrag“ handelt muss beiden Vertragsparteien jederzeit das Recht eingeräumt werden diesen Vertrag zu kündigen, wobei die Kündigung durch den Arzt einer Begründung bedarf, die des Patienten hingegen nicht. Aber, wenn die Dokumentation stimmt und der Arzt mangelhafte Compliance des Patienten nachweisen kann, sollte das kein Problem darstellen. Auf die Pflicht der Mitwirkung seitens des Patienten wird im Normalfall auch seitens der Krankenkasse deutlich hingewiesen.

Mit der Aufnahme präzisierender Bestimmungen hat der Gesetzgeber nachvollzogen was von Seiten der Gerichte („Richterrecht“) im Lauf der Jahre an Entscheidungen getroffen wurde. Wichtig: Gesetze sind meist recht allgemein gefasst, um einen konkreten Fall wirklich juristisch korrekt beurteilen zu können, wie die Rechtslage ist, ist die Studie von Kommentaren obligat. In diesen beschreiben juristisch gebildete Kommentatoren die Rechtslage abhängig von der aktuellen Rechtsprechung, weshalb Kommentare stets aktualisiert werden müssen.

Fazit: um unangenehmen Rechtsfolgen zu entgehen sollten o.a. Grundprinzipien Beachtung finden, wobei die Suche nach Gesetzeslücken wenig empfehlenswert ist – die Beauftragung von Juristen wäre schon sehr kostenaufwändig…

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