50 Jahre Aminfluorid – 50 Jahre Prophylaxe

50 Jahre Aminfluorid – 50 Jahre Prophylaxe

Heute kann sich das kaum noch jemand vorstellen: in den 70er und 80er Jahren des letzten Jahrhunderts – so lange ist das ja nun auch wieder nicht her – wurden hohe Prämien bezahlt für einen jüngeren Erwachsenen mit (noch) kariesfreier Dentition, um so Jemanden als Musterbeispiel eines intakten Gebisses vorstellen zu können. Karies war die häufigste Erkrankung überhaupt, und die Behandlung der Kariesfolgen verschlang Unsummen. 20 und mehr Prozent der Gesamtausgaben im deutschen Gesundheitswesen flossen in diesen doch eher kleinen Teilbereich der Humanmedizin. „Prophylaxe“ wurde zu einem Schlagwort – bis heute fast nur in der Zahnheilkunde gebraucht, obgleich doch eigentlich ein universeller Begriff.

Auf diesem Gebiet konnte man sich als junger Zahnarzt anfangs kaum profilieren, aufwändige Zahnrestaurationen waren „in“. Wer viel Prothetik machte war hoch angesehen, Prophylaxe wurde milde belächelt.

In diesem Umfeld entwickelte sich GABA (Goldene Apotheke Basel) mit den Elmex-Produkten zu einem Begriff, der fast gleichzusetzen war mit „Prophylaxe“. Die enge Zusammenarbeit der GABA mit Wissenschaftlern der Schweizer Universitäten, später ausgedehnt auf erste Adressen der internationalen Wissenschaft, trug und trägt Früchte – ELMEX wurde praktisch in allen klinischen Kursen angewendet. Dabei wurde die erste Zahncreme mit Aminfluorid in Deutschland 1951/52 bei Knoll AG, Ludwigshafen, entwickelt und patentiert. Unter dem Handelsnamen „Biox Fluor“ wurde dieses Produkt verkauft, es enthielt den aktiven Wirkstoff Ethanolamin-Hydrofluorid, Erfinder war Kurt Kraft. Oskar Eichler, Toxikologe an der Universität Heidelberg, und Kraft waren Inhaber des entsprechenden Zahnpasta-Patents (Deutsches Patentamt: Patentschrift DE971375. Patentiert in Deutschland am 26. August 1951). Der Verkaufserfolg blieb bescheiden. Die Devise lautete, weshalb Prophylaxe, die Kasse zahlt ja die Reparaturen. Erst GABA (in Deutschland Wybert, Lörrach) schaffte den Durchbruch, das Wachstum des Unternehmens war ganz eng mit den Prophylaxerfolgen verbunden.

Das in der Elmex Zahnpaste enthaltene Olaflur (Olaflur, präzise BIS(HYDROXYETHYL)-AMINOPROPYL-N-HYDROXYETHYL-OCTADECYLAMINE DIHYDROFLUORIDE, sowie ebenfalls enthaltenes Aminfluorid Dectaflur wurden durch neu entwickelte Putzkörper auf Basis Siliziumdioxid stabilisiert, die üblichen Zusätze von Kalziumkarbonat vertrugen sich nicht mit dem sauren Wirkstoff. Damit war eine hochwirksame Zahncreme verfügbar, die als erste den Kampf gegen die Karies sinnvoll erscheinen ließ. Natürlich gab und gibt es auch andere Interventionsmöglichkeiten: Trinkwasser- und Milchfluoridierung, antibakteriell wirkende Präparate, wie CHX, Natriumfluoridpräparate, Pyrophosphate, usw. wurden verbreitet eingesetzt. Aber, GABA hat mit ELMEX wohl am meisten bewirkt, sicherlich auch durch die enge Kooperation mit den zahnmedizinischen Fakultäten. Die organischen Aminfluoride haben seither in mehr als 400 wissenschaftlichen Studien ihre Wirksamkeit bewiesen.

Bilanz der ELMEX Forschung

In einem Symposium zum 50. Jahrestag der Einführung der Elmex Produktlinie wurden die mit dem Thema vertrauten Vertreter der Wissenschaft als Referenten unter Vorsitz von Thomas Attin, Leiter der Zahnerhaltung an der Universität Zürich, eingeladen, und auf den Zuhörerbänken saßen nicht zuletzt Legenden der zahnmedizinischen Prophylaxe, wie z.B. Klaus König (ijmuiden). Das Auditorium feierte das Jubiläum mit.

Es wurde ein aktueller Abriss des Stands der Wissenschaft geboten. So trug beispielsweise Elmar Hellwig, Chef der Zahnerhaltung in Freiburg, zur Wirkungsweise der Aminfluoride vor („Effects of action of amine fluoride-containing products in situ“), Joachim Klimek (Zahnerhaltung Universität Gießen) gab einen Einblick in die Erkenntnisse zu Kalizumfluorid, Mathias Petzold aus der physikalischen Fakultät der Universität Halle zeigte die physikalischen Beweise für die Interaktion von Fluorid mit menschlichem Gewebe, Melinda Madlena von der Semmelweis-Universität Budapest berichtete von Ergebnissen der Studien zu Aminfluorid in ihrem Heimatland Ungarn, Elmar Reich (vormals Chef der Zahnerhaltung Bad Homburg, heute in eigener Praxis niedergelassen in Biberach und sehr aktiv in den Prophylaxe Programmen der LZK Bayern) blickte auf 50 Jahre Kariesbekämpfung in Deutschland zurück, Ten Cate von der Universität Amsterdam erzählte interessantes zum Biofilm auf den Zahnoberflächen und last but not least  gab Carolina Ganss, ebenfalls von der Universität Gießen und dort habilitierte Oberärztin, einen Einblick in ihre Forschungen zu innovativen Wirkstoffen, wie Polyvalente Metallkationen und Biopolymere.

Es war ein weiter Weg von den ersten Berichten zu Gebisserkrankungen (China, 2500 vor unserer Zeitrechnung) über frühe Berichte zu Zahnbehandlungen aus Ägypten (1500 vor unserer Zeit) bis zu den erfolgreichen modernen Präparaten der GABA (1919 Aronal und Meridol) sowie der engen Kooperation des Unternehmens mit der Wissenschaft, begründet auf der ORCA Tagung 1955 in Genf, nach der Hans Schmid und Hans Mühlemann die Forschung an der Universität Zürich starteten. 1957 ließ sich dann GABA Olaflur, Hetaflur und Dectaflur patentieren, während Mühlemann dies mit wissenschaftlichen Publikationen begleitete. 1958 startete Thomas Marthaler, angeregt von Mühlemann, eine erste große Studie in Zürich an Schulkindern um den Effekt der Aminfluoride bezüglich Karies nachzuweisen.  Und 1963 kam dann die ELMEX Zahnpasta auf den Markt, gefolgt von zahlreichen weiteren Präparaten basierend auf Aminfluorid.

Was macht nun Aminfluorid zu so etwas besonderem? Hier hat Hellwig auf dem o.a. Symposium Antworten geliefert. In zahlreichen Studien konnte gezeigt werden, dass schon ein einmaliger Auftrag eines Präparats mit höherer Konzentration an Aminfluoriden zu einer signifikanten Einlagerung von Mineral in gesäuberte initiale Kariesläsionen führt. Ebenso konnte gezeigt werden dass dieser Effekt abhängig ist von der individuellen Salivation – die Speichelflussrate ist demnach ein wichtiger Parameter in der Remineralisation. In einer weiteren Studie wurde gezeigt, dass das Maß der Mineralieneinlagerung abhängig ist von der Konzentration an Fluorid. Allerdings zeigten die Experimente auch, dass ein häufiger Auftrag von viel Fluorid enthaltenden Gelen in keiner signifikanten Relation zur Remineralisation (verglichen zum Placebo) stand. Andererseits fanden die Wissenschaftler heraus, dass unter kariogenen Bedingungen die Demineralisation begrenzt wird und sogar Remineralisationsvorgänge stattfinden, wenn hochkonzentrierte Aminfluoridpräparate Anwendung fanden. Sogar Aminfluorid-haltige Mundspüllösungen zeigten im in-situ Modell die Fähigkeit initiale Interproximalkaries zu remineralisieren.

Solche in-situ Studien haben jedoch auch ihre Grenzen, wie Hellwig erläutert. In keiner Studie konnte eine vollständige Ausheilung gezeigt werden, weil die Zeit einfach nicht ausreicht, die Compliance der Probanden über die nötigen langen Zeiträume genügt dazu nicht.

Dies führt dazu, dass es stets eine Diskussion geben wird wie relevant solche Ergebnisse für die reale Situation im Ökosystem Mundhöhle sind – die individuellen Gegebenheiten (Salivationsrate, Compliance) nehmen über die erforderlichen längeren Zeiträume eine zu große Bedeutung an und verwischen mögliche exakte Zusammenhänge. Nur, wir haben eben keine andere Möglichkeit.

Entgegen früherer Annahmen wirkt Fluorid nicht systemisch sondern ausschließlich lokal, was z.B. die Gabe von Fluorid Tabletten als obsolet erscheinen lässt – dies hat zu Diskussion mit den Pädiatern geführt, die sich den Erkenntnissen nicht so rasch anschließen wollten und weiter D-Fluoretten verordneten. Klimek, ein schon sehr lange in der Prophylaxe engagierter Wissenschaftler, der auch seine Karriere in Marburg mit Studien zu Fluoridierungen begonnen hat, hat schon früh nachgewiesen dass es sich um lokale Geschehen handelt, wenn wir Fluorid als präventive Maßnahme applizieren. Klimek erläutert das so, dass, sobald Fluorid mit Zahnoberfläche in Kontakt kommt, Kalziumfluorid als Deckschicht gebildet wird, das in Kalilauge löslich ist und früher als unerwünschtes Nebenprodukt angesehen wurde – Ziel war die Bildung von Fluorapatit. Aktuellen Erkenntnissen zufolge ist jedoch die Deckschicht aus Kalziumfluorid das wichtigste und vermutlich auch einzige Reaktionsprodukt mit Auswirkung auf die Zahngesundheit.

Die Qualität der Kalziumfluoriddeckschicht hängt von diversen Faktoren ab: Die Fluoridverbindung spielt eine Rolle, die Fluoridkonzentration, die Einwirkzeit, der pH-Wert des Präparates und natürlich der Zustand der Zahnoberfläche. Im in vitro Versuch konnte gezeigt werden, dass auch die Applikationshäufigkeit einen Einfluss hat. Das für die Bildung des Kalziumfluorid benötigte Kalzium stammt dabei aus dem Zahnhartgewebe selbst oder aus dem Speichel. Ein niederer pH-Wert (wie bei den Aminfluoriden gegeben) fördert selbst dann die Ausbildung von Kalziumfluorid wenn die Fluoridkonzentration niedriger wird, wie es bei der Anwendung von Zahnpasten durch die Verdünnungswirkung des Speichels regelmäßig der Fall ist. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass mit Aminfluorid (pH 5,5) mehr Kalziumfluorid gebildet wird als mit Natriumfluorid (neutraler pH). In in vivo Studien konnte gezeigt werden, dass eine rasche Auflösung des Kalziumfluorid-Präzipitats durch Speicheleinwirkung gehemmt wird. Liegt Plaque vor wird aus der Deckschicht beim kariösen Säureangriff Fluorid freigesetzt – man kann die Kalziumfluoriddeckschicht als pH-gesteuertes Reservoir ansehen, das nach Bedarf Fluorid-Ionen freizusetzen imstande ist, im neutralen Bereich jedoch lange Zeit stabil bleibt. Daraus folgt, so Klimek, dass vorzugsweise zur Kariesprävention Zahnpasten, Mundspüllösungen und Gele eingesetzt werden sollten, die eine möglichst stabile Deckschicht auf den Zahn Oberflächen ausbilden.

Die Physik kann wertvolle Hinweise zur Wirksamkeit der Fluoridierungsmaßnahmen geben, dazu berichtete Petzold. Die Untersuchung von Zahnoberflächen nur durch chemische Methoden hat durchaus Schwächen; physikalische Methoden, wie Ionenmassenspektrometrie, Elektronenmikroskopie, Röntgenstrahluntersuchungen können sehr detaillierte Aussagen zur Feinstruktur der Oberflächen liefern. Insbesondere in den sehr dünnen Schichten, die nach unterschiedlichen Oberflächentouchierungen entstehen, kann die Physik detaillierte Erkenntnisse zu der Morphologie, der Chemie und der Tiefe der Fluorideinwirkung gewinnen. Zudem können mittels physikalischer Methoden visualisierte Bilder des Geschehens hergestellt werden, die das Verständnis der Vorgänge positiv beeinflussen können.

Aminfluorid-haltige Produkte waren nicht überall verfügbar, insbesondere im Osten Europas gab es da andere Vorgehensweisen der Prophylaxe,  teilweiser wurde die TWF bevorzugt, teilweise wurde jeglicher Prävention eine Absage erteilt, je nach momentanem politischem Gusto – nach dem Fall des Eisernen Vorhangs ergab sich eine gute Gelegenheit, die Wirkung solcher Präparate an einer quasi „jungfräulichen“ Gesellschaft zu testen. Madalena berichtet zum Stand solcher Studien in Ungarn, beginnend vor 15 Jahren bis heute. Besonderes Augenmerk legte die Forscherin auf die Kombination Aminfluorid/Zinnfluorid (Meridol) – nachzulesen in den Publikationen aus 2002, 2004, 2012 (Madalena et al, Budapest) sowie bei Banoszy (1987), Kertesz (1986), Szöke und Kozma (1989) sowie Denez und Gabris (19919 und Banoszy 1989.

Das zentrale Augenmerk muss auf die Prävention und deren Erfolge gerichtet sein, und hier haben wir ja eine beispiellose Erfolgsgeschichte erlebt. Kaum eine Krankheit wurde so effektiv  eingedämmt wie die Zahnkaries, eine wirklich beispiellose Story mit gewaltigen Auswirkungen auf die Gesundheitsetats der Industrieländer. Beispiel Deutschland: heute werden nur noch deutlich unter 10 Prozent der Gesundheitskosten von den Zahnärzten vereinnahmt. Die Zahnärzte können mit Recht stolz sein auf ihre Erfolge, denn, ohne Zahnärzteschaft wäre dies unmöglich gewesen.

Elmar Reich, seit 2010 Vorsitzender des FDI-Fortbildungskommitees, zeigte an Zahlen diesen beispiellosen erfolgreichen Feldzug gegen die Volksseuche. Es ist erstaunlich dass die Öffentlichkeit diese enorme Leistung weder wirklich wahrnimmt noch in irgendeiner Weise bisher honoriert hätte. Dabei ist die zahnmedizinische Prophylaxe – anders als bei praktisch allen anderen Seuchen – ohne staatliche finanzielle Hilfen nur aus dem Honorartopf der Zahnärzte finanziert worden. Ein Grund dafür mag darin liegen, dass nicht alle Bevölkerungskreise gleichermaßen von der eingeführten Prophylaxe profitieren.  Der Erfolg ist – leider – nur „durchschnittlich“, d.h. es gibt Kreise, die gar nicht oder nur sehr gering Nutzen daraus ziehen können und in denen Karies nach wie vor weit verbreitet ist. Reich weist hier auf einen schwachen Punkt der Erfolgsstory hin: insgesamt haben wir in Deutschland die vorgegebenen Ziele der WHO bei weitem übertroffen, insbesondere bei Kindern und Jugendlichen, aber: Angehörige niederer sozioökonomischer Schichten („Benachteiligte“) vermeiden nach wie vor den regelmäßigen Besuch beim Zahnarzt, wichtigste Voraussetzung für die Prävention, und sie schicken auch ihre Kinder nicht zur regelmäßigen Vorsorge. Ein Großteil sucht den Zahnarzt erst bei Schmerzen auf, dies gilt leider auch für die Kinder. Die daraus resultierende „Schiefverteilung“ der Krankheit wurde in zahlreichen Studien eindrucksvoll nachgewiesen (u.a. Kocher et al, Greifswald), Gesundheitssurvey des RKI, Berlin, DMS IV, Köln). Gruppenprophylaktische Maßnahmen erreichen sie auch nur begrenzt, da das Fernbleiben aus Einrichtungen wie Kindertagesstätte oder Kindergarten aktuell sogar noch mit einem finanzielle Bonus („Betreuungsgeld“) gefördert wird. Dass trotzdem noch so gute Durchschnittswerte erreicht werden konnten ist das Verdienst der Zahnärzte, denn würden die sonstigen Maßnahmen (Fluoridhaltige Prophylaxeprodukte) ausreichen gäbe es diese offensichtliche Diskrepanz nicht. Hier wären Überlegungen anzustellen wie das gesellschaftlich bedingte Problem zu lösen wäre.

Ein weiteres dringendes Problem das einer Lösung harrt ist die zunehmende Erosion der Zahnsubstanz, hervorgerufen durch die moderne stark säurehaltige Ernährung (insbesondere durch Getränke).

Hierzu informierte Ganss: es gibt zahlreiche Forschungsprojekte zu innovativen Wirkstoffen, die einer Erosion entgegenwirken sollen. Erosionen werden durch Säureeinwirkung an Plaque-freien Zahn Oberflächen ausgelöst: solche Säuren finden sich z.B. im Mageninhalt (häufiges Erbrechen/Bulimie), in allen Fruchtsäften (!), in allen Erfrischungsgetränken (!), in Fruchtkonserven (Marmelade!), in praktisch allen konfektionierten Süßspeisen (!), kurz, es stehen kaum vorgefertigte Speisen oder Gehtränke zur Verfügung die Säurefrei wären; daneben stellen auch frisch gepresste Säfte ein unerschöpfliches Säurereservoir dar. Da heute weniger in Hauptmahlzeiten gegessen und getrunken wird, sondern auf Anraten der Ärzte die Nahrungsaufnahme ebenso wie die Zuführung von Getränken in kleinen Portionen mit häufiger Frequenz stattfindet (kaum Jemand trinkt den natürlichen Durstlöscher Wasser!)  wird die mineralische Zahnhartsubstanz einem permanenten Säureangriff ausgesetzt. Erschwerend kommt hinzu dass eine reduzierte Salivation – Speichel ist der einige verfügbare natürlich Schutzmechanismus – bei immer mehr auch jungen Patienten beobachtet werden kann (als Hauptursache dafür könnte die weit verbreitete medikamentöse Intervention bei psychischen Erkrankungen infrage kommen, die stressbedingt bereits im jugendlichen Alter vermehrt auftreten). Nach Ganss kommt es so zu kurzzeitigem relativ starkem pH-Wert-Absinken an den Grenzflächen Zahn/Umgebungsflüssigkeit mit der Folge schichtweiser Demineralisation. Sättigungsphänomene, Säureart und pH-Wert sowie hydrodynamische Effekte und physikalische Einwirkungen bestimmen nebst Frequenz und Speichelqualität den Grad an Schädigung. Im Gegensatz zur kariösen Demineralisation, die unter einer intakten Deckschicht stattfindet, handelt es sich bei der Erosion um reine Oberflächenphänomene, die andere Strategien erfordern. Natürlich ist die primäre Intervention eine kausale Prävention: dazu gehört eine sachlich korrekte Aufklärung aller Patienten – die Ernährungsberatung muss fester Bestandteil jeder Patientenberatung werden, die Information lediglich bezüglich Kariogenität von Speisen und Getränken genügt nicht. Da Compliance der Patienten nur auf lange Frist erwartet werden kann – es ist ein sehr umfangreicher Wissensstoff zu vermitteln, ein generelles Bewusstsein ist als nicht vorhanden anzunehmen – sind defensive Maßnahmen sicher erforderlich. Diese können rein symptomatisch durch Verbesserung der Säureresistenz erfolgen. Die Anwendung monovalenter Fluoridverbindungen, die zur Ausbildung einer Kalziumfluorid-Deckschicht führen und sich als Kariesprophylaktikum ideal bewährt haben, ist hinsichtlich Erosion suboptimal, da die Deckschicht im stark sauren Milieu relativ leicht abgelöst werden kann.

Hier werden aktuell polyvalente Fluoridverbindungen, wie Titan-Tetra-Fluorid, Zinn-di-Fluorid sowie Kombinationen aus monovalenten Fluoriden (z.B. Aminfluorid) und polyvalenten (z.b. Zinnfluorid) getestet, die vielversprechende Ergebnisse erbracht haben. Der Wirkmechanismus wird so erklärt, dass sehr schwer lösliche Präzipitate aus Titan- oder Zinnfluorid auf den Zahn Oberflächen aufgelagert werden, und Zinn kann sogar in die Zahnhartsubstanz oberflächlich eingelagert werden.

Nebst diesen Lösungsansätzen mittels Wirkmechanismen aus der anorganischen Chemie werden auch solche aus der organischen untersucht. Polyphosphate, Caseine, Muzine oder auch ein Biopolymer namens Chitosan werden in Studien auf ihre Potenz als Prophylaktika untersucht. Wirkungen werden so interpretiert dass solche Substanzen entweder an die Zahnoberfläche adsorbieren oder auch mit dem Pellikel interagieren.

Primäre Anstrengung müsste jedoch die Reduktion des Säureangriffs sein (Aufklärung!) sowie eine regelmäßige Kontrolle der Salivation. Xerostomie bzw. Oligosialie sind wie die Erosion derzeit noch nicht standardmäßig als zusätzliche Befunde in die zahnärztliche Untersuchung aufgenommen, obgleich eine hohe Prävalenz bzw. epidemiologische Verbreitung gegeben ist.

Zahnärzte sind aufgefordert, sich dem Thema anzunähern und dann den Patienten im Aufklärungsgespräch nahezubringen –ggflls kann dies auch durch die Prophylaxe Fachkraft im Vorfeld der zahnärztlichen Beratung stattfinden.

 

 

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